Organisation - 15. Oktober 2019

Zeitaufschreibung bringt Vorteile

Nicht jedes Honorar lässt sich aus einem Gegen­stands­wert ableiten und Pau­scha­len sind nicht immer kosten­deckend. Wer sicher sein will, dass ein Mandat sich wirt­schaft­lich rechnet, kommt auch an einer Zeit­auf­schrei­bung nicht vorbei. Doch bei manchen Mitarbeitern kann das die Angst vor Leis­tungs­kon­trolle schüren. Steuer­be­ra­ter Benjamin Wahler und zwei seiner Mitarbeiter erläutern, wie die Kanzlei Wahler mit Zeit­auf­schrei­bung umgeht und warum das nicht nur für Mitarbeiter gilt.

DATEV magazin: Herr Wahler, Sie haben in Ihrer Kanzlei die Zeitaufschreibung eingeführt. Aus welchem Anlass?

BENJAMIN WAHLER: Wir wollten wissen, welche Aufträge in der Kanzlei noch offen sind und wie wir das Gesamtvolumen an Aufträgen richtig einschätzen können. Die Zeitaufschreibung haben wir deshalb gleichzeitig mit DATEV Eigenorganisation comfort eingeführt. Dort im Programm gibt es das sogenannte Kontrollzentrum. Damit kann die Zeitaufschreibung für einen Auftrag gestartet und beendet werden. Das war der wesentliche Punkt.

Wir wollten eine Zeitaufzeichnung, die beginnt, wenn der DATEV Arbeitsplatz erscheint.

War die normale Zeiterfassung im Programm keine Alternative?

Wir brauchten pro Auftrag eine möglichst genaue Erfassung. Wir wollten eine Zeitaufzeichnung, die beginnt, wenn der DATEV Arbeitsplatz erscheint. Der Mitarbeiter sollte nicht mehr am Ende des Tags seine benötigte Zeit aus dem Gedächtnis heraus erfassen, vor allem, wenn ein Auftrag zum Beispiel durch Telefonate unterbrochen wurde. Mit dem Kontrollzentrum bekommen wir einen typischen Fall zeitlich in den Griff: Ein Mandant ruft an und sagt, dass er eine kurze Frage hat. Die Beantwortung der Frage dauert dann nicht fünf, sondern 30 Minuten und fließt dann fälschlicherweise in die Arbeitszeit für den Mandanten ein. Die Arbeit ist aber eigentlich wegen des Telefonats unterbrochen. Jetzt ist es so: Wird aktuell kein Auftrag bearbeitet, wird die Zeit auf Allgemeine Kanzleiverwaltung geschrieben. Damit haben wir eine hundertprozentige zeitliche Abdeckung.

Mitarbeiter könnten das Gefühl bekommen, kontrolliert zu werden. Wie haben Sie denn für die Zeitaufschreibung geworben?

Den Mitarbeitern haben wir gesagt, dass durch das Kontrollzentrum die Zeiten für einen Auftrag genau erfasst werden können. Und darum machen wir das künftig so.

Das klingt jetzt weniger nach Werbung und mehr danach, Mitarbeiter vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Natürlich haben wir von Anfang an klar und ausführlich kommuniziert, dass die Zeitaufschreibung nicht dazu dient, die Arbeit der Mitarbeiter zu kontrollieren – dieser Sorge waren wir uns bewusst. Es ist uns wichtig, eine Transparenz gegenüber dem Mandanten aufweisen zu können. Unseren Mitarbeitern haben wir daher verdeutlicht, dass jeder von ihnen wie ein Unternehmer denken muss. Das bedeutet, wer für einen Mandanten Zeiten aufbringt, muss diese so korrekt wie möglich dokumentieren und beschreiben, was getan wurde. Ob die Leistung letztlich abgerechnet wird, entscheidet die Kanzleileitung. Aber wir müssen dazu die Möglichkeit haben.

Herr Dörrmann, Herr Schmucker, wie stehen Sie als Mitarbeiter der minutengenauen Zeitaufschreibung gegenüber?

THOMAS DÖRRMANN: Ich empfinde sie als positiv. Zum einen kann man sich bei einem Auftrag zeitlich orientieren, beispielsweise im Vergleich zum Vorjahr oder Vormonat. Das hilft, wenn man dem Mandanten erklären muss, warum ein Auftrag dieses Jahr teurer oder günstiger ist. Und mein Chef kann den Grund auch nachvollziehen. Zum anderen habe ich einen Anhaltspunkt, wie lange ich voraussichtlich brauche, wenn ich einen neuen Auftrag zugeteilt bekomme. Zeitaufschreibung motiviert mich selbst: Manchmal denkt man, man hat den ganzen Tag nur telefoniert und nichts gemacht. Schaut man dann die Auflistung seiner Tätigkeiten an, sieht man, wie produktiv man war.

MARKUS SCHMUCKER: Ich sehe darin auch mehr eine Hilfe. Die Kommentarfunktion zum Beispiel. Bei der monatlichen Lohnabrechnung in der Gastronomie sind die Unterlagen zur Sofortmeldung nicht immer gut aufbereitet oder die Sozialversicherungsnummer ist fehlerhaft. Ruft man bei der Krankenkasse an, führt man unter Umständen mehrere Telefonate. Somit dauert eine Sofortmeldung durchaus mal 20 Minuten. Dann erhält man vom Mandanten vielleicht noch eine E-Mail, dass der Mitarbeiter eine Bescheinigung für eine Arbeitsagentur benötigt oder er schickt eine AU-Bescheinigung, die man digital ablegen muss. Bevor man mit der eigentlichen Lohnabrechnung anfängt, ist vielleicht schon eine Dreiviertelstunde aufgelaufen. Diese Leistungen und Zeiten kann ich jetzt nachvollziehen, ich weiß, wie lange die Lohnabrechnung tatsächlich gedauert hat.

Was sagen Ihre Mandanten zu der minutengenauen Aufschreibung und der darauf basierenden Berechnung?

BENJAMIN WAHLER: Der Mandant ist in aller Regel glücklich, weil er sieht, dass er nicht alle Stunden bezahlen muss, die er tatsächlich in Anspruch genommen hat.

Muss er nicht?

Nein, in der Praxis läuft das beispielsweise so: Es kommen insgesamt fünf Stunden zusammen. Dann rechnen wir drei Stunden ab. Ich möchte dem Mandanten zeigen, dass wir zwar fünf Stunden für ihn aufgewendet haben, wir aber nicht jedes einzelne Telefonat abrechnen. Das gliedere ich auf in Zeiten für Anrufe, seine Nachfragen und die eigentliche Arbeit. Deswegen lassen wir ihm ein paar Stunden nach.

Wie kann der Mandant das erkennen?

Die Transparenz für den Mandanten erhält er von uns in Form einer Leistungsübersicht. Darum haben wir den Mitarbeitern auch gesagt, dass es wichtig ist, die Kommentarfunktion der Leistungserfassung zu nutzen und dass die Kommentare für extern geeignet sein müssen. Nur so erhalten wir eine abrechnungsfähige Beschriftung.

Und für die Kanzleisteuerung eine gute Datenbasis.

Stimmt. Für die Kanzlei habe ich eine saubere Controlling-Möglichkeit geschaffen, die zeigt, ob sich ein Auftrag rechnet oder nicht. Dazu kommt, was ich auch den Mitarbeitern sage: Wir wollen nicht umsonst arbeiten. Ich muss sehen, ob sich die Arbeit rentiert und der Mandant bereit ist, dafür Geld auszugeben. Deshalb ist eine möglichst vollumfängliche und akkurate Zeiterfassung wesentlich.

Was würden Sie Ihren Berufskollegen mit auf dem Weg geben, wenn sie die Zeitaufschreibung einführen wollen?

Im Jahr der Einführung würde ich die Mitarbeiter Erfahrungen sammeln lassen. Gehaltsverhandlungen und Besprechungen mit der Zeiterfassung vor Ablauf einer gewissen Zeit zu koppeln, würde ich vermeiden. Man sollte sachte an das Thema heranführen und offen und plausibel kommunizieren, um die Angst der Mitarbeiter vor Leistungskontrolle nicht noch mehr zu schüren. Wichtig ist: Auch die Chefs müssen ihre Zeiten entsprechend erfassen. Wir als Kanzleileitung leben das unseren Mitarbeitern vor.

UNSERE GESPRÄCHSPARTNER

BENJAMIN WAHLER

Selbstständig als Steuerberater seit 2014, Gründung der Wahler & Partner PartG mbB 2014 in Senden nahe Ulm, zwei Partner, acht Mitarbeiter

 
 
 

THOMAS DÖRRMANN

Diplom-Informationswirt (FH), Kanzleimitarbeiter
 
 
 
 
 
 

MARKUS SCHMUCKER

Steuerfachwirt, Kanzleimitarbeiter
 
 
 
 
 
 

Fotos: nadia_bormotova; alikemalkarasu; SurfUpVector / Getty Images

MEHR DAZU

Weitere Informationen sowie Tipps zu den Themen des Kanzleimanagements, wie Honorar und Controlling, finden Sie unter www.datev.de/kanzleimanagement

Zum Autor

WS
Walter Schirmer

DATEV eG, Referent Vermarktung Kanzleimanagement

Weitere Artikel des Autors