Interview mit der bayerischen Digitalministerin - 5. Oktober 2020

„Blockchain ist eine der Schlüsseltechnologien der Digitalisierung“

Mit einem Computer, den man sich zur Bewältigung der Buchführungsaufgaben teilte, begann vor über 50 Jahren die Digitalisierung der Steuerberatung.

DATEV transformiert nach wie vor die Prozesse in Kanzleien und die Zusammenarbeit mit ihren Mandanten. Künstliche Intelligenz und Blockchain sind elementare Bestandteile der Entwicklungsarbeit bei DATEV. Bei einem Besuch der bayerischen Digitalministerin Judith Gerlach in der Innovationsschmiede DATEV Lab sprachen wir mit ihr unter anderem über die Digitalisierung der Verwaltung, rechtliche Rahmenbedingungen für Blockchain und den Fachkräftemangel in IT-Berufen.

DATEV: Frau Ministerin, was ist ihr liebster digitaler Alltagsgegenstand?

Judith Gerlach: Das ist ganz klar mein Smartphone – darüber läuft nicht nur ein großer Teil meiner Arbeit, es ist auch Schnittstelle zu meiner Familie und Freunden.

Blockchain, Künstliche Intelligenz & Co. – Einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen und innovative europäische technische Lösungen sind nötig, um Effizienzpotenziale nutzen zu können und Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Wo sehen Sie die größten Chancen für Ihr Ministerium hier den Weg zu ebnen?

Natürlich sind wir im engen Austausch mit dem Bund und der europäischen Kommission, denn es braucht in vielen Bereichen einen abgestimmten europäischen Rahmen für Zukunftstechnologien. Hier geht es natürlich nicht nur um Gelder, sondern auch das gemeinsame Verständnis unserer europäischen Werte und klare gesetzliche Rahmenbedingungen.

Bei den digitalen Zukunftstechnologien wie Blockchain, KI oder auch den Quantentechnologien investiert der Freistaat viel in den Hightech-Standort Bayern. Im Rahmen der Hightech Agenda stärkt der Freistaat die Forschung und Entwicklung zentraler Zukunftstechnologien in den kommenden Jahren mit insgesamt zwei Milliarden Euro. Mit der vor wenigen Wochen beschlossenen Hightech Agenda Plus bekommt dies noch einen „Boost“ von 900 Millionen Euro, die bereits ab 2021 zur Verfügung stehen. Für Bayern bedeutet das eine Stärkung des Wissenschaftsstandorts, die Förderung von Talenten, Know-how und damit natürlich auch die Stärkung unserer Wirtschaftskraft.

Wir investieren aber nicht nur, wir setzen auch eigene Maßnahmen im öffentlichen Bereich um, beispielsweise mit „Cert4Trust“, einer Blockchain-basierten Zeugnisverifikation. Genau mit solchen Projekten können wir als Digitalministerium vorangehen und zeigen, dass diese neuen Technologien unseren Alltag deutlich vereinfachen können und für alle einen Mehrwert haben, für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft.

Mit dem Kooperationsprojekt BIZZBLOXX, an dem DATEV gemeinsam mit der Telekom, OTTO und Hermes arbeitet, und anderen blockchainbasierten Projekten, ist DATEV ein wesentlicher Treiber, die Blockchain-Technologie voranzubringen und Standards zu etablieren. Wie schätzen Sie die Chancen für die Technologie ein (gerade im Bezug auf mittelständische Unternehmen) und welche Maßnahmen ergreift die Regierung, um einheitliche Standards zu schaffen und dort den Einsatz zu fördern?

Die Blockchain-Technologie ist eine der Schlüsseltechnologien der Digitalisierung. Daher haben wir die Bayerische Blockchain-Strategie aufgelegt: „Block.Chain.Trust“ Wir etablieren Bayern als international führenden Blockchain-Standort. Wir setzen dabei vor allem auch auf konkrete Anwendungen und bauen Kompetenzen in der Verwaltung auf, indem wir Projekte anstoßen bzw. für den staatlichen Bereich selbst entwickeln. Zudem konzentrieren wir uns darauf, für die Bürgerinnen und Bürger einen pragmatischen und informierten Umgang mit den Technologien und ihren Anwendungen zu ermöglichen.

Bei der Blockchain ist Vieles noch im Fluss. Technische Weiterentwicklungen schaffen immer wieder neue Anwendungsmöglichkeiten, die es auszuprobieren gilt. Entsprechend flexibel müssen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen fassen, damit unsere Unternehmen agieren können.

In welchen Bereichen hat sich Blockchain in fünf Jahren durchgesetzt?

Ich sehe großes Potenziale der Blockchain insbesondere für die Verwaltung. Mit „Cert4Trust“ geht gerade ein Gemeinschaftsprojekt des Digitalministeriums mit der IHK für München und Oberbayern online, bei dem Zeugnisse mit der Blockchain-Technologie fälschungssicher überprüft werden. Ich denke, dass die Erfahrungen aus diesem Projekt auch auf andere Bereiche der Verwaltung übertragen werden lassen können. Außerdem erhoffe ich mir einen Schub für mehr Nachhaltigkeit und Transparenz, etwa bei der Nachvollziehbarkeit von Herstellungs- und Lieferketten, Zertifikaten u. ä.

DATEV ist in Nürnberg einer der größten Arbeitgeber der Region. Wie viele andere IT-Unternehmen leidet auch DATEV unter dem Fachkräftemangel. Welche strukturellen Probleme bedingen aus Ihrer Sicht diesen Fachkräftemangel und welche Lösungen sieht Ihr Ministerium vor?

Der Fachkräftemangel ist tatsächlich eine der ganz großen Herausforderungen für bayerische Unternehmen. Eine Umfrage der bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeber ergab jüngst, dass 30 Prozent der Stellen für Informatiker gar nicht besetzt werden konnten – und das trotz der derzeit rückläufigen konjunkturellen Entwicklung. Der Arbeitsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren fundamental verändert. Durch Digitalisierung entstehen neue Jobprofile, gleichzeitig fallen bestimmte Jobs weg. Es fehlen qualifizierte Bewerber, die über die benötigten Hard- und Soft Skills verfügen. Es gilt, diesem Mangel mit allen verfügbaren Mitteln entgegenzutreten. Mit der Hightech Agenda schaffen wir deshalb in Bayern 13.000 neue Studienplätze, vor allem für Technik und Informatik. Diesen wuchtigen Aufschlag verbinde ich mit der Hoffnung, dass möglichst viele Frauen die Chance ergreifen. Die Fachkräfteknappheit resultiert ja auch daraus, dass so wenige Frauen in diesen Bereichen tätig sind. Wir können es uns aus wirtschaftlicher Sicht nicht erlauben, auf 50 Prozent des Potenzials als zu verzichten. Um dem entgegenzuwirken, habe ich „BayFiD – Bayerns Frauen in Digitalberufen“ ins Leben gerufen. Mit dieser Initiative möchte ich insbesondere junge Frauen für digitale Berufsfelder begeistern. Im Rahmen eines rund 18-monatigen Programms lernen weibliche Talente zwischen 18 und 30 Jahre verschiedenen digitale Berufsfelder kennen – und fangen hoffentlich Feuer.

Den Gang zum Amt über ein Online-Portal, das ist in anderen Staaten Europas längst üblich. Das Onlinezugangsgesetz sieht vor, dass Deutschland dies bis 2022 umsetzen will. Digitalisierung der Verwaltung: Wo steht Deutschland jetzt und speziell Bayern?

Wir haben bei der digitalen Verwaltung in Deutschland viel aufzuholen, aber wir sind gerade in Bayern schon auf einem guten Weg. Wir werden bis Ende dieses Jahres die wichtigsten Verwaltungsleistungen online anbieten. Außerdem wollen wir für die Bürgerinnen und Bürger auch bequem über eine App erreichbar sein. Ziel ist, diese BayernApp bis Ende des Jahres anzubieten.

Auch für Unternehmen bietet die digitale Verwaltung einen echten Mehrwert. Bayern macht es möglich, dass deutschlandweit die Unternehmen ab kommendem Jahr im Grundsatz alle Verwaltungsverfahren ohne zusätzliche Formalien durchführen können – dank dem in Bayern entwickelten Unternehmenskonto. Zum Einsatz kommt hier unsere aus der Steuerfinanzverwaltung bewährte ELSTER-Technologie.

Frau Gerlach, hat die Corona-Krise die Digitalisierung der bayerischen Verwaltung eher befeuert oder ausgebremst und wie sieht Ihr persönliches Wunschbild der digitalen Verwaltung der Zukunft aus?

Insgesamt betrachtet hat die Corona-Pandemie mit Sicherheit einen Digitalisierungsschub ausgelöst – weltweit und natürlich auch in der bayerischen Verwaltung. Zum einen zeigt sich nach innen gerichtet, wie gut unsere Verwaltung Home-Office kann. Sowohl das Mindset als auch die Hardware passen. Zum anderen ist die Nachfrage nach digitalen Verwaltungsleistungen nach oben geschnellt. Das ist auch meine Vision: Die digitale Verwaltung muss der Bürger jeder Zeit von überall in Anspruch nehmen können, einfach, schnell, online. Lange Warteschlangen vorm Amt oder Papieranträge sind Vergangenheit. Und ganz wichtig: die Anträge werden dann auch digital weiterbearbeitet.

Welche Chancen und Risiken sehen Sie in der Digitalen Verwaltung und eGovernment?

Da sehe ich vor allem Chancen. Denn in erster Linie bietet uns eine digitale Verwaltung allen einen enormen Mehrwert: Arbeitsprozesse werden beschleunigt und vereinfacht und die Bürgerinnen und Bürger gewinnen enorm an Komfort.

Frau Gerlach, vielen Dank für das Gespräch!

Zur Autorin

VJ
Verena Junker

Verena Junker

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