Disruptive Portalentwicklung - 15. November 2017

Bedrohte Geschäftsmodelle

Sie rast durch unsere Ge­sell­schaft und hat sogar schon die Taxis rechts überholt: die Di­gi­ta­li­sie­rung. Mit Uber hat ein in­no­va­tives Geschäfts­modell in der digi­ta­len Wirt­schaft einen schein­bar sicheren Wirt­schafts­zweig schwer in Be­dräng­nis gebracht. Die Taxi­unter­nehmen in vielen großen Städten sind an­ge­zählt, den Fahrern droht die Arbeits­losigkeit.

Jedes Zeitalter kennt diese wirklich tiefgreifenden Verwerfungen. Oft sind ihnen neue und fortschrittliche Unternehmen entwachsen. Die digitale Transformation unserer Wirtschaft scheint solche alles in Frage stellenden Entwicklungen zu begünstigen. Das Uber der Hotels heißt Airbnb und hat mit der Vermittlung privater Unterkünfte in der Hotelbranche durchgefegt. Selbst große Banken fürchten inzwischen von den zahllosen, wendigen Fintech Start-ups in ihren Kerngeschäftsfeldern, wie etwa der Kreditvergabe, gestellt zu werden. Bei der DATEV eG beobachtet Dagmar Guggenberger mit ihren Kollegen und Kolleginnen den Trend, „dass sich Plattformanbieter als Makler in die klassische Kundenbeziehung zwischen Kunde und Dienstleister schieben.“ Sie arbeitet in einer Abteilung, die sich mit den Chancen und Risiken der Digitalisierung beschäftigt. Die Gefahr, dass sich solche Plattformanbieter auch zwischen Steuerberater und Mandanten drängen, hat man dort längst erkannt. „Diese Anbieter schöpfen dann den Gewinn ab, der den Kanzleien zusteht“, so Guggenberger weiter.

Start-ups bedrohen die etablierten Unternehmen

Das Gespenst, das diesmal durch Europa geht, heißt Disruption. Es wird gerne beschworen, wenn digitale Erfolgsstorys ausgebreitet werden. Amazon, das den klassischen Buchhandel entsorgt, Wikipedia, das der Wissensgesellschaft ein neues Gesicht gibt. Von disruptiven Innovationen sprechen wir, wenn eine bestehende Technologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung durch etwas Neues verdrängt wird. Meist entstehen sie aus kleinen Start-ups heraus, die am unteren Ende eines Marktes agieren. Für die etablierten Firmen scheinen die neuen Geschäftsmodelle zunächst uninteressant, weil sie oft eine spezielle Zielgruppe im Visier haben und wenig Umsatz versprechen. Im Laufe der Zeit können diese innovativen Unternehmen dann groß werden und etablierte Firmen verdrängen. Ob einzelne Innovationen, wie die genannten Beispiele Uber und Airbnb, nun tatsächlich umwälzend sind und ob sie in ihren jeweiligen Branchen die etablierten Player vollständig verdrängen werden, ist unter Experten umstritten und gar nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass sie Druck ausüben und den Kuchen neu verteilen wollen.

Gibt es solche Entwicklungen auch in den Berufsständen der DATEV-Mitglieder? „Ja!“ meint Dagmar Guggenberger. Durch die Entstehung dieser Plattformanbieter würden „die eigentlichen Dienstleister zu reine Produktionsfaktoren degradiert und die Verteilung der Wertschöpfung neu organisiert zu Lasten der traditionellen Anbieter.“ Bei bestimmten gewerblichen Dienstleistungen haben etwa Hotel-, Reise-, Gas,- oder Stromportale bereits eine starke Markstellung erstritten. Bei den Juristen entstehen mit edicted, advocado oder Flightright ebenfalls erste Dienste. Auch im Steuerberatermarkt tauchen mit justanswer, ageras oder yourexpert Plattformanbieter am Markt auf. „Wir beobachten hier starke Marktaktivitäten“, sagte Guggenberger und weist darauf hin, „dass immer mehr Mitbewerber im Bereich Einkommensteuererklärung auf den Markt drängen und auch Banken bereits erste Angebote zur Belegablage, zur einfachen Buchführung und sogar zu einer einfachen Steuerdeklaration anbieten.“ Auch Amazon ermöglicht für E-Commerce Unternehmen die monatliche Erstellung ihrer USt-Erklärung. Andere werden im Bereich Finanzbuchführung aktiv. Gerade auch vor dem Hintergrund der Diskussionen um die EU-Deregulierung der Vorbehaltsaufgaben erwartet man bei der DATEV eG zunehmende Aktivitäten nationaler und internationaler Portalanbieter. Eine Liberalisierung würde diesen Anbietern natürlich einen zusätzlichen Schub verleihen.

Die Kanzlei stärken

Man kann zurecht einwenden, dass die Branche der Steuerberater nicht ohne weiteres mit dem freien Markt zu vergleichen ist. Die Dienstleistung eines Steuerberaters ist in ihrer Komplexität nur schwer mit der eines privaten Anbieters gleichzusetzen, der diese Dienstleistungen nur vermitteln möchte. Doch genau hier lauert auch die Gefahr. Diese Portale brechen die etablierten Kanzlei-Mandanten-Beziehungen auf und fungieren als Anlauf-, Anbahnungs-, Dispatching- und Abrechnungsplattform, die bestimmen, welcher Steuerberater beauftragt wird. Es wird in Zukunft immer mehr Vermittlungsplattformen von Dienstleistungen geben und die Märkte etablierter Anbieter werden sich dadurch verändern. Wie bedrohlich die neuen Anbieter wahrgenommen werden, erkennt man beispielsweise am Widerstand der Taxi- und Hotelbranche gegen Uber und Airbnb.
Man ist also gewarnt. Es bleibt die Frage, was zum Beispiel die beratenden Berufe tun können, um nicht ebenfalls mit ihrem Geschäftsmodell von neuen Plattformanbietern eingeholt zu werden. „Den Markt genau und kritisch beobachten und mit der Genossenschaft in den Austausch gehen, um die Kanzlei auf die Änderungen vorzubereiten und mit dem ersten Schritt jetzt zu beginnen und nicht erst in fünf Jahren,“ empfiehlt Dagmar Guggenberger.

Foto: Askold Romanov  / Getty Images

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Dietmar Zeilinger

Redaktion DATEV magazin

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