Kanzleiprozesse digitalisieren - 29. Juli 2020

„Weiterempfehlen auf jeden Fall“

Im Oktober letzten Jahrs wurde DATEV Meine Steuern gelauncht. Seither können Kanzleien mit ihren Mandanten Belege für die Steuererklärung digital austauschen. Der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Marcus Spanrunft beschreibt den Weg seiner Kanzlei bei der Einführung des Programms. Sein Steuerberaterkollege Oliver Köth erklärt, warum die Bereitschaft seiner Mandanten, Meine Steuern einzusetzen, ziemlich hoch war und was das mit der Corona-Krise zu tun hat.

DATEV magazin: Im Oktober 2019 wurde DATEV Meine Steuern freigegeben. Eine Anwendung, auf die Sie gewartet haben?

MARCUS SPANRUNFT: Wir haben durch DATEV Unternehmen online die Belegverknüpfung zu schätzen gelernt und hatten die Hoffnung, diese Funktion auch für die Einkommensteuer zu erhalten. Wir wollten den klassischen Schuhkarton abschaffen und unsere Mandanten motivieren, im besten Fall unterjährig die Belege über Meine Steuern bereitzustellen. Insbesondere die jüngere Generation fordert das regelrecht.

Und wie war Ihr erster Eindruck?

OLIVER KÖTH: Ich habe sehr früh schon im Rahmen der DATEV-Vertreterversammlung ein Preview dazu gesehen. Später habe ich die Anwendung für mich selbst getestet – und der erste Eindruck hat sich bestätigt: Für eine normale Einkommensteuererklärung war es genau das, was wir uns vorgestellt hatten.

Für einige Ihrer Mandanten dürfte die Digitalisierung der Zusammenarbeit mit ihrem Steuerberater Neuland gewesen sein. Wie sind Sie bei der Einführung von Meine Steuern vorgegangen?

MARCUS SPANRUNFT: Zunächst haben wir unsere Mandanten nach ihrer Bereitschaft, umzustellen, kategorisiert. Die Personen mit den größten Einsparpotenzialen haben wir direkt angesprochen. Wir verbinden die Vorstellungen von Meine Steuern mit einem anderen Termin bei uns in der Kanzlei und zeigen in einem persönlichen Gespräch die Vorteile auf. Aus unserer Sicht war dieses Vorgehen das Erfolgsgeheimnis: kein Infobrief oder dergleichen, sondern die direkte Ansprache, das gemeinsame Installieren auf dem Smartphone des Mandanten. Sie sehen sofort die Vorteile wie die intuitive Bedienung oder den dauerhaften und geordneten Zugriff auf die Belege. Im Anschluss können sie sofort starten, und dadurch braucht es nur wenige Tage, bis sie die ersten Belege für das neue Veranlagungsjahr hochladen. Dann haben wir sie schon in der Umstellung drin.

OLIVER KÖTH: Wir haben noch im Dezember mit Steuererklärungen von Freunden und technikaffinen Mandanten, die ihre Unterlagen für 2018 noch nicht eingereicht hatten, angefangen. An diesem Testlauf nahmen jeweils fünf Mandanten in drei unterschiedlichen Altersklassen teil. Das Feedback war gut, auch was die Bedienbarkeit anging. Interessanterweise wurde das Ganze auch von den über 60-Jährigen sehr positiv angenommen.

Arbeiten Sie mittlerweile mit allen Mandanten über Meine Steuern zusammen?

OLIVER KÖTH: Ja. Wir haben zum Jahreswechsel flächendeckend eine Mandantenregistrierung bei DATEV gemacht, sodass die Rechtevergabe für Meine Steuern für alle Einkommensteuermandanten aktiviert war.

MARCUS SPANRUNFT: Wir haben bislang an unserem Standort in Landau über 500 Mandanten auf Meine Steuern umgestellt. Die Mandanten selbst starten in der Regel erst, nachdem wir ihnen die Anwendung in einem persönlichen Gespräch erörtert haben.

Hat sich die Bearbeitungszeit der Einkommensteuererklärung in Ihren Kanzleien mit Meine Steuern verkürzt?

MARCUS SPANRUNFT: Im herkömmlichen Prozess war es für uns immer sehr störend, wenn die Belege fehlten und wir diese nachfordern mussten. Dann ruhte der ganze Auftrag. Bei denjenigen, die Meine Steuern nutzen, bemerken wir, dass insbesondere diese Wartezeit, bis die fehlenden Belege eintreffen, verringert wurde. Da die Mandanten über die App per Foto einfach die fehlenden Belege abfotografieren und hochladen können, geht das deutlich schneller. Das ist aus unserer Sicht einer der zentralen Vorteile.

OLIVER KÖTH: Ich sehe die Zeitersparnis hauptsächlich im nachgelagerten Bereich, nachdem die Einkommensteuer deklariert wurde. Wenn es darum geht, Belege wiederzufinden oder wenn die Finanzverwaltungen bei einzelnen Belegen Nachfragen stellt. Für uns ist das Zeitargument gar nicht entscheidend. Wichtiger ist uns die Übersichtlichkeit und auch die Optimierung nachgelagerter Prozesse. Da sehen wir den effektiven Vorteil.

DATEV sieht sich mitunter der Kritik ausgesetzt, dass die Programme der Genossenschaft nicht intuitiv zu bedienen seien. Wie sieht es mit der Usability bei Meine Steuern aus?

OLIVER KÖTH: Diese Frage muss ich zweiteilig beantworten. Einmal die Oberfläche für die Mandanten. Die ist übersichtlich. Ich glaube, das erschließt sich einem Mandanten innerhalb kürzester Zeit. Das andere Thema ist das Bearbeiten der digital vorliegenden Belege in der Kanzlei. Da wird sicherlich auch nach den Eingaben bei DATEV Ideas noch einiges angepasst – und hoffentlich auch die Wünsche der Beteiligten im Laufe des Jahrs umgesetzt.

MARCUS SPANRUNFT: Ich kann die Kritik ab und zu schon teilen. In diesem Fall sind wir allerdings sehr zufrieden. Wir sind überzeugt von der intuitiven Bedienung. Weder Mandanten noch Kollegen benötigen besondere Vorkenntnisse, wenn sie die Anwendung nutzen möchten. Das Hochladen und die Bearbeitung der Belege durch den SmartLogin finden wir sehr einfach und gelungen.

DATEV Meine Steuern soll auch die digitale Zusammenarbeit von Kanzleien mit ihren Mandanten fördern. Hat die Corona-Krise zusätzlich einen Digitalisierungsschub in dieser Zusammenarbeit ausgelöst?

OLIVER KÖTH: Ich würde sagen, dass unsere Bemühungen der letzten Jahre, unsere Mandanten auf eine digitale Zusammenarbeit zu bringen, binnen vier Wochen von März bis April zu 100 Prozent Früchte getragen haben. Ich habe in der Kanzlei – neben der Bearbeitung von Kurzarbeitanträgen – Mandanten auf Unternehmen online gebracht, auf Meine Steuern umgestellt oder digitale Workflows für Rechnungsweiterleitungen eingeführt. Zudem wurden auch Kooperationswerkzeuge wie Teams, Zoom, Jitsi, BlueJeans und andere sofort begeistert aufgenommen. Das Ergebnis nach zehn Wochen: Die Mandanten haben einen schnelleren und persönlicheren Zugang zur Kanzlei, ohne körperlich anwesend sein zu müssen. Und das schätzen sie unfassbar.

MARCUS SPANRUNFT: Grundsätzlich beobachte ich sowohl in der Kanzlei als auch privat eine zunehmende Öffnung zu digitalen Lösungen. In der Kanzlei wird das insbesondere durch die gestiegene Zahl von Video- und Telefonkonferenzen sichtbar. Wir haben allerdings bereits vor Corona angefangen, Mandanten auf Meine Steuern umzustellen. Dabei haben wir von Anfang an versucht, Angst und Scheu abzubauen und dementsprechend vorgearbeitet. Deswegen kann ich nicht sagen, dass wir durch Corona noch mal einen deutlichen Schub erlebt haben, was die Nutzung von Meine Steuern angeht.

Sie klingen eigentlich sehr zufrieden mit der neuen Anwendung. Welche Funktion vermissen Sie bislang in Meine Steuern?

OLIVER KÖTH: Ich würde gerne die in der Kanzlei verwendeten Formulare zu Meine Steuern zurückschreiben können, ähnlich wie das bei Unternehmen online der Fall ist, wo man Beleginformationen aus Kanzlei-Rechnungswesen zu Unternehmen online zurückspielen kann. Unsere Mandanten und wir wünschen uns zudem eine Art Mandanten-Dashboard, in dem Mandanten wählen können, ob sie unternehmerische oder private Belege hochladen möchten und wo sie beispielsweise private und betriebliche Bankkonten einsehen können. Dort könnte man auch Auswertungen einheitlich aufbereitet zur Verfügung stellen.

Würden Sie DATEV Meine Steuern Ihren Kollegen weiterempfehlen?

MARCUS SPANRUNFT: Weiterempfehlen auf alle Fälle! Digitale Prozessketten sind hier leichter durchzuleiten, das Arbeiten nach dem Vieraugenprinzip wird unterstützt und vielleicht das Wichtigste für uns: die Belegverknüpfungen. Aus unserer Erfahrung heraus holt man die Mandanten am besten im persönlichen Gespräch ab, zeigt ihnen die App und installiert sie gemeinsam, sodass sie zu Hause sofort loslegen können. Das ist das Entscheidende.

OLIVER KÖTH: Ganz klar: meinen Kollegen würde ich es empfehlen, wenn mich jemand fragt. Ich glaube, es ist sinnvoll, erst einmal alle Mandanten ohne SmartLogin zu registrieren, um dann die technische Plattform schon in der Kanzlei zu haben und im zweiten Schritt die Mandanten für die Plattform zu begeistern. So sind wir vorgegangen, und es war sicherlich der richtige Weg. Die Bedingungen für eine Umstellung sind gerade günstig, da wir momentan in einer Zeit leben, in der Vorbehalte gegen digitale Zusammenarbeit zunehmend schwinden.

Zum Autor

Dietmar Zeilinger

Redaktion DATEV magazin

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