Die Zukunft des Bargelds - 24. März 2016

Einfach, sicher und schnell

Das Bargeld ist in Deutschland das meist­ge­nutzte Zah­lungs- und Wert­auf­be­wah­rungs­mittel. Es ist einfach, sicher und schnell zu hand­haben und kann ohne jede tech­nische In­fra­struk­tur ver­wen­det werden – den­noch wird über seine Zukunft dis­ku­tiert. Die Deutsche Bundes­bank ist der Ansicht, dass jeder Ver­brau­cher selbst ent­scheiden sollte, welches Zah­lungs­mittel für ihn am besten ge­eig­net ist.

Bargeld erfüllt wichtige volkswirtschaftliche Funktionen, denn es kann als Zahlungsmittel zum Erwerb von Waren und Dienstleistungen sowie als Wertaufbewahrungsmittel im In- und Ausland verwendet werden. Für die Abwicklung von Zahlungen stehen allerdings zunehmend bargeldlose Alternativen wie etwa die Girocard oder innovative Bezahlverfahren mit dem Smartphone zur Verfügung, und es stellt sich für manche Beobachter die Frage, welchen Stellenwert das Bargeld zukünftig einnehmen wird. Einige gehen dabei sogar weiter und regen eine Abschaffung des Bargelds an. Die Deutsche Bundesbank lehnt alle Bestrebungen, das Bargeld abzuschaffen, ab. Vielmehr sollen Verbraucher auch weiterhin selbst entscheiden dürfen, wie sie bezahlen oder sparen möchten.

Bargeld als Zahlungsmittel

Als Zahlungsmittel wird Bargeld vor allem von Verbrauchern genutzt, etwa im Einzelhandel oder zum Bezahlen von Dienstleistungen. Der Anteil der mit Bargeld durchgeführten Transaktionen am Verkaufsort, dem sogenannten Point of Sale, beläuft sich in Deutschland aktuell auf rund 80 Prozent. Je höher dabei der Wert einer Transaktion ist, umso eher wird sie mit bargeldlosen Zahlungsmitteln durchgeführt, beispielsweise mit der Girocard. Bei Zahlungen unter 50 Euro wird deutlich mehr bar gezahlt, und bei Zahlungen über 50 Euro wird mehr unbar gezahlt. Bargeld ist jedoch derzeit im Alltag das meistgenutzte Zahlungsinstrument in Deutschland. Für die Zukunft ist allerdings mit einem Bedeutungszuwachs bargeldloser Zahlungsinstrumente zu rechnen. Insbesondere die technikaffine Generation Y könnte innovativen Zahlungsmethoden, wie etwa dem kontaktlosen Bezahlen mit dem Smartphone, zur Marktreife verhelfen, sofern die erforderliche Infrastruktur an den Verkaufsorten flächendeckend zur Verfügung steht. Für die Verbraucher sind die Kriterien Einfachheit, Sicherheit und Schnelligkeit wichtig beim Bezahlen. Für einige Verbraucher erfüllt Bargeld diese Kriterien am besten, für andere sind es bargeldlose Zahlungsinstrumente. Die subjektive Einschätzung von Zahlungsinstrumenten im Hinblick auf Einfachheit, Sicherheit und Schnelligkeit kann sich also sehr stark unterscheiden. Für den einzelnen Verbraucher ist die Wahl des jeweiligen Zahlungsinstruments durchaus rational, da er das Instrument wählt, das die Anforderungen Einfachheit, Sicherheit und Schnelligkeit in seinen Augen am besten erfüllt. Zusätzlich berichten Verbraucher, dass es ihnen bei der Verwendung von Bargeld leichter fällt, einen Überblick über die eigenen Ausgaben zu behalten. Die Deutsche Bundesbank vertritt deshalb die Position, dass jeder Verbraucher selbst entscheiden soll, welches Zahlungsmittel für ihn am besten geeignet ist. Die Abschaffung des Bargelds würde einen Eingriff in die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers bei der Wahl des Zahlungsmittels bedeuten. Das Bargeld bietet weitere Vorteile: Es ermöglicht die sofortige und endgültige Zahlung durch Übergabe von Scheinen und Münzen Zug um Zug gegen Waren und Dienstleistungen. Daneben schützt Bargeld bei der Durchführung wirtschaftlicher Transaktionen die Privatsphäre der Verbraucher, denn wenn es zum Bezahlen verwendet wird, ist die Transaktion anonymisiert. Besonders wichtig ist, dass Bargeld weitgehend keine technische Infrastruktur benötigt, wie zum Beispiel auf Weihnachtsmärkten oder bei Geschäften zwischen den Bürgern. Im Falle eines Ausfalls elektronischer Zahlungssysteme, etwa im Zuge einer technischen Störung oder einer Naturkatastrophe, kann es weiter zur Abwicklung von Zahlungen dienen und stellt damit die Funktionsfähigkeit des Zahlungsverkehrs sicher.

Bargeld als Wertaufbewahrungsmittel

Bargeld wird darüber hinaus als Wertaufbewahrungsmittel verwendet. Motive hierfür könnten das Bilden einer Bargeldreserve für unvorhergesehene Ausgaben oder das Ansparen auf größere Ausgaben sein. Manche Verbraucher halten aber auch Bargeld, da sie dem Banken- und Finanzwesen misstrauen. In Griechenland stieg der Banknotenumlauf zum Beispiel vor dem Hintergrund der politischen Unsicherheit von 30 Mrd. Euro im November 2014 auf circa 50 Mrd. Euro Ende Juni 2015. Banknoten stellen somit aus Sicht dieser Bürger eine Zugangsmöglichkeit zu sicherem Zentralbankgeld dar, das grundsätzlich keinem Ausfallrisiko unterliegt. Der Euro wird zudem in Ländern außerhalb des Euroraums genutzt. Menschen wollen damit zum Beispiel den Wert ihrer Ersparnisse gegen Finanzkrisen und Inflation schützen.

Bedeutung des Bargelds

Volkswirtschaftlich ist ein Bedeutungsverlust des Bargelds bisher nicht erkennbar.

Zusammengefasst ist Bargeld als Zahlungs- und als Wertaufbewahrungsmittel gefragt. Dennoch stellen einige Beobachter dies für die Zukunft infrage und sehen im Bargeld ein Auslaufmodell. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Bargelds kann durch den sogenannten Bargeldumlauf gemessen werden, der den Wert des von Bürgern und Unternehmen gehaltenen Bargelds und damit deren Bargeldbedarf widerspiegelt. Die nationalen Zentralbanken des Euroraums haben aktuell rund 1 Bill. Euro in Form von Banknoten und zusätzlich rund 25 Mrd. Euro in Form von Münzen in Umlauf gebracht. Der Banknotenumlauf stieg seit der Eurobargeldeinführung am 1. Januar 2002 von einem Ausgangswert von etwa 220 Mrd. Euro kontinuierlich. Am 31. Dezember 2004 betrug er mehr als 500 Mrd. Euro, und zehn Jahre später, am 31. Dezember 2014 waren bereits mehr als 1 Bill. Euro in Verkehr gebracht. Volkswirtschaftlich ist ein Bedeutungsverlust des Bargelds bisher nicht erkennbar. Obwohl Zahlungskarten und andere bargeldlose Zahlungsmittel für die Abwicklung wirtschaftlicher Transaktionen langsam, aber kontinuierlich an Bedeutung gewonnen haben, ist der Bargeldumlauf weiter gestiegen. Dies dürfte auch auf eine gestiegene Verwendung des Eurobargelds im Ausland sowie auf das Wertaufbewahrungsmotiv zurückzuführen sein. Der Trend hin zu bargeldlosen Zahlungsmitteln setzt sich vermutlich auch zukünftig fort und könnte sich sogar beschleunigen, falls sich innovative Zahlverfahren, beispielsweise das Bezahlen mit dem Smartphone, durchsetzen. Allerdings vollzieht sich der Wandel vom Bargeld zu bargeldlosen Zahlungsmitteln insgesamt eher langsam, und Bargeld wird ohne gezielte Eingriffe vermutlich auch langfristig als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel eine wichtige Rolle spielen.

Diskussion um das Bargeld

Gezielte politische Maßnahmen zu einer Reduzierung der Verwendung des Bargelds oder die Abschaffung der 500-Euro-Banknote sind Gegenstand einer aktuellen Diskussion, in der unter anderem dargelegt wird, Bargeld fördere Schwarzarbeit und Kriminalität. Nicht zuletzt erschwere es die Durchsetzung von negativen Zinsen bei niedriger Inflation. Zur Überwindung der aktuell sehr niedrigen Inflationsraten im Euroraum kann eine Abschaffung des Bargelds aber keinen nachhaltigen Beitrag leisten. Vielmehr gilt es, gegen eine wesentliche Ursache der derzeitig niedrigen Inflation anzugehen, nämlich die Wachstumsschwäche. Das aber gelingt am besten, wenn die Regierungen der Mitgliedstaaten die notwendigen Reformen durchführen, um solide Staatshaushalte und wettbewerbsfähige Wirtschaftsstrukturen zu erreichen.
Peter Bofinger und der amerikanische Ökonom Kenneth Rogoff argumentieren zudem, Bargeld finde auch unerwünschte Verwendungen im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung und Kriminalität, und legen dar, eine Abschaffung des Bargelds könnte helfen, diese zu bekämpfen. Es ist zwar tatsächlich denkbar, dass eine Abschaffung des Bargelds einige unwillkommene Aktivitäten erschweren würde. Eine Ausweichung auf alternative Zahlungsmittel, beispielsweise Banknoten in Fremdwährung oder bargeldlose Instrumente, ist aber in vielen Fällen wahrscheinlich. In der volkswirtschaftlichen Literatur wird hauptsächlich auf strukturelle Ursachen von Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung, weniger auf die Verfügbarkeit bestimmter Zahlungsmittel verwiesen. Maßnahmen zur Bekämpfung der sogenannten Schattenwirtschaft sollten an dieser Stelle ansetzen. Das Bundesfinanzministerium hat die Einführung einer Obergrenze für Barzahlungen in Höhe von 5.000 Euro vorgeschlagen. Barzahlungsbeschränkungen sollen bei der Bekämpfung von Terrorismus sowie Geldwäsche helfen und zudem Steuerhinterziehungen erschweren. Bargeld ist das einzige gesetzliche Zahlungsmittel in Deutschland und ein wesentlicher Vertrauensanker der Bürger in ihre Währung. Barzahlungen sind insgesamt ein wichtiger Bestandteil des Wirtschaftslebens in Deutschland, und der Bürger soll selbst entscheiden können, ob er mit seinem Geld lieber bar oder unbar bezahlen möchte. Deshalb darf die aktuelle Diskussion über eine Obergrenze für Bargeldtransaktionen nicht zu einer Diskussion über eine generelle Abschaffung des Bargelds führen.

Standpunkte

Aktuell wird die zukünftige Bedeutung des Bargelds als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel diskutiert. Einige Akteure setzen sich für politische Maßnahmen zur Reduzierung der Verwendung von Bargeld bis hin zu einer Abschaffung ein. Bislang wird die Diskussion um eine Abschaffung des Bargelds weitgehend von Wirtschaftsexperten und Interessengruppen geführt. Ich kenne insbesondere keine politische Partei in Deutschland, nicht einmal einen Abgeordneten im Deutschen Bundestag, der sich für eine Abschaffung des Bargelds einsetzt. Die vorgestellten Überlegungen sind entsprechend eher abstrakte Gedankenspiele. Bargeld müsste weltweit abgeschafft werden, damit ein Ausweichen auf andere Währungen verhindert werden könnte. Dennoch beobachtet die Deutsche Bundesbank die Diskussion rund um das Bargeld aufmerksam im Rahmen ihres Sorgeauftrags für den Zahlungsverkehr. In der Gesamtabwägung aller Argumente lehnt die Bundesbank die Abschaffung des Bargelds ab. Bei der Frage, welche Zahlungsmittel Verbraucher verwenden oder in welcher Form Bürger und Unternehmen den Wert ihres Geldes sichern, ist sie vielmehr neutral. Bürger und Unternehmen entscheiden durch ihr Bezahlverhalten, welche Bedeutung dem Bargeld zukünftig zukommen wird. Vor dem Hintergrund der heranwachsenden technikaffinen Generation, einer zunehmenden Nutzung des Internets beim Einkaufen und weiteren technischen Veränderungen dürfte sich der Anteil des unbaren Zahlungsverkehrs zukünftig erhöhen. Gleichwohl ist das Bargeld vor dem Hintergrund seiner großen Beliebtheit vermutlich auch zukünftig als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel weit verbreitet.

Fazit

Aus diesen Gründen gehe ich fest davon aus, dass es zu keiner Abschaffung des Bargelds kommt und dass Bargeld auch in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird, wenn auch bei Bezahlvorgängen der Anteil unbarer Zahlungen zunehmen wird.

Zum Autor

CT
Carl-Ludwig Thiele

Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank. Er ist für die Bereiche Bargeld, Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme sowie Ökonomische Bildung, Technische Zentralbank-Kooperation und die Hochschule der Bundesbank verantwortlich. Von 1990 bis zu seinem Wechsel zur Bundesbank im Jahr 2010 gehörte der Jurist dem Bundestag an. Von 1994 bis 1998 war er Vorsitzender des Finanzausschusses und von 2002 bis 2010 stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion.

Weitere Artikel des Autors