Umgang mit Fremdpersonal - 19. Juli 2017

Risiken erkennen

Fehlerhaftes Verhalten im Bereich der Zeitarbeit kann den Ruf eines Unternehmens massiv beeinträchtigen. Compliance-Management-Systeme helfen dabei, Risiken zu erkennen und zu vermeiden.

Bei einer wirksamem Arbeitnehmerüberlassung hat der Verleiher den gesamten Sozial­ver­siche­rungs­beitrag abzuführen. Für die Erfüllung dieser Pflicht haftet der Entleiher auch nach neuer Rechtslage wie ein selbstschuldnerischer Bürge, soweit ihm Arbeitnehmer gegen Vergütung zur Arbeitsleistung überlassen worden sind (§ 28 e Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch [SGB] IV). Wurde jedoch ein Scheinwerkvertrag geschlossen, ist zu unterscheiden:

  1. Handelt es sich um einen Scheinwerkvertrag mit einem Zeitarbeitsunternehmen, das ohnehin das Arbeitsentgelt und den darauf zu bezahlenden gesamten Sozialversicherungsbeitrag seiner Leiharbeitnehmer abführt, kommt noch eine Erhöhung der Beitragslast, etwa aus Equal-Pay-Aspekten, in Betracht.
  2. Handelt es sich jedoch um einen Scheinwerkvertrag, der an einen selbstständigen Subunternehmer weitergegeben wurde, für den keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden, ist eine Rückrechnung durchzuführen. Der dem Subunternehmer bezahlte Werklohn ist regelmäßig als Nettoentgelt anzusetzen und auf das dafür erforderliche Bruttoentgelt zurückzurechnen, aus dem dann der gesamte Sozialversicherungsbeitrag abzuführen ist.

Besonders in Fällen der Umqualifizierung eines vermeintlichen Subunternehmerverhältnisses mit einer nur zum Schein selbstständigen Person können sich hohe Beitragsforderungen ergeben, die bei vorsätzlicher Nichtabführung über die vierjährige Verjährungsgrenze hinaus nachträglich zu entrichten sind. Verleiher und Entleiher haften hierbei als Gesamtschuldner auf den gesamten Sozialversicherungs­beitrag.

Fehlerhaftes Verhalten vermeiden

Zudem drohen Bußgelder
und bei vorsätzlichem
Verhalten sogar strafrechtliche Konsequenzen.

Unternehmen, die als Werkbesteller Fremdpersonal einsetzen, sollten daher jetzt sehr genau darauf achten, fremdes Personal nicht in die eigene Arbeitsorganisation einzugliedern. Eine Schulung des eigenen Personals im Umgang mit Fremdpersonal kann hierfür nur ein erster Schritt sein. Besser ist es, von vornherein organisatorische Vorgaben zu etablieren, um sicherzustellen, dass fremdes Personal ausschließlich von einer Führungskraft angewiesen wird, die aus Sicht des Werkunternehmers ebenfalls Fremdpersonal ist. Denn die Folgen fehlerhaften Verhaltens sind gravierend: Ohne Rettungsfallschirm entsteht das Arbeits­ver­hältnis zwingend beim Werkbesteller, der sich darüber hinaus regelmäßig mit teilweise immensen Beitragsforderungen konfrontiert sieht. Zudem drohen Bußgelder und bei vorsätzlichem Verhalten sogar strafrechtliche Konsequenzen wegen des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen.

Human Resources Compliance

Daher wird es nun zu einer Daueraufgabe des Human ­Resources Compliance, entsprechende Strukturen zu schaffen, die dabei helfen, Risiken zu erkennen und zu vermeiden. Es zeigt sich, dass die Umsetzung und Beachtung der neuen Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) ein funktionierendes Compliance-Management-System (CMS) voraussetzen, das wiederum Teil eines unternehmensweiten Risikomanagementsystems (RMS) ist und die Einhaltung von regelkonformem Verhalten sicherstellt beziehungsweise steuert. Regel- und gesetzeswidriges Verhalten ist geeignet, in hohem Maße Schäden zu verursachen, die erhebliche negative finanzielle Folgen zeitigen können, da neben der Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen auch strafrechtliche Konsequenzen daraus resultieren können, die wiederum mit einem Reputations- und Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit einhergehen können. Zudem leidet der Ruf als Arbeitgeber.

Schadensersatzansprüche

Geschäftsführer und Vorstände haben bereits im Rahmen ­ihrer Legalitätspflicht dafür zu sorgen, dass die Geschäfte ­gesetzeskonform geführt werden (§ 93 Abs. 1 Aktiengesetz [AktG], § 43 Abs. 1 GmbH-Gesetz [GmbHG]). Darüber hinaus haben sie aufgrund des § 91 Abs. 2 AktG, der analog auch für die GmbH gilt, seit Jahren die Pflicht, ein Risikofrüherkennungssystem – ergänzt um ein internes Überwachungssystem – einzurichten. Aber auch Aufsichtsräte müssen sich aufgrund der Vorschrift des § 107 Abs. 3 AktG mit der Wirksamkeit des RMS und somit auch des CMS befassen. Die Nichtbeachtung dieser Vorschriften kann wiederum empfindliche Schadensersatzansprüche gegen die Organe der Gesellschaft aus­lösen.

Fazit

Daher lohnt es sich, die Umsetzung des AÜG mit hoher Priorität sicherzustellen. Ein gutes Risikomanagement wird nachteilige Folgen in monetärer Hinsicht ­abschätzen können. Es definiert dann die erforderlichen Maßnahmen zur Risikosteuerung im Voraus, um es erst gar nicht zum Schadenseintritt kommen zu lassen. Arbeitgeber sind daher gut beraten, die bestehenden Abgrenzungsfragen der Arbeitnehmerüberlassung von der werkvertraglichen Tätigkeit sowie gegebenenfalls bestehende Maßnahmen, wie die Vor­rats­überlassungserlaubnis, auf ihre aktuelle rechtliche Belastbarkeit hin genau zu analysieren sowie ­bestehende Risiken zu quantifizieren. Dabei erscheint es ratsam, sich unter Umständen externer arbeitsrechtlicher Fachkompetenz zu bedienen. Denn eine professionelle Analysephase ist zwingend erforderlich, um anschließend nicht nur eine effiziente Umsetzung in der Organisation sicherzustellen, sondern auch eine regelmäßig aussagekräftige Dokumentation innerhalb des CMS.

Foto: draco77 / Getty Images

Zu den Autoren

Dr. Ralf Kittelberger

Rechtsanwalt sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Er ist Partner der DREITOR Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB Kittelberger Hahn Kärcher Heilemann in Reutlingen.

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Stephan Mauer

Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie Partner der Mauer Unternehmensberatung GmbH, einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuer­beratungsgesellschaft mit dem Schwerpunkt betriebswirtschaftlicher Beratung für KMU in Reutlingen

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