Ab­fin­dungs­klauseln - 19. August 2019

Was hätten Sie denn gern?

Kain versus Abel? Tag und Drag? Oder doch lieber russisches Roulette oder einen texanischen Shoot-out? Mit speziellen Klauseln im Gesell­schafts­vertrag kann un­nötiger Streit in familien­­ge­­führten Betrieben verhindert werden.

Der Erfolg der deutschen Wirtschaft in den Nachkriegsjah­ren hat fantastische Unter­nehmen hervorgebracht. Hinter Konzernen von Weltformat verbergen sich private Eigentümer und Familienunternehmen. Durch die Weitergabe von Unternehmensvermögen in die nächsten Generationen wurden die ehemals von einem einzelnen Patriarchen oder Geschwisterpaaren aufgebauten und kontrollierten Unternehmen auf mehrere Erben, unterschiedliche Familienstämme und letztendlich auf zahlreiche unterschiedliche Interessen verteilt. Berichte, selbst in der Regenbogenpresse, über Familienunternehmen, die sich im wahrsten Sinne des Worts über die Kontrolle im Unternehmen die Augen auskratzen, nehmen zu. Aus dem angloamerikanischen Rechtsraum sind in den letzten Jahren gesellschaftsrechtliche Gestaltungsvarianten und Regelungsmechanismen zur automatisierten Konfliktlösung zu uns „herübergeschwappt“. Auch wenn es sich um ein gesellschaftsrechtliches Themengebiet handelt, das nicht ohne juristischen Rat betreten werden sollte, ist es Grund genug, dem steuerlichen Berater einen Überblick über (englische) Begriffe wie Texas-Shoot-out im Deadlock oder das russische Roulette zu geben.

Hintergrund

Die Wege sollten sich besser trennen, bevor im schlimmsten Fall ein Gesellschafterstreit das Unternehmen gänzlich lahmlegt.

Partnerschaften von Gesellschaftern sind wie Ehen oder Familien: Lebt man sich auseinander oder hatte man bis zur Erbschaft noch nie miteinander zu tun, bleibt Streit nicht aus. Die Wege sollten sich dann besser trennen, bevor das unternehmerische Erbe leidet oder im schlimmsten Fall ein Gesellschafterstreit das Unternehmen gänzlich lahmlegt. Aber wie können solche Situationen – ähnlich dem Gordischen Knoten – sinnvoll und fair, ohne öffentlichen Streit und am besten fast automatisch gelöst werden? Neben der Überarbeitung von Gesellschaftssatzungen – am besten in regelmäßigen zeitlichen Abständen – ist auch an aktuelle Gründungen (Stichwort: Start-ups) zu denken: Gerade das beliebte 50 : 50-Beteiligungsverhältnis kann sich später als besonders konfliktträchtig, geradezu als eine Sackgasse, erweisen. Bei Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern, etwa einem 75 : 25-Verhältnis, oder bei Paritäten von mehreren Gesellschaftern, beispielsweise einer Drittel- oder Viertelparität, können klassischerweise divergierende Interessenlagen bestehen.

Tag-along-Vereinbarungen

Die Verankerung von Mitverkaufsrechten und -pflichten in Gesellschaftsverträgen oder Gesellschaftervereinbarungen erfreut sich mittlerweile auch hierzulande immer größerer Beliebtheit. Divergierende Interessenlagen bei Unternehmenstransaktionen sollen durch sie vermieden werden. Eine Tag-along-Klausel berücksichtigt das Interesse des Minderheitsgesellschafters, nicht durch die Dominanz des Mehrheitsgesellschafters übervorteilt zu werden oder nach dessen Ausscheiden in einer illiquiden Position zurückzubleiben. Die Klausel berechtigt in der Regel den Minderheitsgesellschafter zum Verkauf seiner Geschäftsanteile an einen erwerbswilligen Dritten zu den gleichen Konditionen, denen der verpflichtete Mehrheitsgesellschafter unterliegt.

Drag-along-Vereinbarungen

Aber auch die Situation, dass Minderheitsaktionäre einen Verkaufsplan des Mehrheitsgesellschafters blockieren, wenn sich der veräußerungswillige Mehrheitsgesellschafter dem Wunsch des Erwerbers zur Übernahme von 100 Prozent der Geschäftsanteile – also auch der vom Minderheitsgesellschafter gehaltenen – gegenübersieht, kann gelöst werden. Weigert sich der Minderheitsgesellschafter in einer solchen Konstellation, seine Beteiligung (mit) zu veräußern, könnte im Zweifel die gesamte Transaktion scheitern. Die Drag-along-Klausel hilft, dieses Konfliktrisiko zu beseitigen. Der Minderheitsgesellschafter wird verpflichtet, seine Beteiligung an den Dritten (mit) zu veräußern beziehungsweise bei der Transaktion mitzuziehen. Durch Festlegung gleicher Konditionen für Minderheits- und Mehrheitsgesellschafter wird sichergestellt, dass im Verkaufsfall der Minderheitsgesellschafter von einem angemessenen Kaufpreis für die Geschäftsanteile ausgehen kann und diese nicht unter Wert veräußert werden.

Russisches Roulette

Bei 50 : 50-Beteiligungsverhältnissen besteht insbesondere die Gefahr, dass Meinungsdifferenzen der Gesellschafter oder handfeste Streitigkeiten in Pattsituationen bis hin zu einem völligen Entscheidungsstillstand führen. Das Unternehmen leidet. Die Konkurrenz bringt sich in Position. Eine Sackgasse droht oder Englisch – ein Deadlock, verbunden regelmäßig mit einem Streit über die Bewertung der Geschäftsanteile durch unterschiedliche Wertvorstellungen der Parteien. Die Implementierung eines russischen Roulettes kann solche Konstellationen auflösen und durch die zwangsweise Übertragung von Geschäftsanteilen lange Hängepartien vermeiden. Die Ausstiegs- beziehungs­weise Trennungsklauseln stammen ursprünglich aus der angloamerikanischen Vertragspraxis. Im Grundmodell einer Russisch-Roulette-Klausel bietet der initiierende Gesellschafter dem anderen Gesellschafter seine Geschäftsanteile zu einem bestimmten Preis zum Kauf an. Die Klausel kann so gestaltet werden, dass der andere Gesellschafter dann wiederum wählen kann, ob er das Angebot in einer bestimmten Frist annehmen will oder ob er wiederum seinerseits dem initiierenden Gesellschafter seine Geschäftsanteile zu dem in dem ursprünglichen Angebot genannten Kaufpreis verkaufen möchte.
Ein Vorteil dieser Klausel, die in der Praxis in einer Reihe unterschiedlicher Spielarten auftritt, liegt insbesondere in der Schnelligkeit des Ausstiegsverfahrens und der Ermittlung eines fairen Verkaufspreises. Eine spieltheoretische Überlegung, die auf jeden Fall vor Initiierung, gegebenenfalls mit externer Hilfe einer unabhängigen Unternehmensbewertung, durchdacht, bewertet und auf Finanzierbarkeit geprüft sein sollte.

Texas-Shoot-out

Beim Texas-Shoot-out übermitteln beide Gesellschafter ein verdecktes Kaufangebot für die Geschäftsanteile des jeweils anderen, beispielsweise an einen Notar. Das höhere Angebot setzt sich durch. Der eine Schuss muss sitzen, ähnlich dem Schießduell der Cowboys im texanischen Wilden Westen. Vertrauen in das neutrale Verfahren, die eigene Einschätzung des fairen Werts der eigenen Anteile sowie die ausgestaltbare Effektivität sind klare Vorteile des Shoot-outs.

Alternativen

Alternativ kann auch ein Bieterprozess in Gang gesetzt werden, bei dem jeder Gesellschafter anstelle der Annahme des Angebots eine Gegenofferte zu einem höheren Preis abgeben kann, mit dem Ziel, dass derjenige im Unternehmen verbleibt, dem es am meisten wert ist. Auch die Überprüfung des Unternehmenswerts durch einen neutralen Wirtschaftsprüfer, auf dessen Akzeptanz sich strittige Parteien verständigt haben, ist eine in der Praxis verbreitete Lösung.

Praxishinweis

Die Missbrauchsgefahr von Shoot-out-Verfahren gegenüber einem finanzschwachen Mitgesellschafter mit der Gefahr der Unwirksamkeit entsprechender vertraglicher Regelungen lässt sich durch die Aufnahme vertraglicher Sicherungselemente abschwächen.

Zusammenfassung

Vereinbarungen wie Tag-along, Drag-along sowie Shoot-out-Klauseln schaffen bei potenziellen Konflikten ein effektives Lösungsszenario. Bei der Übergabe von Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen in neue Beteiligungsverhältnisse sollte die Gelegenheit zur Überarbeitung des Gesellschaftsvertrags genutzt werden. Bei Neugründungen sollte direkt im Gesellschaftsvertrag die Vorsorge für den Fall der Trennung getroffen werden. Das mit Shoot-out-Klauseln verbundene Drohpotenzial kann disziplinierend wirken und eine gütliche Einigung zerstrittener Gesellschafter befördern. Die Aufnahme solcher Regelungen in bestehende Gesellschaftsverträge in ruhigen Zeiten ist ein effektives Instrument für Erbfälle und um an zukünftige Generationen im Voraus zu denken. Durch die etablierten Mechanismen kann dann, im Falle des Scheiterns einer Zusammenarbeit von Erben, die gesellschaftsrechtliche Verbindung schnell und reibungslos beendet und das Unternehmen als Ganzes erhalten werden.

Fotos: van101 / Getty Images

Zum Autor

Christian Gerber

Diplom-Ökonom, Wirtschaftsprüfer und Chartered Financial Analyst (CFA), ist Partner der Atroni GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die mit Standorten in Düsseldorf und Duisburg auf die Begleitung von M&A-Transaktionen und Durchführung von Unternehmensbewertungen spezialisiert ist. Er betreut insbesondere mittelständische Mandanten, (Finanz-)Investoren und deren Beteiligungsunternehmen bei Unternehmensbewertungen, der Vorbereitung und Durchführung von Transaktionen (M&A) und Bilanzierungsfragen bundesweit.

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