EU-Recht - 28. Februar 2024

Neue EU-Regeln zum Schutz kritischer Stimmen vor Einschüchterung durch Justiz

EU-Parlament, Pressemitteilung vom 27.02.2024

  • EU-Schutz vor missbräuchlichen Klagen über Grenzen hinweg
  • Frühzeitige Abweisung unbegründeter Klagen und finanzieller Schutz der Beklagten
  • Schritte gegen Wahl des günstigsten Gerichtsstands und besserer Zugang zu Informationen für Opfer

Am 27.02.2024 bestätigte das EU-Parlament seine Entschlossenheit, Journalisten, Aktivisten und Wissenschaftler sowie ihre Organisationen vor Klagen zu schützen, die sie einschüchtern sollen.

Mit 546 zu 47 Stimmen bei 31 Enthaltungen gaben die Abgeordneten grünes Licht für ein neues Gesetz, das Einzelpersonen und Organisationen, die sich mit Themen von öffentlichem Interesse beschäftigen – etwa den Grundrechten, Korruptionsvorwürfen, dem Schutz der Demokratie oder dem Kampf gegen Desinformation – vor unbegründeten und missbräuchlichen Klagen schützen soll. Dieser Schutz soll für alle länderübergreifenden Fälle gelten, außer wenn der Beklagte und der Kläger aus demselben EU-Staat kommen wie das Gericht oder der Fall nur in einem Mitgliedstaat relevant ist. Parlament und Rat hatten am 30. November 2023 eine entsprechende Einigung erzielt.

Finanzielle Schutzmechanismen zur Abschreckung

Um sicherzustellen, dass Opfer besser geschützt werden, setzte das Parlament zwei Schutzmechanismen durch: die frühzeitige Abweisung unbegründeter Klagen und die Möglichkeit, vom Kläger zu verlangen, dass er die geschätzten Verfahrenskosten trägt – einschließlich der Kosten für die Rechtsvertretung des Beklagten – und Schadenersatz zahlt. Beantragt der Beklagte die vorzeitige Einstellung eines Verfahrens, dann muss der Kläger nachweisen, dass es gute Gründe für dessen Fortsetzung gibt. Das Gericht kann Klägern, bei denen es sich häufig um Politiker, Unternehmen oder Lobbygruppen handelt, auch andere Strafen auferlegen. Zum Beispiel kann es sie dazu verpflichten, eine Entschädigung für den entstandenen Schaden zu zahlen.

Rechtsbehelfe für Fälle außerhalb der EU und Zugang zu Informationen

Die neuen Regeln sollen auch verhindern, dass Kläger den Gerichtsstand wählen, der die besten Erfolgsaussichten bietet. Sie stellen sicher, dass Urteile, die in Drittstaaten auf der Grundlage unbegründeter oder missbräuchlicher Gerichtsverfahren gegen Einzelpersonen oder Einrichtungen aus der EU gefällt werden, nicht anerkannt werden.

Zudem sorgen die Regierungen der Mitgliedstaaten künftig dafür, dass mögliche Opfer von missbräuchlichen Klagen an einer einzigen zentralen Stelle sämtliche Informationen über Verfahrensgarantien und Rechtsbehelfe erhalten – darunter auch über Rechtsbeistand, Prozesskostenhilfe und psychologische Unterstützung. Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass in grenzüberschreitenden Zivilverfahren Prozesskostenhilfe gewährt wird. Außerdem müssen sie alle endgültigen Urteile zu strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung („SLAPP-Klagen“) veröffentlichen und ausführliche Daten darüber sammeln.

Zitat

Berichterstatter Tiemo Wölken (S&D, Deutschland) erklärte nach der Abstimmung im Plenum: „Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung sind eine Bedrohung für die Rechtsstaatlichkeit und untergraben die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung, Information und Vereinigung. Sie sind eine Form der juristischen Schikane und ein Missbrauch des Justizsystems und werden zunehmend von mächtigen Einzelpersonen und Organisationen genutzt, um sich der öffentlichen Kontrolle zu entziehen. Unsere Gerichte dürfen nicht auf diese Weise zum persönlichen Vorteil genutzt werden. Diese Richtlinie wird dazu beitragen, strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung zu bekämpfen. Sie wird verhindern, dass Menschen die Gerichte benutzen, um Journalisten und Aktivisten einzuschüchtern, sie davon abzuhalten, Informationen zu veröffentlichen, und eine Art Selbstzensur zu erzwingen.“

Nächste Schritte

Die Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben anschließend zwei Jahre Zeit, um sie in nationales Recht umzusetzen.

Quelle: EU-Parlament