Bilanzierung - 15. Dezember 2016

Gefahren der Einheitsbilanz

Die Einheitsbilanz hat ausgedient. Sollten steuer­liche Möglich­keiten aus­ge­schöpft werden, sollten eine Handels- und eine Steuer­bilanz erstellt werden. Ge­fähr­lich wird es für den Berater, wenn er die unter­schied­lichen An­for­de­run­gen von Steuer- und Handels­recht bil­an­ziell nicht abbildet.

Die Handelsbilanz dient sowohl der unternehmensinternen als auch externen Information und ist die Basis für Entscheidungen im Unternehmen, aber auch für Investoren und Geschäftspartner. Die Steuerbilanz dient hingegen als Grundlage für die Bemessung der Ertragssteuern, wie der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer. Für die Besteuerung ist der Gewinn des Unternehmens maßgeblich.
In der Praxis wird häufig ein Jahresabschluss aufgestellt, der als sogenannte Einheitsbilanz sowohl im Rahmen der E-Bilanz-Übermittlung an die Finanzverwaltung als auch für handelsrechtliche Zwecke (Ausschüttungsbemessung, Offenlegung) verwendet wird. Dies war bis zur erstmaligen Anwendung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) für kleine und mittlere Unternehmen oft gewohnte Praxis. Aufgrund der damals noch bestehenden umgekehrten Maßgeblichkeit waren steuerlich induzierte Wahlrechte auch handelsrechtlich zu berücksichtigen.

Anwendungsfälle

Durch den Wegfall der umgekehrten Maßgeblichkeit im Handelsgesetzbuch (HGB) haben sich die Anwendungsfälle für eine Einheitsbilanz spürbar verringert. Steuerlich zulässige Rücklagen (beispielsweise Rücklage für Veräußerungsgewinne nach § 6b Einkommensteuergesetz (EStG), Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 6.6 Einkommensteuer-Richtlinien (EStR)) dürfen seitdem ebenso wenig in einen handelsrechtlichen Jahresabschluss durchschlagen wie steuerliche Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5f. EStG und steuerliche Bewertungsunterschiede beispielsweise bei Pensionsrückstellungen (§ 6a EStG). Sie sind Bestandteil einer getrennt gebuchten Steuerbilanz (beziehungsweise einer Überleitungsrechnung nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV)) – eine daraus resultierende Ergebnis- wirkung darf folglich nicht den handelsrechtlichen Jahresüberschuss/-fehlbetrag tangieren. Die Handelsbilanz, zu deren Aufstellung nach § 242 HGB jeder Kaufmann verpflichtet ist, erfüllt eine Informationsfunktion. Neben der Selbstinformation des Kaufmanns dient sie auch der Information Außenstehender. Haftungsbeschränkte Gesellschaften sind zur Offenlegung der Handelsbilanz im Bundesanzeiger verpflichtet.
Daneben ist die Handelsbilanz Grundlage für die Bemessung der Ausschüttung an die Eigentümer (Ausschüttungsbemessungsfunktion). Das handelsrechtliche Ergebnis ist regelmäßig die Basis für die Berechnung von Tantiemen, die an Gesellschafter, Organmitglieder und/oder Mitarbeiter gezahlt werden.

Haftungs- und berufsrechtliche Konsequenzen

Soweit ein Jahresabschluss einen der oben genannten steuerlichen Tatbestände berücksichtigt, kann er nicht mehr die handelsrechtlichen Funktionen (Information und Ausschüttungsbemessung) erfüllen. In anderen Worten: Ein Jahresabschluss, der steuerliche Wertansätze enthält oder Sonderabschreibungen und/oder steuerliche Rücklagen umfasst, befreit den Kaufmann nicht von der Verpflichtung nach § 242 HGB. Darauf sollte der Steuerberater seinen Mandanten (Kaufmann) auf jeden Fall hinweisen – insbesondere bei einem sich daraus ergebenden Widerspruch zum ursprünglichen Auftrag: Gemäß der Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen ist in diesem Auftrag festzulegen, nach welcher Maßgabe (Handels-/Steuerrecht) der Jahresabschluss zu erstellen ist.
Werden im Vertrauen darauf, dass es sich um einen handelsrechtlichen Jahresabschluss handelt, daraus Ausschüttungs- oder Investitionsentscheidungen abgeleitet, kann dies für den Steuerberater in dessen Eigenschaft als Ersteller gravierende haftungs- und berufspolitische Konsequenzen nach sich ziehen, wenn es sich tatsächlich um einen den steuerlichen Vorschriften entsprechenden Abschluss (Steuerbilanz) handelt. Zum einen haftet der Steuerberater in der Regel persönlich für die Fehlbeträge, und das über mehrere Jahre. Zum anderen kann er deswegen seinen Titel verlieren.
Konsequenzen drohen auch dann, wenn der Steuerberater einen nur den steuerlichen Vorschriften entsprechenden Abschluss (Steuerbilanz) im Bundesanzeiger offenlegt. Der Steuerberater muss einen solchen Auftrag zur Offenlegung ablehnen. Tut er das nicht, macht er sich haftbar.

Optionen bei der E-Bilanz-Übermittlung

E-Bilanzen können bei der Finanzverwaltung entweder auf Basis des Handelsrechts (das heißt Handelsbilanz, dann aber inklusive Überleitungsrechnung nach § 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV) oder auf Basis des Steuerrechts (das heißt Steuerbilanz) eingereicht werden. Wird eine Einheitsbilanz eingereicht, geht die Finanzverwaltung davon aus, dass im betreffenden Einzelfall die Positionen und Wertansätze des Handelsrechts den steuerlichen Positionen und Wertansätzen entsprechen – im Ergebnis wird eine Einheitsbilanz von der Finanzverwaltung damit immer als Steuerbilanz gewertet.
Wird eine Handelsbilanz als E-Bilanz eingereicht, müssen Ansätze und Beträge, die den steuerlichen Vorschriften nicht entsprechen, in einer eigenen Überleitungsrechnung für die E-Bilanz angepasst werden. Diese Überleitungsrechnung kann – abhängig von der Anzahl und der Komplexität der Abweichungen – über die Jahre sehr umfangreich werden. Dieser Aufwand lässt sich durch eine eigens erstellte Steuerbilanz vermeiden, die direkt als E-Bilanz übermittelt werden kann und aus der sich dann auch die steuerliche Eigenkapitalentwicklung unmittelbar ergibt.

Fazit

Die Einheitsbilanz hat in vielen Fällen ausgedient. Sollen steuerliche Möglichkeiten optimal ausgeschöpft werden, ohne dabei handelsrechtliche Pflichten zu vernachlässigen, ist eine getrennte Erstellung von Handels- und Steuerbilanz angezeigt. Aus Sicht des Steuerberaters können damit Haftungsrisiken umgangen werden. Soll für ein Mandat tatsächlich nur eine Bilanz erstellt werden, ist zu beachten, dass der Kaufmann immer zur Erstellung eines handelsrechtlichen
Abschlusses verpflichtet ist. Abweichende, den steuerlichen Vorschriften entsprechende Ansätze oder Beträge sind dann in einer Überleitungsrechnung herzustellen. Gemessen am damit einhergehenden (jährlichen) Mehraufwand kann dann auch gleich eine eigene Steuerbilanz erstellt werden.

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Zum Autor

Tobias Bergbauer

Steuerberater und Diplom-Jurist in der Steuerberatungskanzlei Bergbauer, Cham

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