Mandate überprüfen - 19. August 2019

Loslassen können ist wichtig

Aufgrund neuer Vor­ga­ben muss der steuer­liche Berater zu Ver­än­de­run­gen bereit sein, die das Ver­hält­nis zu ge­wissen Man­dan­ten betreffen. Raum für Emo­tio­nen ist hier nicht an­ge­bracht.

Im Grunde sind es immer die Bedürfnisse der Menschen, die für den nötigen Antrieb sorgen, uns zu regen. Vom Wissen, warum wir Menschen uns so verhalten, wie wir es tun, hängt zunehmend die Fähigkeit zum Überleben ganzer Branchen ab. Diese Erkenntnis gilt nicht nur im Rahmen der Begleitung unserer Mandanten, sondern natürlich auch für die zukünftige Ausrichtung der eigenen Kanzlei. Es ist an der Zeit, dass Entscheider sich dies ganz bewusst machen. Voraussetzung ist aber zunächst der Wille und die Bereitschaft, Ver­än­de­rungs­pro­zesse anzugehen.

ABC-Analyse

Jeder von uns steuerlichen Beratern hat bei der Durch­sicht seiner Mandanten zuweilen Wahr­neh­mun­gen, die da lauten: Warum arbeiten wir eigentlich noch für diese Mandanten? Die Antwort: Weil wir, wenn überhaupt, nur ganz selten die Frage zulassen, ob wir uns einseitig von einem Mandanten trennen sollten. Die klassische ABC-Analyse wurde und wird in jedem BWL-Studium zwar als wichtiges Element zur Unternehmensführung erläutert. Und in der Theorie ist es auch absolut logisch, sich dem zu widmen, was Umsatz und Ertrag bringt. Die Praxis aber lehrt uns, dass ein Aussortieren be­zie­hungs­weise eine konkrete Selektion von C-Mandaten aus den unter­schied­lichs­ten Gründen selten, zu spät, oder gar nicht erfolgt.

Emotionen sind schädlich

Ein wichtiger Grund hierfür sind die Emotionen, die der Steuerberater mit seinem Mandat verbindet. Man kann dabei Argumente wie folgendes hören: „Diese Mandanten betreue ich schon seit so vielen Jahren, ich kannte bereits dessen Eltern, dieser Mandant befindet sich in wirt­schaft­lichen Schwierigkeiten und dem darf in der Stunde der Not doch nicht die Gefolgschaft entzogen werden.“ Auch gerne gehört: „Der Mandant wüsste doch gar nicht wohin.“ Oder: „Wie kann ich meine Mitarbeiter auslasten, wenn ich Mandanten abgebe, was würde über unsere Kanzlei gesprochen werden, wenn wir in größerem Stile Mandanten freigeben?“ Subjektive Argumente, die einer betriebswirtschaftlichen Überprüfung im Ergebnis nicht standzuhalten vermögen.
Denn schon die Auslastung der Mitarbeiter kann durch die Aufnahme neuer Mandanten oder eine intensivere Betreuung von A-Mandanten kom­pen­siert werden. Daneben gäbe es noch die in jedem Betrieb vorhandene natürliche Fluktuation. Und auch bei den Mit­ar­bei­tern gibt es regel­mäßig A-, B- und C-Klassifizierungen.

D-Mandate

Der Steuerberater hat für krisengefährdete Mandanten nun ganz spezielle zeitliche und organisatorische Vorkehrungen zu treffen.

In Zeiten des wirtschaftlichen Pros­pe­rie­rens sind die C-Mandanten verkraftbar. Die Mandanten aus den Bereichen A und B vermögen die Schwäche des Bereichs C in Summe zu kompensieren. Wehe aber, wenn die Balance verloren geht und die Bereiche B und C ein Übergewicht bekommen. Neben der ABC-Analyse sollte der steuerliche Berater für sich noch die Gruppe D ergänzen. In dieser Gruppe befinden sich Mandanten, die unter den Regelungsbereich einer Veröffentlichung der Bundes­steuer­be­rater­kammer (BStBK) vom Mai 2018 fallen. Diese Ver­laut­ba­rung ist Folge eines Urteils des Bundes­ge­richts­hofs (BGH-Urteil vom 26.01.2017, IX ZR 285/14 – siehe auch Kasten am Ende des Beitrags). Unter teilweiser Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BGH neue Vorgaben zur Beratung krisen­ge­fähr­de­ter Unternehmen gemacht, die zu einer Verschärfung der Steuer­be­ra­ter­haftung führen. Danach hat der Steuerberater für krisengefährdete Mandanten nun ganz spezielle zeitliche und or­ga­ni­sa­to­rische Vor­keh­run­gen zu treffen. Gelingen diese Vor­keh­run­gen nicht, besteht die Gefahr der persönlichen Haftung. Hier mag man sich bewusst machen, mit welchem Schicksal das eigene be­zie­hungs­weise das der Kanzlei verknüpft sein soll. Denn wenn ein Mandat dem Bereich D angehört und der Steuer­be­rater nicht in der Lage ist, der besonderen Situation, in der sich das Unternehmen des Mandanten befindet, gerecht zu werden, reicht für den steuer­lichen Berater die bloße Man­dats­zu­stän­dig­keit bereits aus, für ihn eine eigene Gefährdung zu begründen. Man muss es, so drastisch ist die Regelungslage, mit der Gefahr vergleichen, die von einer ansteckenden Krankheit ausgeht. Allein die Berührung mit diesem Mandat reicht aus, um als Berater ganz eigenen Haftungsnormen ausgesetzt zu sein. Wohl dem, der sich der Fähigkeiten seiner Kanzlei und der An­for­de­run­gen an diese Mandats­gruppe bewusst ist.

Mandatsauslese

Überlegenswert ist daher eine perspektivische Mandantenauslese für den Jahres­ab­schluss­stich­tag 31. Dezember 2019. Eine Aufhebung des Mandats­ver­hält­nisses Monate vor diesem Stichtag ist aber wesentlich unproblematischer. Denn es könnte der Einwand wegen einer Kündigung zur Unzeit kommen. Natürlich könnte es für den Mandanten pro­ble­ma­tisch sein, einen neuen Steuerberater zu finden. Denn dieser wird sich das neue Mandat wo­mög­lich in einer eigenen Analyse ansehen. Sollte der neue Berater ebenfalls zur Einstufung D gelangen, könnte es schwerer werden, sich geräuscharm zu trennen. Deswegen mit der notwendigen Auslese abzuwarten, ist strategisch aber keines­falls sinnvoll.

Reflexionen aushalten

Auch sollten Sie sich nicht von dem Gedanken irritieren lassen, dass bei einer größeren Anzahl von Mandatsbeendigungen die Kostenbalance der Kanzlei aus dem Lot kommt beziehungsweise Sie sowohl von Banken als auch anderen Mandanten befremdlich angesehen werden. Ja, es wird sicherlich außerhalb der Kanzlei darüber gesprochen werden. Denn eine solche, womöglich unerwartete Trennung löst natürlich Diskussionen aus. Diese Reflexionen muss man aber aushalten, und das können Sie auch, da Ihnen eine Vor­be­rei­tungs­zeit eingeräumt ist, die Trennung im Sinne der eigenen Kanzlei zu vollziehen. Die Alternative dazu ist, im Mandat zu bleiben, wobei ein Weiter-so definitiv die gefährlichere Wahl ist.

Im Fokus der Insolvenzverwalter

Dass die Zunft der Insolvenzverwalter vorbereitet ist, lässt sich klar ausmachen. Bereits im November 2017 wurde im Rahmen des Deutschen In­sol­venz­ver­wal­ter­kon­gres­ses in Berlin hierzu referiert. Der Titel lautete: Der Steuerberater in der Krise – Haftung und Schaden. Referent war seinerzeit Dr. Magnus Wagner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für In­sol­venz­recht. Wer sich tiefer informieren will, möge in einer der gän­gi­gen Suchmaschinen sowohl den Namen des Re­fe­ren­ten als auch den Titel seines Referats eingeben. Im Anschluss daran ist der seinerzeitige Vortrag im PDF-Format einsehbar. Dort wird, und darauf kommt es an, in detaillierter Form dargelegt, welche Rechts­nor­men einschlägig sind, um den Anspruch aufgrund einer fehlerhaften Erstellung des Jahresabschlusses geltend zu machen. Die Rechts­ab­tei­lungen der Insolvenzverwalter sind insoweit bereits auf dem neuesten Stand, sie sitzen praktisch in den Start­löchern, um gegebenenfalls gegen uns Steuer­be­rater vor­zu­gehen.

Haftungshöhe

Falls der Jahresabschluss falsch oder verspätet aufgestellt wurde, droht dem betroffenen Berater also die Haftung. Zunächst einmal ist wegen Schlecht­leis­tung das Honorar betroffen, das zurück­zu­er­statten ist. Damit allein ist es aber nicht getan. Der Umfang, den die tatsächliche Haftung des Steuerberaters aufgrund des sogenannten In­sol­venz­ver­tie­fungs­schadens be­zie­hungs­weise Quoten­scha­dens hat, ist ein Vielfaches davon. Diese Schäden bestehen in einer Vertiefung der Über­schul­dung be­zie­hungs­weise Erhöhung der durch den verspäteten In­sol­venz­an­trag bewirkten zusätzlichen Schäden, beispielsweise durch fort­ge­setzte Zah­lun­gen der Ge­schäfts­leitung. Dass diese Summen beträchtlich sein können, sollte jedem klar sein. Grob ließe sich das Ausmaß der Haftung wie folgt umreißen:

  • Haftung für Insolvenzvertiefungsschaden
  • Haftung für den anteiligen Schaden aus Insolvenzverschleppung
  • Haftung (zivilrechtlich) wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung sowie strafbarer Beihilfe zur Insolvenzverschleppung

Fazit

Die Veränderung der haftungsrechtlichen Rahmen­be­din­gun­gen bei krisenbehafteten Man­dats­ver­hält­nissen muss nachhaltige Auswirkungen auf die Kanzlei-Mandanten-Beziehung haben. Darüber sollten wir uns bewusst werden. Daher dürfen wir uns nicht aufgrund per­sön­licher Verbindungen mit den Mandanten davon abhalten lassen, für uns selbst objektiv zu urteilen. Sofern die eigene ABCD-Analyse ergeben sollte, dass man D-Mandanten hat, müssen diese exakt nach den Vorgaben der Verlautbarung der BStBK sowie der Rechtsprechung bearbeitet werden. Entweder gelingt es, dass diese Mandanten durch Sanierungsmaßnahmen zu ABC-Mandanten werden, oder sie sollten sich aus unserer Man­dant­schaft verabschieden.

Leitsätze des BGH (Auszüge):

  1. Besteht für eine Kapitalgesellschaft ein Insolvenzgrund, scheidet eine Bi­lan­zie­rung nach Fortführungswerten aus, wenn innerhalb des Prognosezeitraums damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, im Er­öff­nungs­ver­fahren oder alsbald nach In­sol­venz­er­öff­nung stillgelegt werden wird.
  2. Der mit der Erstellung eines Jahres­ab­schlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater ist verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Ge­ge­ben­heiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit ent­ge­gen­stehen können. Hingegen ist er nicht verpflichtet, von sich aus eine Fort­füh­rungs­prog­nose zu erstellen und die hierfür erheblichen Tatsachen zu ermitteln.
  3. Eine Haftung des Steuerberaters setzt voraus, dass der Jahresabschluss an­ge­sichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft objektiv zu Unrecht von Fort­füh­rungs­werten ausgeht.
  4. Der mit der Erstellung eines Jahres­ab­schlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater hat die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offen­kun­dig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Man­dan­tin nicht bewusst ist.

Fotos: anand purohit; SlothAstronaut / Getty Images

Zum Autor

Markus Wohlleber

Steuerberater, Dipl.-Betriebs­wirt (FH), Bank­kauf­mann, Fach­be­rater für San­ie­rung und In­sol­venz­ver­wal­tung (DStV) in der Steuer­be­ra­tungs­kanzlei Wohl­leber in Nürn­berg, Haß­furt und Frankfurt/M.

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