Kassen-Nachschau - 17. Januar 2018

Schutz vor Manipulation

Der Bundes­tag hat im Dezember 2016 das Gesetz zum Schutz ­vor Mani­pu­la­tionen an digitalen Grund­auf­zeich­nungen be­schlossen. Es sieht ge­steigerte ­An­for­der­ungen an Grund­auf­zeich­nungen vor, die mit elek­tro­nischen Re­gistrier­kassen erstellt wurden.

Aufgrund der Tatsache, dass solche Daten für die Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar, un­ver­züg­lich lesbar und maschinell auswertbar gemacht werden müssen, ergeben sich Auswirkungen auf die Aufzeichnungs- und Ordnungsvorschriften des Steuerpflichtigen.

Im Rahmen des Gesetzes wurden auch die Anforderungen an die Ordnungsvorschriften im Sinne des § 146 AO konkretisiert. So ist erstmalig die Einzelaufzeichnungspflicht gesetzlich kodifiziert. Demnach sind künftig Kassenaufzeichnungen grundsätzlich

  • einzeln,
  • vollständig,
  • zeitgerecht und
  • geordnet

vorzunehmen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Einzelaufzeichnung dem Steuerpflichtigen nicht zumutbar ist, weil er Waren an eine Vielzahl nicht bekannter Personen gegen Barzahlung veräußert. Zudem sind Kasseneinnahmen und -ausgaben generell täglich festzuhalten (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO).
Bei Nutzung elektronischer Aufzeichnungssysteme, wie zum Beispiel elektronische und computergestützte Kassensysteme und Registrierkassen, müssen immer Einzel­auf­zeich­nungen geführt werden (§ 146 Abs. 1 Satz 3 AO). An deren Ausgestaltung werden zahlreiche Anforderungen gestellt, die im neu eingeführten § 146a AO festgehalten wurden. Zusätzlich sieht das Gesetz ab 1. Januar 2020 eine zertifizierte technische Sicher­heits­ein­rich­tung vor, die elektronische Aufzeichnungssysteme vor Manipulation schützen soll.
Durch das Gesetz wurde zwar eine Vielzahl an verschärfenden Anforderungen an die Kassenführung gestellt, jedoch keine explizite Registrierkassenpflicht eingeführt. Auch die Verwendung offener Ladenkassen ist weithin zulässig. Dabei ist jedoch zu beachten, dass handschriftliche Einzelaufzeichnungen zu führen sind. Nur Steuer­pflichtige, die Waren an eine Vielzahl unbekannter Personen verkaufen und denen es nicht zuzumuten ist, handschriftliche Einzelaufzeichnungen zu führen, dürfen ihre Bareinnahmen und Barausgaben anhand von retrograden Kassenberichten nachvollziehbar dokumentieren.
Im Rahmen der Kassen-Nachschau ist der Steuerpflichtige aber unabhängig der konkreten Ausgestaltung der Kassenaufzeichnungen in der Nachweispflicht einer ordnungsgemäßen Kassenführung.
Die Kassen-Nachschau (§ 146b AO) ist ein neues Kontrollinstrument der Finanz­ver­waltung. Das Ent­deckungs­risiko für Steuerpflichtige, die Manipulationen an ihren elektronischen Aufzeichnungssystemen vornehmen, soll erhöht werden. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass seit dem 1. Januar 2017 in der Praxis nur noch Kassen­systeme eingesetzt werden dürfen, die Kasseneinzeldaten aufzeichnen, aufbewahren und für die Zeiträume der Aufbewahrungsfrist digital exportieren können.
Es handelt sich bei der Kassen-Nachschau nicht um eine neue Form der Außenprüfung. Wie die Umsatz­steuer­nach­schau oder Lohn­steuer­nach­schau wird sie vorher nicht angekündigt.
Mit ihr sollen insbesondere bei bargeldintensiven Betrieben, zum Beispiel Gastronomie, Apotheken, Friseure, Bäcker etc., Sachverhalte geprüft werden, die für die Besteuerung von Bedeutung sind. Speziell bedeutet dies, dass die Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen von Kasseneinnahmen und Kassenausgaben dieser besonderen Prüfung unterliegen.

Erstmalig durchgeführt werden Kassen-Nachschauen von Amtsträgern der Finanz­ver­waltung ab 01.01.2018, und zwar bei allen Steuerpflichtigen, die Gewinneinkünfte erzielen.

Erstmalig durchgeführt werden Kassen-Nachschauen von Amts­trägern der Finanzverwaltung ab 1. Januar 2018, und zwar bei allen Steuerpflichtigen, die Gewinneinkünfte erzielen.
Nicht nur die technischen Formen der Kassenführung mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme (elektronische Re­gis­trier­kassen, computergestützte Kassensysteme, Waagen mit Regis­trier­kassenfunktion etc.) werden geprüft, sondern auch die manuellen Formen, insbesondere die offene Ladenkasse mittels sum­ma­rischer, retrograder Ermittlung der Kasseneinnahmen und Kassenausgaben. Gerade letztere Form der Kassenführung gilt als anfällig für Manipulationen und es kann davon ausgegangen werden, dass zu Beginn des Jahres 2018 bei diesen Betrieben eine Vielzahl von Kassen-Nachschauen durchgeführt werden.
Auch andere elektronische Aufzeichnungssysteme, die nicht in der KassenSichV explizit genannt werden, unterliegen der Prüfung im Rahmen der Kassen-Nachschau. Dazu gehören insbesondere Taxameter, Weg­strecken­zähler, Geldspielgeräte und vieles mehr.
Nutzt der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem, ist im Rahmen der Kassen-Nachschau ein Datenzugriff auf diese Systeme und deren Kasseneinzeldaten zulässig. Um diesbezüglich einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, muss der Steuerpflichtige eine aussagefähige Verfahrensdokumentation vorlegen können. Mit dieser muss der Amtsträger in die Lage versetzt werden, vom Beleg bis zur Buchung jeden Schritt nachvollziehen zu können (progressive und retrograde Prüfbarkeit).
Die Kassen-Nachschau wird während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten beziehungsweise Öff­nungs­zeiten durchgeführt. Dazu gehören auch Vor- und Nachbereitungszeiten.
Die Amtsträger sind dazu berechtigt, Geschäftsgrundstücke oder Geschäftsräume der Steuerpflichtigen während der vorgenannten Zeiten zu betreten, um die Ord­nungs­mäßig­keit der Aufzeichnungen von Kasseneinnahmen und Kassenausgaben zu prüfen. Die Geschäftsgrundstücke und Geschäftsräume müssen dabei nicht im Eigentum der Steuerpflichtigen stehen. Es reicht aus, wenn diese von ihnen für geschäftliche Zwecke genutzt werden.
Vor Beginn der Kassen-Nachschau muss der Amtsträger sich ausweisen und dem Steuerpflichtigen eine schriftliche Mitteilung (Kassen-Nachschaumitteilung) übergeben, aus der hervorgeht, dass bei ihm eine Kassen-Nachschau gemäß § 146b AO durchgeführt wird. Gleichzeitig muss in einer entsprechenden Anlage zu dieser Mitteilung auf die Rechte und Pflichten des Steuerpflichtigen hingewiesen werden.
Hat der Amtsträger mit der Kassen-Nachschau begonnen, kann keine strafbefreiende Selbstanzeige mehr abgegeben werden (§ 371 Abs. 2 Nr. 1e AO).
Anschließend kann der Amtsträger mit der Kassen-Nachschau beginnen, das heißt, er kann den Steuer­pflich­ti­gen auffordern, ihm das elektronische Aufzeichnungssystem zugänglich zu machen sowie Aufzeichnungen und Bücher vorzu­legen.
Die betroffenen Steuerpflichtigen sind zur Mitwirkung verpflichtet und müssen dem Amtsträger auf Verlangen entsprechende Aufzeichnungen, Bücher sowie die für die Kassenführung – insbesondere für die elektronischen Aufzeichnungssysteme – erheblichen sonstigen Organisationsunterlagen über Sachverhalte und Zeiträume vorlegen, die der Kassen-Nachschau unterliegen.
Im Rahmen einer Kassen-Nachschau ist auch ein Kassensturz möglich, das heißt, es erfolgt ein Abgleich des Kassen-Istbestandes mit dem Sollbestand. Dies setzt jedoch voraus, dass der Steuerpflichtige seine Kasse auch tatsächlich täglich führt, wie dies im neuen § 146 Abs. 1 S. 2 AO gefordert wird.
Das Recht, die Räumlichkeiten nach Kassenaufzeichnungen oder Ähnlichem zu durchsuchen, steht den Amtsträgern nicht zu.
Führt die Kassen-Nachschau zu Beanstandungen, weil die Kassenaufzeichnungen oder Kassenbuchungen sowohl formell als auch materiell nicht ordnungsgemäß sind oder die nach dem 31. Dezember 2019 zu nutzende zertifizierte technische Sicher­heits­ein­richtung nicht den Anforderungen entspricht, kann zu einer Außenprüfung im Sinne des § 193 AO übergegangen werden (§ 146b Abs. 3 AO).
Der Übergang ist dem Steuerpflichtigen schriftlich mitzuteilen. Aus dieser schriftlichen Mitteilung – keine gesonderte Prüfungsanordnung – muss erkennbar sein, über welchen Prüfungszeitraum und Prüfungsumfang sich die Außenprüfung erstrecken wird.
Die Entscheidung darüber, ob zu einer Außenprüfung übergegangen wird, liegt im Ermessen des Amtsträgers. Insbesondere, wenn gravierende formelle und materielle Mängeln vorliegen, ist eine Außenprüfung geboten.
Steuerpflichtige müssen damit rechnen, dass vor Durchführung eine Kassen-Nachschau die Amtsträger anonym die Kassenführung, die Handhabung und Nutzung der elektronischen Aufzeichnungssysteme in den Geschäfts­räumen überprüfen werden. Auch Testkäufe sind nicht auszuschließen. Deshalb sollte ein großer Wert auf die Kassenführung gelegt werden.

Foto: jossdim / Getty Images

Erstanwendung

Folgende Zeitpunkte gelten für die Erstanwendung des Gesetzes (§ 30 EGAO):

  • Anforderungen an elektronische Aufzeichnungssysteme (§ 146a AO) ab 01.01.2020
  • Die Verwendung elektronischer Aufzeichnungssysteme (§ 146a Abs. 4 AO) ist mitzuteilen bei Anschaffung vor dem 01.01.2020 bis zum 31.01.2020
  • Belegausgabepflicht (§ 146b Abs. 2 AO) ab 01.01.2020

Registrierkassen, die nach dem 25.11.2010 und vor dem 01.01.2020 erworben wurden, die den Vorgaben des BMF-Schreibens vom 26.11.2010 (2. Kassen­richt­linie) entsprechen und bei denen eine technische Aufrüstung bauartbedingt nicht möglich ist, können bis zum 31.12.2022 verwendet werden (§ 30 Abs. 3 EGAO).

Elektronische Aufzeichnungssysteme

… sind zum Beispiel elektronische Registrierkassen, computergestützte Kassensysteme oder Waagen mit Registrierkassenfunktion. Auch andere Systeme, die in der KassenSichV nicht explizit genannt werden, unterliegen der Kassen-Nachschau, zum Beispiel Taxameter, Wegstreckenzähler, Geldspielgeräte.

Die einheitliche digitale Schnittstelle und die Verfahrensdokumentation werden in einer späteren Magazin-Ausgabe vorgestellt.

Zu den Autoren

TT
Tobias Teutemacher

Steuerfahnder beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Münster (NRW)

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SG
Stephan Greulich

DATEV eG, Fachliche Basis Rechnungswesen

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