Weihnachtsgeschenke - 16. Januar 2018

Gefährliche Geschenke!

Bei der Annahme von ­Zu­wen­dungen, etwa zur Weih­nachts­zeit, kann die Grenze zur Korruption schnell überschritten sein.

Die Weihnachtsgans ist verdaut, die guten Vorsätze sind vergessen und manche Weihnachtsgeschenke fangen bereits an, im Regal Staub anzusetzen. Die Geschenk­körbe oder die Weinflaschen, die ein wohlmeinender Lieferant als Dank für die gute Zusammenarbeit im vergangenen Jahr übermittelt hat, stehen im Keller und warten auf die passende Gelegenheit, um geöffnet zu werden. Dabei stellt sich unweigerlich die Frage, ob diese Geschenke hätten angenommen werden dürfen oder man mit der Annahme bereits die Grenze zur Korruption überschritten hat. In der Hektik der Vorweihnachtszeit fehlt oft die Zeit, sich mit dieser Frage aus­ein­ander­zu­setzen. Deshalb ist erstens zu prüfen, welche Zuwendungen im Rahmen welcher Grenzen angenommen oder einem Dritten gemacht werden dürfen, ob zweitens ein begangener Verstoß zum jetzigen Zeitpunkt geheilt werden kann und drittens, was nun im Hinblick auf künftige Zuwendungen unternommen werden sollte, um etwaige Risiken von Gesetzesverstößen in der Zukunft zu vermeiden.

Zulässige Zuwendungen

Wichtig ist zunächst, dass es für die Zulässigkeit von Zuwendungen – dazu zählen nicht nur Einladungen zu Veranstaltungen oder Geschenke, sondern alle immateriellen und materiellen Vorteile, die entweder dem Empfänger oder einem Dritten zugutekommen – weder im Gesetz noch von der Rechtsprechung eine festgelegte Wertgrenze gibt. § 299 Strafgesetzbuch (StGB), der die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr regelt, und zwar spiegelbildlich für den Geber und den Empfänger der Zuwendung, enthält ein Wettbewerbs- und ein Geschäfts­herren­modell. Beide setzen eine sogenannte Unrechtsvereinbarung voraus, also einen Zusammenhang zwischen der Zuwendung und der Pflichtverletzung. Beim Wett­be­werbs­modell besteht die Pflichtverletzung in der unlauteren Entscheidung über eine Auftragsvergabe und damit die Einflussnahme auf den freien Wettbewerb. Beim Geschäftsherrenmodell wird darauf abgestellt, ob der Beschenkte im Zusammenhang mit einer Auftragsvergabe eine Pflichtverletzung gegenüber dem Unternehmen, also dem eigenen Arbeitgeber, begeht. Die Beurteilung, ob die Zuwendung in den Anwendungsbereich des § 299 StGB fällt, erfolgt unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Das sind neben dem Wert der Zuwendung unter anderem auch die Häufigkeit und ihr Zeitpunkt. So macht es einen Unterschied, ob nur einmalig beispielsweise eine Flasche Wein mit einem Wert von unter zehn Euro zugewandt wird oder eine wöchentliche Weinlieferung in derselben Höhe erfolgt. Auch die Sozialüblichkeit spielt eine erhebliche Rolle. Dafür empfiehlt sich die Kontrollfrage, ob der Empfänger vergleichbare Ausgaben selbst regelmäßig tätigt. Bei einer Essenseinladung bedeutet das zum Beispiel konkret, ob der Eingeladene auch privat regelmäßig Restaurants vergleichbarer Preiskategorie auf eigene Kosten besucht oder ob ein solcher Restaurantbesuch besonderen Gelegenheiten vorbehalten ist. Im ersten Fall spricht vieles für die Sozialüblichkeit der Einladung, im zweiten Fall bestehen dagegen jedoch deutliche Bedenken. Der Zeitpunkt der Zuwendung ist insofern von Bedeutung, als zugewandte Vorteile umso kritischer anzusehen sind, je enger der zeitliche Zusammenhang zwischen Vertrags­ver­handlungen beziehungsweise der Durchführung eines Vertrags einerseits und der Zuwendung andererseits ist. Je größer die zeitliche Nähe, desto eher besteht der unbedingt zu vermeidende Anschein, dass mit der Zuwendung die Erwartung einer Gegenleistung verknüpft ist. Darin liegt auch der Unterschied zwischen Zuwendungen im privatwirtschaftlichen Verkehr einerseits und Zuwendungen an Amtsträger andererseits. Während im privatwirtschaftlichen Verkehr eine Beeinflussung des Beschenkten zumindest angestrebt sein muss, damit der Tatbestand einer Bestechung erfüllt ist, setzt die Strafbarkeit der Zuwendungen an Amtsträger eine solche Verknüpfung nicht voraus. Vielmehr bestimmt § 333 StGB, dass sich strafbar macht, wer einem Amtsträger „für die Dienstausübung einen Vorteil“ anbietet, verspricht oder gewährt. Auf eine spezielle Diensthandlung kommt es also nicht an. Bei Amtsträgern gelten daher sehr viel strengere Regeln, ihnen ist es häufig nicht gestattet, überhaupt Zuwendungen, selbst geringwertige Werbeartikel, anzunehmen. Enge Grenzen sind seit Einführung des § 299a StGB (Bestechlichkeit im Gesund­heits­wesen) ebenfalls für Angehörige eines Heilberufs zu berücksichtigen. Unabhängig von der Gesetzeslage können aber auch die jeweils unternehmensinternen Regeln strengere Vorschriften für Zuwendungen vorsehen.

Prüfungsschema

Ob die Annahme einer Zuwendung zulässig ist, sollte man anhand der nachfolgenden Kontrollfragen überprüfen: Handelt es sich bei dem Annehmenden um einen Amtsträger? – In diesem Fall ist bei Geschenken besondere Zurückhaltung geboten. Ist das Geschenk nach den Regeln des eigenen Unternehmens zulässig? Wusste der Schenker, ob die Zuwendung nach den unternehmensinternen Regeln des Beschenkten zulässig ist? Entspricht das Geschenk dem sozial Üblichen? War mit dem Geschenk eine Beeinflussung des Beschenkten beabsichtigt?

Abhilfemöglichkeiten

Rein rechtlich ist ein strafbefreiender Rücktritt nicht möglich, da die Tat bereits spätestens bei der Annahme der Zuwendung vollendet ist.

Führt die Prüfung der Zulässigkeit einer empfangenen oder getätigten Zuwendung zum Ergebnis, dass sie den unkritischen Bereich überschritten haben könnte, stellt sich die Frage einer möglichen Abhilfe. Rein rechtlich ist eine solche, also ein straf­be­freiender Rücktritt, nicht möglich, da die Tat bereits spätestens bei der Annahme der Zuwendung vollendet ist. Selbst eine nachträgliche Rückgabe eines erhaltenen Geschenks führt daher nicht mehr zur Änderung der rechtlichen Situation und Straflosigkeit eines vorher rechtswidrigen Verhaltens. Eine nachträgliche Abhilfe ist lediglich in dem Fall denkbar, in dem die Zuwendung nur den strengen Compliance-Richtlinien des Unternehmens widersprach, ohne gleichzeitig einen Straf­tatbestand zu verwirklichen. In dieser Situation empfiehlt es sich, im Nachhinein den eigenen Vorgesetzten und gegebenenfalls die Compliance-Abteilung zu informieren.

Handlungsbedarf für die Zukunft

In jedem Fall sollten die kommenden Monate bis zur nächsten Weihnachtssaison genutzt werden, um die bestehenden unternehmensinternen Regelwerke zu überprüfen. Existieren Richtlinien, wie mit Zuwendungen umgegangen wird? Haben die Mitarbeiter eine Schulung erhalten, damit sie ein Gespür für die Problematik entwickeln und wissen, wie sie sich rechtskonform verhalten? Dabei ist zu bedenken, dass ein Umdenken im Unternehmen nicht von heute auf morgen erfolgt. Daher sollte frühzeitig mit einem Compliance-Spezialisten überlegt werden, welche konkreten Schritte zu unternehmen sind, um auch künftig mit Zuwendungen rechtssicher umgehen zu können, damit erst gar keine Situationen entstehen, die einer nachträglichen Korrektur bedürfen.

Foto: MHJ / Getty Images

Zur Autorin

EW
Elke Wurster

Rechtsanwältin (Attorney at Law) sowie Maîtrise en droit international und Compliance Officer (univ.); Partnerin der Maiwald Patentanwalts- und Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München

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