Standortwahl - 13. Februar 2018

Stadt, Land, Fluss

Die Digi­ta­li­sie­rung er­mög­licht es, immer kom­plexere Arbeiten über das Internet ab­zu­wickeln. Für ­steuer­liche Berater heißt das, eine erfolg­reiche Steuer­be­ratung ist zu­neh­mend orts­un­ab­hängig. Damit stellt sich die Frage: Ist der Kanzlei­standort für den Erfolg noch relevant?

Das Internet ist heute etwa 10.500 Tage alt und hat ungefähr 3,2 Milliarden Nutzer. Es verbindet Menschen über weite Entfernungen und vereinfacht den Zugang zu Informationen, Wissen und Beratung. So ermöglicht es den Konsum von Dienstleistungen aller Art, ohne auch nur einen Meter vor die Haustür gehen zu müssen. Musste man früher beispielsweise nach der Kinopremiere noch ein Jahr warten, bis der Film auf VHS-Kassette zu kaufen war, kann man ihn heutzutage schon am Tag der Premiere streamen. Alles, was es dazu braucht, ist ein Internetzugang und entsprechende Software. Ein Fortschritt, der sich durch sämtliche Branchen und Lebensbereiche zieht. Und so kann auch die Steuerberatung von den Innovationen des Internets profitieren. Programme wie Unternehmen online ermöglichen eine ortsungebundene Steuerberatung.

Der erste Eindruck zählt

Steuerberater Ralf Gerlach betreut in seiner Düsseldorfer Kanzlei Bohle + Partner regionale und überregionale Mandanten. Einen Großteil seiner Fernmandate konnte er im Netz für sich gewinnen. Seine Zielgruppe sind Freiberufler und Künstler, die speziellen Bedarf an über­regionalen Angeboten haben. Ein Bedarf, den er auf seiner Website bedient. „Durch unsere Internetpräsenz sind Anfragen nach überregionalen Mandaten an uns herangetragen worden. Das sind im zeitlichen Verlauf immer mehr geworden“, sagt der 48-Jährige und zeigt damit, dass der Online-Auftritt wie eine Visitenkarte ist – der erste Eindruck zählt.

Partnerschaft auf Augenhöhe

Neben einer modernen Betreuung via Internet ist die klassische dennoch nicht obsolet. Daniel Ritz, Steuerberater aus Abensberg in Niederbayern betreut viele Mandanten und Zielgruppen – regional und überregional. „Es war für uns von Anfang an klar, dass wir uns nicht nur auf örtliche Mandanten beschränken“, sagt der 28-Jährige. „Zwei unserer ersten Mandanten haben ihren Sitz in Frankfurt beziehungsweise Hamburg. Doch kommt die Steuerberatung einer Partnerschaft auf Augenhöhe gleich, und diese kann man nur durch persönliche Bindung halten und pflegen.“ Das geht soweit, dass er auch bei Bedarf durchaus mal zum weiter entfernten Mandanten fährt, um mit ihm zu sprechen. Das Wichtigste für Mandanten ist also die persönliche Erreichbarkeit seiner Kanzlei.

Kosten und Erreichbarkeit müssen ausgewogen sein

Dennoch kann Erreichbarkeit auch online geschaffen werden, ist sich Ralf Gerlach bewusst: „Es gibt ja keinen Grundsatz, dass ich nur Mandanten beraten darf, die ich persönlich kenne.“ „Sicher ist es nicht verkehrt, wenn man sich schon einmal Face to Face kennengelernt hat, aber in der Regel reichen bei der weiteren Zusammenarbeit die elektronischen Wege aus“, meint Ralf Gerlach.
Persönliche Bindung und Erreichbarkeit ließen sich in einer Innenstadtkanzlei vereinen – der Preis spielt hier zuletzt die entscheidende Rolle. Prestigeträchtige Räume sind ein Risiko. Zum einen hinterlassen sie einen Eindruck, der den Mandanten entsprechen sollte, zum anderen sind Raumkosten einer der größten Fixkostenblöcke. Eine Web-Domain erfordert verglichen dazu deutlich weniger Kosten. Einen preislichen Unterschied zwischen der Betreuung von regionalen und überregionalen Mandanten machen beide Steuerberater nicht. „Wir rechnen für über­re­gio­nale Mandanten dieselben Stunden- und Zehntelsätze ab wie für regionale. Die Arbeit bleibt am Tagesende die gleiche“, sagt Daniel Ritz.

Mandanten werden anspruchsvoller

Probleme stellen sich den beiden Berufskollegen bei der Online-Beratung kaum. „Wir können aufgrund der Entfernung leider nicht sofort vor Ort sein. Ansonsten regeln wir aber sämtliche Sachverhalte problemlos“, sagt Daniel Ritz, der etwa zehn Prozent seiner Mandanten online betreut, den Rest in den Kanzleiräumen in Abensberg.
Ralf Gerlach betreut heute schon mehr als die Hälfte seiner Mandanten aus der Ferne, mit steigender Tendenz. „Bei Neugründungen oder Übernahmen von Kanzleien kann man sich nicht mehr auf die Ortsgebundenheit verlassen, dafür sind die Mandanten zu anspruchsvoll“, sagt er. Zum einen wollen Mandanten nicht mehr die Zeit aufbringen, zum Steuerberater zu gehen. Zum anderen gibt es Mandanten, die in ländlichen Regionen leben und durch das Internet jetzt einen Ansprechpartner für ihre speziellen Belange finden können. „Der Standort ist nicht mehr die Rentenversicherung“, so Ralf Gerlach.

Das Internet als Kanzleistandort

Ist also das Internet künftig der neue Standort der Steuerberatungskanzlei? Daniel Ritz hält es weiterhin für notwendig, sich örtlich zu zentrieren. „Aufgrund der Masse an Mandanten kann man meines Erachtens nicht nur überregional arbeiten.“ Er sehe es lediglich als logische Ergänzung, um seine Beratung überregional anzubieten. Zudem wächst die Anzahl der Fernmandate zwar, aller­dings nicht in dem gleichen Maße wie die der lokalen Mandate.
Einen Mehraufwand in der Betreuung von Fernmandaten sehen beide Steuerberater nicht. „Dank der digitalen Medien können wir so gut wie alle Arbeit ortsungebunden abwickeln“, so Daniel Ritz. „Wir arbeiten regelmäßig mit digitalen Lösungen der ­DATEV wie Unternehmen online oder anderen Programmen wie Skype.“

Die Spielwiese der Konkurrenz

Seines Erachtens wird der Online-Bereich in den nächsten Jahren zu deutlich mehr Nachfrage führen. Auch die aktuelle Konkurrenzlage spricht dafür. Laut Zahlen des Statistischen Be­richts­systems für Steuerberater sind Steuerberatungskanzleien in Deutschland relativ gleichmäßig auf Stadt und Land verteilt sowie der Population entsprechend auf die Bundesländer. So finden sich auf dem Land sowie in mittelgroßen Städten jeweils rund 30 Prozent aller Steuerberater, in Großstädten rund 40 Prozent. Die Bundessteuerberaterkammer zeigt die Verteilung der Steuer­berater auf die verschiedenen Landeskammern auf. Wichtig ist jedoch nicht die Menge der Steuerberater in einem Gebiet, sondern das Verhältnis von Steuerberater zu Steuerzahler, also potenziellen Mandanten. Im Online-Bereich sieht Daniel Ritz eine freie Spielwiese mit deutlich weniger Konkurrenz. Sein nordrhein-westfälischer Kollege Ralf Gerlach hingegen empfindet die Konkurrenzsituation als relativ stark. „Die Mandanten suchen nach bestimmten Themen, die die Steuerberater abdecken sollen, nicht nach der Region. Für gewisse Fragen gibt es gewisse Spezialisten.“ Es gilt, sich besser zu präsentieren als andere Steuerberater mit denselben Angeboten.

Auf dem Weg zu neuen Mandaten

Auch die Vernetzung spielt eine große Rolle – wo habe ich bereits Mandanten? Bestehende Mandantenbeziehungen zu erhalten, ist wichtig und führt durch Weiterempfehlungen auch zu neuen Mandaten. „Durch die Mobilität der Mandanten entwickelt sich häufig eine regionale Betreuung zu einer überregionalen“, sagt Ralf Gerlach.

Fazit

Das Internet bietet die Möglichkeit, ortsunabhängig zu agieren. Immer ausgefeiltere digitale Lösungen unterstützen den Steuerberater in seinen Tätigkeiten und Dienstleistungen für Mandanten unabhängig ihres Aufenthaltsorts. Der eigentliche Standort der Kanzleiräume wird damit zunehmend irrelevant. Dennoch ist eine persönliche Bindung weiterhin wertvoll, damit am Ende die Qualität der Beratung nicht darunter leidet.

Zur Autorin

VS
Valerie Schramm

Redaktion DATEV magazin

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