EU-Steuern - 20. September 2023

Steuervorbescheide (Tax Rulings): Die Gesellschaften multinationaler Konzerne in Belgien gewährten Steuervergünstigungen stellen eine rechtswidrige Beihilferegelung dar

EuG, Pressemitteilung vom 20.09.2023 zum Urteil T-131/16 vom 20.09.2023

Das Gericht bestätigt die Entscheidung der Europäischen Kommission, die 2016 angenommen hatte, dass die betreffende Steuerregelung gegen die Beihilfevorschriften der Europäischen Union verstoße.

Belgien wendet seit 2005 eine Steuerregelung an, nach der belgische Unternehmen, die multinationalen Konzernen angehören, wenn sie in Belgien Geschäftstätigkeiten konzentrieren, Arbeitsplätze schaffen oder Investitionen tätigen, von den belgischen Steuerbehörden einen Steuervorbescheid (Tax Ruling) erhalten können, nach dem sog. Gewinnüberschüsse, d. h. Gewinne, die die Gewinne übersteigen, die unter vergleichbaren Umständen von vergleichbaren eigenständigen Unternehmen erzielt worden wären, von der Körperschaftsteuer befreit sind.

Die Europäische Kommission stellte 2016 fest, dass dieses System der Steuerbefreiung eine rechtswidrige Beihilferegelung darstelle, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei, und ordnete an, die gewährten Beihilfen von 55 Empfängern zurückzufordern.1

Dagegen erhoben Belgien und mehrere Beihilfeempfänger beim Gericht der Europäischen Union Klage. Dieses erklärte den Beschluss der Kommission am 14. Februar 2019 für nichtig.2 Das Urteil des Gerichts wurde jedoch am 16. September 2021 auf ein Rechtsmittel hin vom Gerichtshof aufgehoben.3 Der Gerichtshof stellte fest, dass die Kommission zu Recht festgestellt habe, dass eine Beihilferegelung vorliege. Der Gerichtshof verwies die Sache zur Entscheidung über die Einstufung der Beihilferegelung als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV an das Gericht zurück.

Das Gericht hatte sich deshalb ein weiteres Mal mit dieser Rechtssache zu befassen. Mit seinem heutigen Urteil4 hat es entschieden, dass die Kommission 2016 zu Recht angenommen habe, dass die belgische Steuerregelung für Gewinnüberschüsse gegen die Beihilfevorschriften der Europäischen Union verstoße.

Das Gericht weist das Vorbringen Belgiens gegen den Beschluss der Kommission in vollem Umfang zurück, insbesondere auch, soweit es die Finanzierung der betreffenden Regelung aus staatlichen Mitteln und die behauptete Nichtberücksichtigung der in Belgien anwendbaren Steuerregeln betrifft.

Das Gericht stellt fest, dass die Kommission dargetan habe, dass den Empfängern mit der betreffenden Regelung eine Steuervergünstigung gewährt worden sei.

Das Gericht stellt weiter fest, dass die Kommission zu Recht angenommen habe, dass die Regelung insoweit selektiv sei, als mit ihr Wirtschaftsteilnehmer, die sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in einer vergleichbaren Situation befänden, unterschiedlich behandelt würden. Gesellschaften, die einem multinationalen Konzern angehörten und in den Genuss der Befreiung der Gewinnüberschüsse von der Steuer gekommen seien, seien anders behandelt worden als andere in Belgien körperschafsteuerpflichte Gesellschaften, die nicht in den Genuss einer solchen Steuerbefreiung gekommen seien.

Das Gericht bestätigt auch die Feststellung der Kommission, dass die Regelung insoweit selektiv sei, als sie weder Gesellschaften, die sich dafür entschieden hätten, in Belgien keine Investitionen zu tätigen, keine Geschäftstätigkeiten zu konzentrieren und keine Arbeitsplätze zu schaffen, noch Gesellschaften, die einem kleinen Konzern angehörten, offenstehe.

Fußnoten

1 Beschluss (EU) 2016/1699 vom 11. Januar 2016 über die Beihilferegelung Belgiens SA.37667 (2015/C) (ex 2015/NN) (ABl. 2016, L 260, S. 61).
2 Vgl. Pressemitteilung Nr. 14/19.
3 Vgl. Pressemitteilung Nr. 158/21.
4 Das Gericht hat heute auch die 29 Klagen abgewiesen, die von Soudal, Magnetrol International, Puratos u. a., Capsugel Belgium, Atlas Copco, Siemens Industry Software, BASF Antwerpen, der Ansell Healthcare Europe, VF Europe, Esko-Graphics, Trane, Kinepolis Group, Belgacom International Carrier Services, Punch Powertrain, Zoetis Belgium, Luciad, Anheuser-Busch Inbev und Ampar, Ineos Aromatics, Victaulic Europe, Eval Europe, SJM Coordination Center, Vasco Group und Astra Sweets, Flir Systems Trading Belgium, ZF CV Systems Europe, Henkel Belgium, Mayekawa Europe, Celio International, Dow Silicones und Vinventions gegen den Beschluss der Europäischen Kommission erhoben worden waren.

HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Präsidenten des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung beim Präsidenten des Gerichtshofs ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel eingelegt werden.

HINWEIS: Die Nichtigkeitsklage zielt auf die Nichtigerklärung einer unionsrechtswidrigen Handlung der Unionsorgane ab. Sie kann bei dem Gerichtshof bzw. dem Gericht unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder natürlichen oder juristischen Personen erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die unionsrechtswidrige Handlung für nichtig erklärt. Entsteht dadurch eine Regelungslücke, hat das betreffende Organ diese zu schließen.

Quelle: EuG