Arbeitsrecht - 16. Februar 2016

Wenn es nicht nach Plan läuft

Wird ein Arbeitsverhältnis vor Ablauf der ver­ein­barten Ent­sende­zeit ge­kün­digt oder ab­ge­brochen, kann es zu Pro­blemen kommen. Des­wegen sollten im Vor­feld Ver­ein­ba­run­gen zur vor­zei­ti­gen Be­endi­gung der Ent­sen­dung sorg­fältig ge­troffen werden.

Auslandsentsendungen werden angesichts zunehmender Globalisierung immer häufiger und beliebter. Auch die wesentlichen Rechtsfragen zu den Rahmenbedingungen, insbesondere die Regelung der Vergütung, sind inzwischen weitestgehend geklärt und werden von vielen Unternehmen standardmäßig angewendet. Viele offene Fragen bestehen jedoch, wenn das Arbeitsverhältnis etwa wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers gekündigt werden soll oder der Arbeitnehmer aus anderen Gründen vor Ablauf der vereinbarten Entsendezeit nach Deutschland zurückkehren soll oder möchte. Hat der Arbeitnehmer im Ausland kündigungsrelevante Pflichtverletzungen begangen, stellt sich für die betroffenen Unternehmen die Frage der Umsetzung einer solchen Kündigung. Das hängt von den jeweiligen vertraglichen Regelungen ab.

Kündigung im Ein-Vertrags-Modell

Beim sogenannten Ein-Vertrags-Modell, bei dem auch die Tätigkeit im Ausland auf der Basis des Arbeitsvertrags mit dem deutschen Arbeitgeber erfolgt und dieser lediglich um eine Zusatzvereinbarung zu den besonderen Bedingungen des Auslandseinsatzes ergänzt wird, unterliegt der Arbeitnehmer weiterhin dem Direktionsrecht des deutschen Arbeitgebers. Auch im Ausland begangene Pflichtverletzungen betreffen somit unmittelbar das mit diesem bestehende Arbeitsverhältnis und können daher ebenso wie im Inland begangene Pflichtverletzungen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Problematisch könnte allerdings im Einzelfall sein, nach welchem Recht sich die Frage, ob eine Kündigung gerechtfertigt ist, richtet und ob der betroffene Arbeitnehmer sich auf das Kündigungsschutzgesetz berufen kann. Ist der Arbeitgeber ein Unternehmen mit Sitz in der Europäischen Union, regelt diese Fragen die Rom-I-VO. Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Rom-I-VO können die Arbeitsvertragsparteien das anzuwendende Recht selbst wählen. Wird der Arbeitnehmer für den inländischen Arbeitgeber auf der Basis eines Entsendungsvertrags im Ausland tätig, sind Vereinbarungen, die für diese Zeit die Anwendung des Rechts des Entsendungsstaats vorsehen, zwar möglich, in der Praxis aber eher selten. Häufiger sind Vereinbarungen, wonach das deutsche Recht weiter gelten soll. In vielen Entsendungsverträgen fehlt eine Regelung des anwendbaren Rechts aber auch gänzlich. Ohne Rechtswahl unterliegt der Arbeitsvertrag nach Art. 8 Abs. 2 Rom-I-VO dem Recht des Staats, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, wobei der gewöhnliche Arbeitsort nicht wechselt, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend in einem anderen Staat arbeitet. Eine vorübergehende Entsendung liegt dann vor, wenn vom Arbeitnehmer erwartet wird, dass er nach dem Auslandseinsatz seine Arbeit im Herkunftsstaat wieder aufnimmt. Feste Zeitobergrenzen bestehen hierfür nicht. Überwiegend wird aber ein Zeitraum von bis zu zwei Jahren noch als vorübergehend angesehen.
Meist gilt daher das deutsche Recht, und somit gelten auch die Voraussetzungen des allgemeinen Kündigungsschutzes. In diesem Fall muss der Arbeitgeber auch bei einer auf Pflichtverletzungen im Ausland beruhenden Kündigung die kündigungsschutzrechtlichen Regelungen berücksichtigen. Unter Umständen muss er sogar den Betriebsrat anhören, nämlich dann, wenn der Entsandte nach wie vor dem Inlandsbetrieb zuzuordnen ist. Ob ein solcher Inlandsbezug weiterhin besteht, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Dauer des Auslandseinsatzes, der Eingliederung in einen Auslandsbetrieb, dem Bestehen und den Voraussetzungen eines Rückrufrechts sowie dem sonstigen Inhalt der Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber muss die Kündigung wegen § 623 BGB außerdem schriftlich erklären und dem Arbeitnehmer im Original übermitteln. Telefax oder E-Mail reichen nicht, was im Ausland zum Problem werden könnte, insbesondere bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, die gemäß § 626 Abs. 2 BGB innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der Kündigungsgründe zugehen muss.

Kündigung im Zwei-Verträge-Modell

Erfolgt der Auslandseinsatz nach dem sogenannten Zwei-Verträge-Modell, bei dem der Arbeitsvertrag mit dem Stammhaus im Inland für die Zeit des Auslandseinsatzes ruht und mit dem Unternehmen im Ausland ein lokaler Arbeitsvertrag geschlossen wird, muss jedes Vertragsverhältnis gesondert nach den Vorschriften des jeweiligen Lands gekündigt werden. Da außerdem im Inland neben den ruhenden Arbeitsvertrag in aller Regel eine Stammhausvereinbarung tritt, muss aus einer Kündigungserklärung deutlich hervorgehen, welches Vertragsverhältnis gekündigt werden soll. Ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Ausland wirkt sich grundsätzlich nicht auf den im Inland ruhend gestellten, aber weiterhin bestehenden Arbeitsvertrag aus. Auch eine zur Kündigung des Auslandsarbeitsverhältnisses berechtigende Pflichtverletzung rechtfertigt daher in der Regel nicht die gleichzeitige Beendigung der Inlandsverträge. Nur ausnahmsweise, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers im Ausland auch das Inlandsarbeitsverhältnis konkret und erheblich beeinträchtigt und somit gleichzeitig als Verletzung dieses Arbeitsvertrags angesehen werden kann, rechtfertigt es unter Umständen auch eine Kündigung des Inlandsvertrags. Für diese Fälle hat das Bundesarbeitsgericht jedoch strenge Vorgaben aufgestellt. Ein solcher Ausnahmefall soll nur dann vorliegen, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers für den deutschen Arbeitgeber und die für den Arbeitgeber im Ausland in so engem Zusammenhang steht, dass die Pflichtverletzung auf das ruhende Arbeitsverhältnis durchschlägt.
Da ein Durchschlagen von Pflichtverletzungen auf ein ruhendes Arbeitsverhältnis anderenfalls nur in den wenigsten Fällen angenommen werden kann, enthalten viele Entsendungsvereinbarungen sogenannte Koppelungsklauseln. Danach soll eine Kündigung durch das Auslandsunternehmen zugleich die Kündigung des Inlandsvertrags bewirken. Bei diesen Klauseln ist jedoch Vorsicht geboten. Nach überwiegender Auffassung sind sie unwirksam, weil sie regelmäßig gegen die nur eingeschränkte Zulässigkeit auflösender Bedingungen gemäß §§ 21, 14 Abs. 1 TzBfG verstoßen. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn für die auflösende Bedingung ein sachlicher Grund im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG vorliegt. Die Beendigung des Auslandsvertrags aus vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen begründet jedoch keinen solchen Sachgrund, weil dadurch die Anforderungen an eine verhaltensbedingte Kündigung dieses ruhenden Arbeitsverhältnisses umgangen werden. Hat das Fehlverhalten keine Auswirkungen auf das Stammarbeitsverhältnis, stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer bei vorzeitiger Beendigung der Entsendung wegen Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Entsendungsland im Inland weiterbeschäftigt werden muss. Dafür spricht, dass der deutsche Arbeitsvertrag weiterhin besteht. Im ruhenden Arbeitsverhältnis ist aber weder der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer vor Ablauf der vereinbarten Ruhenszeit wieder zu beschäftigen, noch kann der Arbeitnehmer während dieser Zeit Vergütung beanspruchen. Zumindest dann, wenn das Auslandsarbeitsverhältnis aus im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers liegenden (verhaltens- oder personenbedingten) Gründen vorzeitig endete, dürfte also ein Anspruch auf vorzeitige Rückkehr an den früheren Arbeitsplatz oder zumindest die Zahlung von Vergütung nicht bestehen. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage existiert jedoch bisher nicht.

Rückruf durch den Arbeitgeber

Für ein Unternehmen ist ein Rückruf des Mitarbeiters ohne vorherige Vereinbarung nicht ohne Weiteres
möglich.

Möchte das Unternehmen die Auslandsentsendung vorzeitig beenden, weil es etwa die Arbeitskraft des entsandten Mitarbeiters benötigt, ist ein Rückruf ohne vorherige Vereinbarung nicht ohne Weiteres möglich. Der Arbeitnehmer hat sich und seine Lebensumstände in der Regel darauf eingerichtet, seine Arbeit im Ausland zu erbringen. Nicht selten ist die Entsendung mit einem Umzug der gesamten Familie verbunden. Eine vorzeitige Rückkehr wäre mit erheblichen Kosten, in vielen Fällen auch mit dem möglichen Wegfall zusätzlicher Vergütung verbunden. Ein Rückruf ist daher wie ein Widerruf wesentlicher Arbeitsbedingungen zu bewerten und bedarf sowohl im Ein-Vertrags-Modell als auch im Zwei-Verträge-Modell einer Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer. Oft sehen Entsendungsvereinbarungen daher ein vorzeitiges Rückrufrecht des Arbeitgebers vor. Derartige Vereinbarungen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam. Vor allem wegen des Transparenzgebots in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sollten die Gründe für einen möglichen Rückruf in der Klausel genannt werden, denn der Arbeitnehmer muss erkennen können, wann er mit einem Rückruf rechnen muss. Dies können zum Beispiel äußere Begebenheiten wie Naturkatastrophen oder politische Unruhen sein. Aber auch personenbedingte Gründe wie der Verlust der Aufenthaltserlaubnis oder betriebsbedingte Gründe wie der Wegfall der Arbeitsaufgabe im Ausland oder ein aus dringenden betrieblichen Gründen notwendiger Einsatz im Inland kommen in Betracht. Außerdem darf das Rückrufrecht nicht zu einem Vergütungsverlust von mehr als 25 Prozent führen. Letztlich muss die Ausübung des vereinbarten Rückrufrechts billigem Ermessen entsprechen, indem die Entscheidung des Arbeitgebers mit den Interessen des Arbeitnehmers abgewogen wird.

Rückkehrwunsch des Arbeitnehmers

Auch für den Arbeitnehmer gilt: Er darf die Entsendung grundsätzlich nicht aus eigenem Entschluss abbrechen.

Ebenso wie das entsendende Unternehmen Interesse an einer vorzeitigen Beendigung der Entsendung haben kann, sind auch Fälle denkbar, in denen der Wunsch des Arbeitnehmers nach einer vorzeitigen Rückkehr besteht, sei es aus familiären und damit persönlichen Gründen oder aber wegen einer Krisensituation im Entsendungsland. Auch für den Arbeitnehmer gilt: Er ist wie der Arbeitgeber an die vereinbarte Dauer der Auslandstätigkeit gebunden und darf die Entsendung grundsätzlich nicht aus eigenem Entschluss abbrechen. Auch ihm hilft daher letztlich nur ein vertraglich vereinbartes Rückkehrrecht. Ausnahmen dürften jedoch dann gelten, wenn es ihm aufgrund einer konkreten erheblichen Gefahr für Leib oder Leben oder aus schwerwiegenden persönlichen Gründen gemäß § 275 Abs. 3 BGB nicht zumutbar ist, länger im Ausland zu bleiben. Entscheidend sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls. Vor allem dann, wenn das Auswärtige Amt deutsche Staatsangehörige zum Verlassen des betreffenden Lands auffordert oder eine Reisewarnung ausspricht, darf und sollte der Arbeitnehmer in die Heimat zurückkehren, und zwar zumindest so lange, bis die konkrete Gefahr vorüber ist. Ein dauerhaftes Rückkehrrecht wird sich hieraus aber nur im Ausnahmefall ergeben können. An die Frage, ob der Arbeitnehmer ein vorzeitiges Rückkehrrecht haben kann, schließt sich die weitere Problematik an, ob er in diesem Fall sofort einen Anspruch auf Wiederbeschäftigung im Inlandsbetrieb oder zumindest Fortzahlung der Vergütung bis zum ursprünglich vereinbarten Ablauf der Entsendungszeit hat. Wird mit dem Arbeitnehmer bereits im Voraus für bestimmte Fälle ein vorzeitiges Rückkehrrecht vereinbart, ist es nicht unüblich und unbedingt ratsam, dass gleichzeitig eine Regelung zur Weiterbeschäftigung und Vergütung getroffen wird. Da bei einer vorzeitigen Rückkehr die ursprüngliche Stelle des Arbeitnehmers häufig nicht mehr oder noch nicht wieder frei ist, kann die Lösung des Problems in diesen Fällen in der Vereinbarung einer Re-Entry-Klausel liegen. Damit verpflichtet sich der Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer nach dessen Rückkehr eine Position im Inland anzubieten, die in der Regel der zuletzt ausgeübten Tätigkeit vor dem Auslandseinsatz entspricht oder zumindest gleichwertig ist. Fehlt eine solche Vereinbarung oder besteht auch die vereinbarte Alternativposition nicht, hat der Arbeitnehmer während des vorübergehenden Aufenthalts in der Heimat grundsätzlich keinen Beschäftigungs- und Vergütungsanspruch. Es sei denn, der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer zumindest im Ein-Vertrags-Modell nach der sogenannten Betriebsrisikolehre im Sinne von § 615 Satz 3 BGB vergüten, zum Beispiel weil das Betriebsgebäude des Arbeitgebers im Ausland zerstört wurde. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Gründen in die Heimat zurückkehren muss, verhält sich der Arbeitnehmer aber auch im Zwei-Verträge-Modell sicher nicht treuwidrig im Sinne von § 242 BGB, wenn er das ruhende Arbeitsverhältnis – jedenfalls bei endgültiger Rückkehr – vorzeitig aktivieren und die Arbeit im Inland wieder aufnehmen möchte.

Wer trägt die Kosten der Rückreise?

Sehen nicht bereits vertragliche Regelungen vor, dass der Arbeitgeber die durch den Auslandsaufenthalt entstehenden Mehraufwendungen trägt, hat er diese Kosten entsprechend § 670 BGB zu erstatten. Gleiches wird für die Kosten der vorzeitigen Rückreise beziehungsweise des Rückumzugs gelten, sofern der Arbeitgeber die Rückkehr veranlasst hat. Kehrt der Arbeitnehmer aus eigenem Entschluss vorzeitig zurück, muss der Arbeitgeber die Kosten der Rückreise und des Rückumzugs dann tragen, wenn die Entsendungsvereinbarung ein Rückkehrrecht des Arbeitnehmers für diesen Fall vorsieht. Auch dann ist aber eine zumindest klarstellende Regelung im Entsendungsvertrag ratsam. Haben die Parteien kein Rückkehrrecht vereinbart, kann der Arbeitnehmer zumindest auf etwaige Kostenerstattungsregelungen zur regelmäßigen Heimreise während der Zeit des Auslandsaufenthalts zurückgreifen, sofern das vereinbarte Kontingent noch nicht erschöpft ist.
Bei Eigenkündigungen ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu unzulässigen Kündigungserschwerungen zumindest eine teilweise Kostenbeteiligung des Arbeitgebers denkbar.Denn wenn die Rückreisekosten aufgrund der Entfernung zum Heimatland sehr hoch sind, könnte dies den Arbeitnehmer von einer Kündigung abhalten und deshalb seine Berufswahlfreiheit einschränken. Ob dies aber tatsächlich auch für Entsendungen gilt, haben die Arbeitsgerichte noch nicht entschieden. Jedenfalls dürfte eine Vereinbarung, die den Arbeitnehmer bei betriebsbedingter Kündigung zur Kostentragung verpflichtet, unwirksam sein. Im Falle einer wirksamen verhaltens- oder personenbedingten Kündigung wird der Arbeitnehmer für die Rückreisekosten aber wohl selbst aufkommen müssen.

Fazit

Die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland wirft eine Reihe von Fragen auf, die die Rechtsprechung bislang kaum beantwortet hat. Eine reibungslose Entsendung setzt daher eine sorgfältige Vertragsgestaltung voraus, die in jedem Fall auch Vereinbarungen zur vorzeitigen Beendigung der Entsendung und zu einem etwaigen Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im Stammunternehmen beinhalten sollte. Ebenso wichtig sind klare Regelungen zur Kostenverteilung, insbesondere zu der Frage, wer die Reise- und Umzugskosten ins Ausland und zurück in die Heimat trägt, denn vor allem der Transport des Hausstands kann teuer werden.

Zur Autorin

Kati Kunze

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht; ­Partnerin bei Steinkühler – Kanzlei für Arbeits- und Gesellschaftsrecht – Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Berlin

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