Gesetzesnovelle - 17. Mai 2017

Defizite bereinigen

Das geänderte Recht der Arbeit­nehmer­über­lassung verfolgt das Ziel, die Leih­arbeit auf ihre Kern­funktion zu be­schränken und den Miss­brauch ­bei der Ge­stal­tung von Werk­ver­trägen zu verhindern.

Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge sind wichtige ­Instrumente in einer arbeitsteiligen Wirtschaft. Auch ist die Arbeitnehmerüberlassung eine etablierte Form des flexiblen Personaleinsatzes, denn sie bietet den Unternehmen Möglichkeiten zur Abdeckung von Auftragsspitzen und kurzfristigem Personalbedarf. Auch kommt ihr eine besondere arbeitsmarktpolitische ­Bedeutung zu. Gleichzeitig ist Arbeitnehmerüberlassung aber infolge von Konjunkturanfälligkeit und wechselnden Einsätzen stark mit Unsicherheiten für die Arbeitnehmer verbunden. So wurden Leiharbeitnehmer teilweise auch bei längerer Einsatzdauer zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen beschäftigt als vergleichbare Stammbeschäftigte. Das am 21. Oktober 2016 vom Bundestag verabschiedete Gesetz zu Änderungen im Recht der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) zielt darauf ab, den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Hinblick auf diese Ziele und Feststellungen einzuschränken und dem Missbrauch durch Werkverträge entgegenzuwirken. Am 25. November 2016 hat der Bundesrat die Neuregelungen gebilligt. Das Gesetz ist schließlich am ­­1. April 2017 statt wie geplant zum 1. Januar 2017 in Kraft getreten und soll im Jahr 2020, so wie wir das bereits aus § 23 Mindestlohngesetz (MiLoG) kennen evaluiert werden.
Das neue Gesetz definiert zum einen, wann überhaupt von Arbeitnehmerüberlassung auszugehen ist, zum anderen wird eine Höchstdauer für die Überlassung eingeführt. Schließlich wird der Grundsatz der Gleichstellung von Leiharbeitnehmern mit Stammarbeitnehmern gestärkt.

Echte Arbeitnehmerüberlassung

Die Arbeitnehmerüberlassung ist nach § 9 AÜG unwirksam, wenn sie nicht als solche bezeichnet wird.

§ 1 Abs. 1 AÜG wird um einige Regelungen ergänzt, die die ­Modalitäten der Arbeitnehmerüberlassung festlegen. Von einer Arbeitnehmerüberlassung ist danach nur dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt. Außerdem ist eine Arbeitnehmerüberlassung nur dann zulässig, wenn zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis vorliegt, die Höchstdauer nicht überschritten wird und die Arbeitnehmerüberlassung auch eindeutig im Vertrag so ­bezeichnet wird.

Höchstdauer der Arbeitnehmerüberlassung

Der neue § 1 Abs. 1b AÜG sieht vor, dass die Überlassung desselben Leiharbeitnehmers nur für eine Dauer von 18 aufeinanderfolgenden Monaten zulässig ist. Unterbrechungen, die eine Nichtanrechnung von Überlassungszeiten zur Folge hätten, müssen mehr als drei Monate umfassen. In Tarifverträgen von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche (das ist die Branche, in der der Entleiher ­tätig ist) können abweichende Zeiträume festgelegt werden. Im örtlichen und fachlichen Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags können dessen Regelungen auch durch nicht tarifgebundene Entleiher aufgrund einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung übernommen werden. Eine abweichende Überlassungsdauer kann in nicht tarifgebundenen Entleiherbetrieben auch in aufgrund eines Tarifvertrags von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche getroffenen Dienst- oder Betriebsvereinbarungen festgelegt ­werden, ist dort jedoch auf eine Überlassungshöchstdauer von 24 Monaten beschränkt. Das bedeutet: Grundsätzlich beträgt die Überlassungshöchstdauer 18 Mo­nate.­ Unterbrechungen von nicht mehr als drei Monaten führen nicht zu einem Neubeginn der Überlassungshöchstdauer.
Ist der Entleiher (!) tarifgebunden, so kann dieser Tarifvertrag oder eine aufgrund dieses Tarifvertrags geschlossene Betriebs- oder Dienstvereinbarung eine längere Überlassungsdauer erlauben.
Ist der Entleiher nicht tarifgebunden, so bleibt es bei der Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten, wenn es keinen räumlich, fachlich und persönlich anwendbaren Tarifvertrag gibt.
Existiert ein solcher räumlich, fachlich und persönlich für den Entleiher anwendbarer Tarifvertrag, so können dessen Regeln ­inhaltsgleich durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung übernommen werden.
Enthält ein derartiger Tarifvertrag eine Öffnungsklausel für ­Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, so kann durch sie die Überlassungshöchstdauer auf 24 Monate ausgeweitet werden.
Wichtig ist, dass hier auf die Einsatzbranche abgestellt wird und nicht auf die Leiharbeitsbranche, der der Verleiher angehört.

Grundsatz der Gleichstellung

Der neu gefasste § 8 AÜG sieht vor, dass Leiharbeitnehmer zu den im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen zu beschäftigen sind. Hiervon ist insbesondere das ­Arbeitsentgelt betroffen (Equal-Pay-Grundsatz). Soweit nichts Neues. Neu ist dagegen, dass Tarifverträge abweichende ­Re­gelungen nur noch für die ersten neun Monate der Entleihdauer vorsehen können. Eine längere Abweichung ist zulässig, wenn spätestens nach 15 Monaten der Überlassung mindestens ein ­Arbeitsentgelt erreicht wird, das in dem Tarifvertrag als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche festgelegt ist und nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen eine stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt erfolgt. Im Geltungs­bereich eines solchen Tarifvertrags können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Zudem sollen in die Berechnung der Neunmonatsfrist für die Geltung des Equal-Pay-Grundsatzes nur Beschäftigungszeiten einbezogen werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes liegen. In jedem Fall ist dem Leiharbeitnehmer das in einer Rechtsverordnung nach § 3a Abs. 2 AÜG für die Zeit der Überlassung und für Zeiten ohne Überlassung festgesetzte Mindeststundenentgelt zu zahlen.

Unwirksame Arbeitnehmerüberlassung

Die Arbeitnehmerüberlassung ist nach § 9 AÜG unwirksam, wenn sie nicht als solche bezeichnet wird und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert worden ist. Eine Heilung kann innerhalb von ­einem Monat nach Überlassungsbeginn durch Erklärung des Leiharbeitnehmers, an dem Vertrag zu dem Entleiher festhalten zu wollen, erfolgen. Außerdem ist eine Arbeitnehmerüberlassung unwirksam, die die Höchstdauer des ­­§ 1 Abs. 1b AÜG überschreitet. Die Unwirksamkeit für den Fall des Nichtvorliegens einer Überlassungserlaubnis ­kann künftig ebenfalls durch Erklärung des Leiharbeitnehmers geheilt werden.

Keine Streikbrecher

Statt des zunächst angestrebten Verbots des vollständigen Einsatzes von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher können diese nun während eines Arbeitskampfes im Entleiherbetrieb eingesetzt werden, wenn sie keine Aufgaben streikender Arbeitnehmer erledigen. In Fortführung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wird nun ausdrücklich klargestellt, dass Leiharbeitnehmer bei der Bemessung von betrieblichen Schwellenwerten zu berücksichtigen sind.

Foto: tai11 / shutterstock

Zum Autor

Ralph Binder

Rechtsanwalt sowie Fachanwalt für Arbeits- und Erbrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Binder und Partner, Passau, Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeits­gemeinschaft Kanzleimanagement im Deutschen AnwaltVerein.

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