Fachkräftemangel - 20. November 2018

Gekommen, um zu bleiben

Gut ausgebildete Fach­kräfte sind in Kanzleien Gold wert. Wir haben mit drei Kanz­leien darüber ge­sprochen, wie sie kom­pe­tente Mit­ar­beiter an die Kanzlei binden und was Kammern und Ver­bände tun können, um junge Menschen für die Steuer­be­rater­branche zu in­te­res­sie­ren.

DATEV magazin: Inwieweit ist Ihre Kanzlei vom Fachkräftemangel betroffen?

MECHTILD M. MAURER: Wenn wir Stellen neu besetzen, müssen wir uns inzwischen ordentlich etwas einfallen lassen, um Reaktionen auf Stellenanzeigen zu bekommen. Dadurch, dass meine Kanzlei auf dem Land ist, falle ich bei vielen aus dem Raster. Das liegt an der fehlenden Mobilität der jüngeren Generation oder weil München viele potenzielle Bewerber absaugt.

MARCO WEHMEIER: Offene Stellen, die bei uns durch Renteneintritt oder Elternzeit entstehen, sind nur schwer nachzubesetzen. Wir erweitern unser Beratungsspektrum über das typische Kerngeschäft hinaus. Für Be­ra­tungen in den Unter­neh­mens­abläufen, also der Prozessberatung, im digitalen Wandel hält der Arbeitsmarkt keine entsprechend ausgebildeten Mitarbeiter bereit.

GUDRUN MILDNER: Wir benötigen zum einen Steuerfachangestellte, die gegenüber unseren Mandanten mit einer selbstsicheren und kompetenten Haltung auftreten. Zum anderen sind wir aber gleichermaßen auf Mitarbeiter angewiesen, die beratungs- und digitalaffin sind und gleichzeitig den Steuerberatungshintergrund haben. Leider wählen Digitalaffine tendenziell eher andere Berufsbilder.

Welche Strategien haben Sie, dem Fach­kräfte­mangel zu begegnen?

MECHTILD M. MAURER: Mir ist es wichtig, meine Mitarbeiter zu befähigen und soweit zu interessieren, dass sie sich eigenständig weiterentwickeln. Dafür muss ich sie aber von Routinearbeiten entlasten, sodass sie sich fachlich spezialisieren. Soweit es die Prozesse und Schnittstellen zulassen, wird ausgelagert. Wir achten auch darauf, wie wir nach außen wirken. Deshalb bieten wir sehr viele Praktika an, sodass junge Menschen bei uns reinschnuppern können und vielleicht einen guten Beruf für sich entdecken.

MARCO WEHMEIER: Uns ist bewusst, dass unsere Mitarbeiter und wir einen Großteil unserer Lebenszeit gemeinsam verbringen. Für beide Seiten muss diese so angenehm wie möglich gestaltet sein. Nur so sind wir den Leistungsanforderungen gewachsen und haben die notwendige Gelassenheit zur Schaffung von innovativen und zukunftssicheren Arbeitsplätzen für Fachkräfte.

GUDRUN MILDNER: Fachlich entwickeln wir unsere Mitarbeiter mit Fortbildungen kontinuierlich weiter. Auf der persönlichen Ebene funktionieren wir nicht nur über Hierarchien, sondern über ein Spe­zia­lis­ten­tum, das wir pflegen. Wenn Kollegen sich sehr für ein Thema interessieren, motivieren wir sie dazu, sich fortzubilden. Am Ende sind sie dann Be­ra­tungs­spe­zia­listen. Daneben gibt es bei uns viele Angebote, um Familie und Arbeit unter einen Hut zu bekommen, wie Gleitzeit, Homeoffice oder diverse Arbeits­zeit­modelle. Dafür sind die Kollegen entsprechend mit digitalen Medien ausgestattet.

Was tun Sie, um Lücken zu füllen?

MECHTILD M. MAURER: Wir überlegen, ob wir Prozesse anpassen können. Anschließend schichten wir Aufgaben um und sortieren uns neu. Dabei sehen wir uns genau an, wer welche Aufgaben am besten übernehmen und wo das Sekretariat während dieser Phasen unterstützen kann. Zudem prüfen wir mit einer ABC-Analyse, welche Mandanten wir dann weiterbetreuen können und welche nicht.

MARCO WEHMEIER: Um Personal effizient einzusetzen, entwickeln wir den Man­dan­ten­stamm sowie die Dienstleistungen parallel weiter und versuchen, unsere Mitarbeiter im Gleichklang dieser Veränderungen einzusetzen beziehungsweise die sich ergebenden Anforderungen durch Mit­ar­bei­ter­ent­wick­lung oder Einstellungen zu erfüllen. Sofern unvorhersehbare Lücken entstehen, versuchen wir, umzuverteilen oder mit digitaler Technik die Arbeitsabläufe zu verbessern. Unsere Kanzleileitung verfolgt das Ziel, eine nachhaltige und erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Mandanten zu entwickeln und zu festigen. Das kann dazu führen, dass wir anhand der ständigen ABC-Analyse die Entscheidung treffen, uns von Mandanten zu trennen, die nicht mit unserer Strategie vereinbar sind.

GUDRUN MILDNER: In den letzten Jahren hatten wir eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die in Elternzeit gegangen sind. Zum einen verteilen wir die Aufgaben, die zu erledigen sind, im Kollegium oder Kollegen in Teilzeit erhöhen eine Zeitlang ihre Stunden. Wir helfen uns bei Engpässen mit den anderen Standorten im Verbund gegenseitig per Cloud aus.

Sind Sie selbst ein attraktiver Arbeitgeber?

MECHTILD M. MAURER: Grundsätzlich versuche ich, auf die Belange der Mitarbeiter Rücksicht zu nehmen: Bei uns werden keine Überstunden gemacht. Die Zeiteinteilung ist komplett individuell und gut kombinierbar mit dem Privatleben. Kollegen, die im Homeoffice arbeiten möchten, können das jederzeit tun, ohne einen bestimmten Tag dafür festzulegen.

MARCO WEHMEIER: Wir tun viel dafür, unsere Kanzlei zu einem modernen und zukunftsorientierten Dienstleister und Arbeitgeber zu entwickeln. Unsere Mitarbeiter schätzen ihre Eigenverantwortung den Mandanten gegenüber und für ihr Zeitmanagement, aber auch für die persönliche Weiterentwicklung.

GUDRUN MILDNER: Wir sehen uns als digitale und zukunftsfähige Kanzlei. Dafür sind wir aktuell auf einem guten Weg, weil wir seit Anfang an beim Thema Digitalisierung dabei sind. Und wir besetzen bereits seit über 20 Jahren das Feld der betriebs­wirt­schaft­lichen Beratung, inzwischen mit einer eigenen Abteilung. Wir setzen insgesamt auf eine gemischte Altersstruktur zwischen 20 und über 60 Jahren und können somit sicher sein, in zehn Jahren keinen Einbruch befürchten zu müssen. Wir sind Early Adopter in vielen Geschäftsfeldern. Deshalb ist unser Motto auch: The Future is the Way. Das ist manchmal mühsam, aber diesem Pfad folgen wir.

Ist die Digitalisierung für die Mit­ar­beiter­ge­winnung Chance oder Bedrohung?

MECHTILD M. MAURER: Digitalisierung ist eine ganz große Chance. Mitarbeiter, die sich gerne mit Steuerthemen beschäftigen, können von zeit­fres­sen­den digitalisierbaren Aufgaben entlastet werden. Dazu gehört auch die schnelle Verfügbarkeit von Antworten auf fachliche Fragen. Damit bleibt Raum für den Umgang und das Gespräch mit Mandanten.

MARCO WEHMEIER: Wir sehen den digitalen Wandel als große Chance, intensiv mit unseren Mandanten und Netzwerkpartnern zusammenzuarbeiten. Es wird uns dadurch ermöglicht, unsere Dienstleistungen weiter auszubauen und die Effizienz in unserer täglichen Arbeit zu steigern. Die Entwicklung verlangt Veränderungen in den täglichen Abläufen und für die technische Ausstattung der Kanzlei. Eine wichtige und sehr große Herausforderung ist die Akzeptanz und Identifikation mit dem Wandel durch Mitarbeiter. Mitarbeiter, die sich im Veränderungsprozess schnell zurechtfinden, unterstützen und motivieren wir, weiter nach vorne zu gehen. Das gesamte Team führen wir gezielt an die neuen Aufgaben heran und investieren in die Fortbildung unserer Mitarbeiter, damit sie sich optimal in der sich ändernden Arbeitswelt zurechtfinden.

GUDRUN MILDNER: Beides. Man braucht auf Dauer, wenn die Automatisierung umgesetzt wird, weniger Personal. Allerdings ist es schwierig zu sagen, welche Mitarbeiter man konkret sucht, schließlich gibt es ja keine digitale Ausbildung.

Das digitale Mandat und die digitale Betreuung muss in der Zukunft zwingend ein Ausbildungsfach werden.

Was können Kammern, Verbände und weitere Institutionen tun, um dem Fachkräftemangel zu begegnen?

MECHTILD M. MAURER: Der Aus­bil­dungs­plan der Steuer­fach­an­ge­stellten muss auf die aktuellen Anforderungen des Berufs angepasst werden. Derzeit ist beispielsweise die Vermögensteuer noch Teil davon – die ist aber seit 20 Jahren abgeschafft. Kammern und Verbände bemühen sich bereits, aber vielleicht sind es die Steuerberater selbst, die den Beruf wieder attraktiver machen können: Die Generation Y hat eine andere Haltung zur Work-Life-Balance, will sich selbst verwirklichen. Als Kanzlei kann man dazu viele attraktive Leistungen anbieten.

MARCO WEHMEIER: Die Ausbildungsinhalte sollten nach unserer Ansicht viel mehr auf den digitalen Wandel ausgerichtet sein. Wir haben den Eindruck, dass unsere Branche Innovationen kritisch bis ablehnend gegenübersteht. Auch die Aus­bil­dungs­inhalte sind eher tradiert und müssen überholt werden. Es ist zwingend notwendig, den Aus­zu­bil­den­den eine fundierte steuerliche Basis zu geben, sie aber auch auf das digitale Prozess­be­ra­tungs­geschäft beim Mandanten vorzubereiten. Das digitale Mandat und die digitale Betreuung müssen in der Zukunft zwingend ein Ausbildungsfach werden. Darüber hinaus sollte die Ausbildung auch einen Fokus auf die Mandantenkommunikation legen. Der intensive Austausch mit unseren Mandanten wird immer wichtiger. Unsere Mitarbeiter sind hier sehr eng eingebunden. Wir sind der Auffassung, dass unser Team fachlich sehr gut ausgebildet ist. Neben den fachlichen Expertisen sind auch Soft Skills entscheidend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Die Ausbildung dieser persönlichen Eigenschaften der Mitarbeiter übernehmen zurzeit wir als Arbeitgeber. Wir denken, dass auch die Ausbildungsträger aus Kammern und Verbänden sowie die Berufsschule einen Beitrag leisten sollten.

GUDRUN MILDNER: Zum Beispiel die Ausbildung rund um IT und Digitalisierung erweitern. Aber auch Image­kam­pagnen wie die der Verbände „Beratung 2025“ können helfen.

Die beste Alternative zum Recruiting ist Mitarbeiterbindung. Was bieten Sie Ihren Mitarbeitern?

MECHTILD M. MAURER: Schon in der Elternzeit können die Mitarbeiter für fünf Stunden pro Woche kommen, sodass sie arbeitstechnisch am Ball bleiben, den Kontakt zu den Kollegen halten und auch an Fortbildungen teilnehmen. Das ist für uns ein recht kostspieliges Angebot, einen ganzen Arbeitsplatz dafür freizuhalten. Aber es lohnt sich und wird auch gut angenommen.

MARCO WEHMEIER: Wir wollen unseren Mitarbeitern viele Annehmlichkeiten bieten und besprechen in regelmäßig stattfindenden Personalgesprächen Wünsche und Möglichkeiten. Flexibilität, Lohn­op­ti­mie­rung und Incentives gehören mittlerweile zu den Standards einer modernen zukunftsorientierten Kanzlei. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir das erreichen können, wenn wir unsere Mitarbeiter aktiv an den Geschehnissen und Plänen der Kanzleileitung teilhaben lassen. Kommunikation hilft an vielen Stellen und schafft Zufriedenheit. Darum denken wir, dass Fairness und menschlicher Umgang das höchste Gut sind und die stärkste Form der Mitarbeiterbindung.

GUDRUN MILDNER: Wir setzen auf individuelle Unterstützung des Einzelnen. Das kann beispielsweise die Finanzierung eines Kita-Platzes sein oder auch mal ein Dienstfahrrad. Für uns zählt Verlässlichkeit, Beständigkeit sowie Tradition im besten Sinne. Bei privaten Problemen ist es für jeden von uns eine Selbstverständlichkeit, dass die Kollegen zu­sam­men­halten und man für die Zukunft sicher aufgestellt ist.

UNSERE GESPRÄCHSPARTNER

 
 
 
 
MECHTILD MICHAELA MAURER
Steuerberaterin und Alleininhaberin in der Kanzlei Mechtild Michaela Maurer, neun Mitarbeiter
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
MARCO WEHMEIER
Rechtsanwalt und Steuerberater, Partner in der Kanzlei – Meschede & Wehmeier PartGmbB, 15 Mitarbeiter
 
 
 
 

 
 
 
 
GUDRUN MILDNER
Leiterin Consulting in der Kanzlei Heilmann, Conrad & Partner Partnerschaft mbB Wirtschaftsberatung, Steuerberatung, 39 Mitarbeiter

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Zur Autorin

Astrid Schmitt

Redaktion DATEV magazin

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