Vorläufer des Steuerberaters - 17. Februar 2016

Orator im antiken Rom

Die antiken Steuern waren gering und un­kom­pli­ziert. Trotz­dem be­nö­tig­ten die Be­wohner des Rö­mischen Reichs Unter­stüt­zung bei ihren Steuern. So setzte sich Cicero 70 v. Chr. als Orator für die Sizi­lia­ner ein, die im Steuer­streit mit ihrem Statt­halter Gaius Verres lagen.

„Vectigalia nervi sunt rei publicae – die Steuern sind die Nerven des Staates“, erkannte bereits Marcus Tullius Cicero, seines Zeichens römischer Staatsmann und Philosoph im 1. Jahrhundert v. Chr. Ohne Nerven funktioniert kein Körper. Nur wenn die Nervenbahnen ungehindert zusammenlaufen, lebt das System – in diesem Fall der Staatskörper. Das Zitat zeigt zweierlei: Erstens waren Steuern schon im Römischen Reich unbeliebt, weswegen Cicero sie gegenüber Kritik verteidigen musste. Zweitens hatten (und haben) Steuern eine staatstragende Funktion. Die Aufgabe der Steuerveranlagung, des census, war entsprechend wichtig und wurde von hohen Beamten vorgenommen. Sie bildete den Ausgangspunkt für die Einteilung in Vermögensklassen, die mit dem heutigen System der Steuerklassen verglichen werden können. Höhe und Art der Steuern hingen vor allem vom Grundbesitz sowie vom Wohnort ab. Der römische Bürger an sich, sprich der mit dem Bürgerrecht ausgestattete männliche Bewohner Italiens, musste lange Zeit nahezu keine direkten Steuern zahlen. Die Hauptlast hatten die Untertanen der eroberten und dem römischen Imperium einverleibten Provinzen zu tragen. Erst unter Kaiser Augustus (er regierte 31 v. Chr. bis 14 n. Chr.) änderte sich dies.

Der römische Steuerzahler war den privaten Steuerpächtern (publicani) quasi schutzlos ausgeliefert.

Im Vergleich zu unserem heutigen Steuersystem waren die antiken Steuern gering und unkompliziert, trotzdem benötigten Bewohner des Römischen Reichs (so wie wir heute) oftmals Unterstützung bei ihrer Steuer. Gründe existierten genug. Mit der Expansion des römischen Territoriums veränderte sich die Steuereinteilung. Steuern wurden erhöht oder neue Steuern eingeführt, um den aktuellen Erfordernissen zu entsprechen. Da es lange Zeit keinen beziehungsweise nur einen sehr rudimentären Finanzapparat gab, übernahmen private Steuerpächter (publicani) das Eintreiben der Steuern, ohne dabei aber wirksam kontrolliert zu werden. Der römische Steuerzahler war ihnen quasi schutzlos ausgeliefert. Auch manch Statt­halter einer römischen Provinz offenbarte seine Selbstbedienungsmentalität und beutete die ihm unterstellten Provinzbewohner skrupellos aus.
„Wenn ganz Sicilien wie ein Mensch reden könnte, es würde sagen: ‚Alles Gold und Silber, das ich besessen, aller Schmuck meiner Städte, Landsitze und Tempel, alles Recht, das mir Roms Senat und Volk gewährt – alles das hast du, Gaius Verres, mir geraubt. Darum verklage ich dich nach dem Wortlaut des Gesetzes auf einen Schadenersatz von hundert Millionen Sesterzen.‘ So würde die ganze Provinz reden, wenn sie, wie gesagt, eine Stimme besäße; da sie das nicht kann, so hat sie ihren Sprecher in Gestalt des ihr geeignet scheinenden Vertreters selbst gewählt.“ Diese An­schul­di­gungen stammen aus dem Jahr 70 v. Chr., vorgebracht von Cicero im Prozess gegen den ehemaligen Statthalter der römischen Provinz Sizilien, Gaius Verres. Verres hatte in den Jahren 73 bis 71 v. Chr. Roms Kontrolle auf der Insel rücksichtslos und brutal ausgebaut. Gemeinsam mit den dortigen Steuerpächtern schröpfte er die Bewohner und bereicherte sich unter anderem durch die Beschlagnahmung von Kunstwerken. Ciceros Engagement für Sizilien resultierte aus seiner einstigen Tätigkeit als Quästor (dies war die erste Stufe der römischen Amtskarriere) auf der Insel. Er konnte sich das Ansehen der Sizilianer erarbeiten und versprach, sich nach seiner Abreise nach Rom weiterhin um die Belange der Insel zu kümmern.
Der erfolgreich geführte Prozess gegen Verres brachte Cicero die Stellung des ersten Redners (orator) Roms ein, nachdem er sich gegen den bis dahin angesehensten Redner durchsetzen konnte – dies war Quintus Hortensius Hortalus, der Verteidiger des Verres. Im Verlauf seiner Karriere sollte sich Cicero noch in einigen anderen Fällen um Steuerstreitigkeiten kümmern, allerdings mit wechselndem Erfolg, mal aufseiten des Steuerzahlers und mal aufseiten der Finanzbehörde. Meist war es der orator, der bei Steuerstreitigkeiten im antiken Rom als Fachmann, quasi als Steuerberater, vor Gericht einer Partei zur Seite stand, wenn auch solche großen Prozesse wie der von Cicero versus Verres die Ausnahme blieben. In unserem Begriff des Steuerberaters steckt noch das Stammwort für den römischen orator. Beide Wörter besitzen einen gemeinsamen indoeuropäischen Ursprung, aus dem das lateinische Wort ratio, also Rechenschaft, Erwägung, Denken, entstanden ist. Hieraus leitet sich raten ab, was ursprünglich als vorschlagen oder empfehlen verwendet wurde.
Verres gab sich übrigens vorzeitig geschlagen und ging noch vor der Urteilsverkündung ins Exil nach Massilia, dem heutigen Marseille. Dort lebte er unbehelligt und dank seines geretteten Vermögens ohne finanzielle Sorgen, ehe er 43 v. Chr. der sogenannten Proskription (eine Art offizielle Ächtung, die es erlaubte, die betroffene Person legal zu töten) zum Opfer fiel. Cicero ereilte im selben Jahr dasselbe Schicksal. Im durch die Ermordung Caesars entfachten Bürgerkrieg stand er aufseiten der Republik. Mit der Einigung der Bürgerkriegsparteien kam dann allerdings auch sein Name auf die Proskriptionsliste. Auf seiner Flucht nach Griechenland wurde der einstige erste Redner Roms ermordet.

Mehr DAZU

Baatz, Dietwulf: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“ – Steuern im Römerreich, in: Schultz, Uwe (Hg.): Mit dem Zehnten fing es an. Eine Kulturgeschichte der Steuer, München 1992.

www.imperiumromanum.com

Möller, Cosima: Eine kleine Einführung in Grundlagen des römischen Rechts, in: Ursula Gärtner (Hg.): Brandenburger Antike-Denkwerk. Kulturelle Identität – Römisches Recht, Potsdam 2014.

Pausch, Alfons: Die geschichtlichen Vorläufer des steuerberatenden Berufes, in: Karl-Heinz Mittelsteiner (Hg.): Illustrierte Geschichte des steuerberatenden Berufes, Augsburg 1999.

Sahm, Reiner: Zum Teufel mit der Steuer! 5000 Jahre Steuern – ein langer Leidensweg der Menschheit, Wiesbaden 2012.

Stroh, Wilfried: Die Macht der Rede. Eine kleine Geschichte der Rhetorik im alten Griechenland und Rom, Berlin 2009.

Zu den Autoren

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Irene Wallner

Neumann & Kamp,
Historische Projekte

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