Ob Demo gegen Corona, Verschwörungstheorien oder rechtes Gedankengut: Der sogenannte Widerstand organisiert sich vor allem digital– etwa über den Nachrichtendienst Telegram. Fehlende Regulierungen machen es den Mitgliedern einfach.

Vor dem Berliner Reichstag versammelten sich Ende August zehntausende Menschen, um gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung und der Länder zu demonstrieren. Experten zufolge wurde diese Veranstaltung im Vorfeld vor allem über digitale Netzwerke organisiert. Recherchen des NDR weisen darauf hin, dass Organisatoren und Teilnehmer besonders gern die russische Messaging-App „Telegram“ nutzen.  

Im Gegensatz zu sozialen Medien wie Facebook, Twitter oder Youtube verzichtet Telegram weitestgehend auf die Löschung fragwürdiger Inhalte und Nutzer. Wegen seiner geringen Nutzerzahl in Deutschland kann sich der Messengerdienst bislang dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) entziehen. Denn die dortigen Kontrollauflagen gelten nur für die großen sozialen Netzwerke. Der Extremismusforscher Jakob Guhl sieht darin die Gefahr einer schnellen Verbreitung von rechtsextremem Gedankengut und Verschwörungsmythen.  

Der Chatraum als rechtsfreie Zone? 

Eine gesetzliche Regulierung von Telegram ist aber schwer umzusetzen. Schließlich gilt die Kommunikation über das Netzwerk offiziell als privat. In halböffentlichen Räumen diskutieren aber bis zu 200.000 Teilnehmer. Der Konkurrent Whatsapp erlaubt nur eine Gruppengröße von höchstens 264 Mitgliedern. Ursprünglich wurde das liberale Netzwerk aus Russland für Aktivisten gegründet, die sich staatlicher Überwachung entziehen wollten.  

Telegram als Radikalisierungsnetzwerk? 

Diese absolute Freiheit zur Meinungsäußerung machen sich unter anderen die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Eva Herman oder der Kochbuchautor Attila Hildmann zu Nutze. Sie speisen ihre Kanäle mit kruden Theorien und Halbwahrheiten und versorgen so ihre Follower mit vermeintlich einfachen Erklärungen für unsere komplexe Welt.  

Daran zu glauben vereint zahlreiche Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen – besonders im Corona-Ausnahmezustand. So fanden sich in Berlin Gandhi-Anhänger, reichsflaggenschwingenden Rechtsextreme und viele andere Splittergruppen mit unterschiedlichsten Motiven zur Demonstration zusammen. Dass Telegram derartige Versammlungen begünstigt, steht außer Frage. Nachrichtendienste und die Bundesregierung sollten das Netzwerk aber als Chance zur Gegenaufklärung nutzen, empfiehlt der Politikwissenschaftler Josef Holnburger

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