EU-Datenschutz-Grundverordnung - 23. Februar 2017

Vertrauen in Gefahr

Der Wunsch nach einem einheitlichen Datenschutz in Europa stößt an Grenzen, wenn spezielle Rechte der Berufsgeheimnisträger tangiert sind. Hier ist dann der nationale Gesetzgeber gefordert.

Am 25. Mai 2016 ist nach zähen Verhandlungen die euro­päische Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) in Kraft getreten. Die Neuregelung gilt ab dem 25. Mai 2018 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie auch für außereuropäische Unternehmen, die in Europa personenbezogene Daten verarbeiten (Marktortprinzip). Grundsätzlich unterstützt die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) das Vorhaben, ein einheitliches Datenschutzrecht zu schaffen. Allerdings dürfen die Regelungen nicht zu einer Beeinträchtigung des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Steuerberatern und ihren Mandanten führen.

Worum geht es konkret?

Die DS-GVO enthält unter anderem eine Informationspflicht des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen gegenüber allen Personen, von denen personenbezogene Daten erhoben werden. Wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben wurden, muss nach Art. 14 DS-GVO die verarbeitende Stelle den Betroffenen informieren, wenn sie Daten über ihn speichert. Die BStBK weist darauf hin, dass für Steuerberater als Berufsgeheimnisträger hier die Ausnahmeregelung des Art. 14 Abs. 5d DS-GVO greift, sofern diese Daten der berufs­recht­lichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Dies gilt beispielsweise dann, wenn der Steuer­be­rater im Rahmen der Beratung von Personengesellschaften, der Erbschaftsteuerberatung oder der Lohnbuchhaltung auch personenbezogene Daten von natürlichen Personen verarbeitet. Diese Daten unterliegen der beruflichen Verschwiegenheit. Informationspflichten gegenüber Dritten würden die Verschwiegenheitsverpflichtung ins Leere laufen lassen. Eine solche Regelung zur
Berücksichtigung der berufsrechtlichen Verschwiegenheitsvorgaben findet sich in der DS-GVO bei den Auskunftsansprüchen der Betroffenen gegen die verarbeitende Stelle nach Art. 15 DS-GVO aber nicht. Das würde nach Ansicht der BStBK dazu führen, dass beispielsweise bei der rechtlichen Beratung von zwei Gesellschaftern wegen der geplanten Kündigung eines Mitgesellschafters dieser im Rahmen eines Auskunftsanspruchs darüber informiert werden müsste. Es ist offen­sicht­lich, dass dieser Umstand das Vertrauensverhältnis des Mandanten zu seinem Berater zerstören könnte.

Öffnungsklauseln

Die DS-GVO sieht aber in Art. 23 DS-GVO Öffnungsklauseln vor, die es den Mitgliedstaaten er­lauben, Beschränkungen der Betroffenenrechte zum Schutz bestimmter nationaler Interessen vorzunehmen. Im Hinblick auf die Tätigkeit des Steuerberaters besteht ein besonderes öffentliches Interesse an

  • der Funktionsfähigkeit der Steuerrechtspflege (vgl. Art. 23 Abs. 1f DS-GVO) und
  • dem Schutz der Tätigkeit des Steuerberaters als Organ der Steuerrechtspflege sowie dem Schutz beziehungsweise die Wahrung des Steueraufkommens (vgl. Art. 23 Abs. 1e DS-GVO).

Soweit die beschriebenen öffentlichen Interessen nicht bereits im jeweiligen Betroffenenrecht der DS-GVO selbst berücksichtigt worden sind, wie etwa in Art. 14 Abs. 5d oder Art. 17 Abs. 3b DS-GVO, gibt Art. 23 Abs. 1g (Verhütung von Verstößen gegen berufsständische Regelungen) dem Mitgliedstaat die Befugnis, hier eine eigene Regelung zur Beschränkung der Betroffenenrechte zu treffen. Dem Steuerberater muss aber bewusst sein, dass die Ausnahmen zur Beschränkung der Rechte Betroffener auf Auskunft immer nur so weit greifen, wenn dadurch ein Verstoß mit einer berufsständischen Regelung (wie der Verschwiegenheitspflicht) vermieden wird. Befreit der Mandant den Steuerberater von dieser Verschwiegenheitspflicht, kann sich der Steuerberater Dritten gegenüber bei deren Auskunftsbegehren nicht mehr darauf berufen.

Gesetzgebungsverfahren

Kürzlich hat das Bundesministerium des Inneren den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die DS-GVO und die Datenschutz-Richtlinie an die Kammern und Verbände verschickt. Die BStBK hat in ihrer Stellungnahme (www.bstbk.de/presse/ stellungnahmen) begrüßt, dass in § 26 des Einführungsgesetzes zum Bundesdatenschutzgesetz (BDSG-E) eine explizite Ausnahmeregelung für die der Geheimhaltungspflicht unterliegenden Daten formuliert wurde. In ihrer Stellungnahme hat die BStBK auch aufgeführt, an welchen Stellen noch nachjustiert werden sollte. Gleichzeitig hat die BStBK den Gesetzgeber aufgefordert, parallel zu diesem Gesetzgebungsverfahren die Auskunftsansprüche der Steuerpflichtigen in der Abgabenordnung zu regeln. Entsprechend den Regelungen in der DS-GVO sollte auch Steuer­pflichtigen die Möglichkeit eingeräumt werden, Informationen und Auskünfte zu den bei der Finanzverwaltung gespeicherten Daten zu erhalten. Das Thema wurde bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens diskutiert und wegen der zu erwartenden Änderungen des BDSG zunächst zurückgestellt.

Akuter Handlungsbedarf

Derzeit ist das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht des Steuerpflichtigen im Be­steue­rungs­ver­fahren durch das BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2008 eingeschränkt worden. Nach der Neuregelung des § 30 BDSG-E wird der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch gegenüber Steuerpflichtigen grundsätzlich voraussetzungslos gewährt; zudem unterliegt er keiner Er­mes­sens­ent­scheidung der Finanzbehörde. Mögliche Ausschlussgründe ergeben sich lediglich aus § 31 Abs. 1 Nr. 1a BDSG-E. Danach kann die Auskunft unter anderem verweigert werden, wenn sie die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde. Dafür müssen aber konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Die Auflagen des BMF-Schreibens schränken die Rechte des Steuerpflichtigen zu sehr ein. Nach Ansicht der BStBK besteht hier dringender Handlungsbedarf vonseiten des Gesetzgebers. Das Bundeskabinett hat am 1. Februar 2017 den Entwurf des Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU (DSAnpUG-EU) beschlossen. Das Gesetz wird nun im Bundesrat und im Deutschen Bundestag beraten.

Fotos: d1sk, PhotoAlto/Eric Audras/Getty Images

Zum Autor

RK
Roland Kleemann

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, Präsident der Steuerberaterkammer Berlin

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