BRAK, Mitteilung vom 01.11.2023 zum Urteil 3 O 219/20 des LG Bielefeld vom 25.09.2023
Stellt ein Anwalt bei einer vom Gericht angesetzten Videoverhandlung nicht sicher, dass er für das Gericht per Bild und Ton wahrnehmbar ist, kann zu Lasten der von ihm vertretenen Partei ein Versäumnisurteil ergehen. Das hat das LG Bielefeld in einem aktuellen Urteil entschieden. Die Frage ist auch Gegenstand des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zu Videoverhandlungen an Zivil- und Fachgerichten.
Die Zivilprozessordnung erlaubt zwar in § 128a ZPO, dass mündliche Verhandlungen unter bestimmten Voraussetzungen per Videokonferenz durchgeführt werden. Nicht geregelt ist bislang aber, wie es sich auswirkt, wenn während der Verhandlung technische Schwierigkeiten auftreten. Daher müssen dies die Gerichte im Einzelfall prüfen und entscheiden.
Das Landgericht Bielefeld hat jüngst in einem derartigen Fall ein Versäumnisurteil gegen den Kläger erlassen. Sein Anwalt war zwar per Videokonferenz der Verhandlung zugeschaltet. Von ihm wurde jedoch von Anfang an lediglich Ton, aber kein Bild in den Sitzungssaal übertragen. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Klägervertreter die Bild- und Tonübertragung schuldhaft nicht vor der Verhandlung sichergestellt bzw. überprüft hatte, obwohl er im Vorfeld explizit auf die notwendige technische Ausrüstung hingewiesen worden war. Damit habe er gegen seine berufsbedingte Sorgfaltspflicht verstoßen. Das Verschulden des Anwalts müsse sich der Kläger zurechnen lassen. Deshalb hat das Gericht den Kläger für verschuldet säumig gehalten und die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen.
In einem ähnlichen Fall, in dem eine Videoverbindung zur klagenden Partei ebenfalls nicht möglich war, hat hingegen das Oberlandesgericht Celle ein Versäumnisurteil nicht erlassen (Az. 24 W 3/22). Da sich die Gründe nicht aufklären ließen, weshalb keine Verbindung aufgebaut werden konnte, hielt das Gericht es hier für unbillig, die technischen Risiken auf die Partei abzuwälzen. Es vertagte deshalb die Verhandlung.
Im Rahmen des aktuellen Gesetzgebungsverfahrens für ein Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten werden unter anderem auch die Folgen von derartigen Verbindungsfehlern bei Videoverhandlungen thematisiert, wie sie den beiden Entscheidungen aus Bielefeld und Celle zugrunde lagen. Zu dem Gesetzentwurf fand am 18.10.2023 eine öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags statt. BRAK-Vizepräsidentin Sabine Fuhrmann wurde darin als Sachverständige angehört.
Quelle: BRAK, Nachrichten aus Berlin Ausgabe 22/2023