Gerichtszuständigkeit - 16. Februar 2016

Wohin des Wegs?

Darf oder muss der Geschäfts­führer einer GmbH bei Strei­tig­keiten um sein Dienst­ver­hältnis vor dem Ar­beits­gericht klagen? Nach den jüngsten Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ar­beits­gerichts kann er in bestimmten Fällen.

Attraktiver, weil aufgrund des Beschleunigungsgrundsatzes und des vorgeschalteten Güte­ver­fahrens in der Regel nicht nur effektiver, sondern häufig auch kostengünstiger, ist der Weg zum Arbeitsgericht. Es muss kein Gerichtskostenvorschuss geleistet werden, die Gerichtskosten fallen ohnehin geringer aus, und in erster Instanz müssen die gegnerischen Rechtsanwaltskosten auch im Falle des Unterliegens nicht erstattet werden. Die bisherige Rechtsprechung zur Zuständigkeit bei Klagen von Organen ist jedoch leider nicht frei von Widersprüchen und war bisher für die Beteiligten kaum rechtssicher prognostizierbar. Etwas mehr Rechtsklarheit hat das Bundes­arbeits­gericht (BAG) mit drei Entscheidungen vom 22. Oktober 2014, 3. Dezember 2014 sowie vom 8. September 2015 geschaffen.

Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG

Sinn der Regelung ist, dass Organmitglieder keinen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht führen sollen.

Ausgangspunkt sind § 2 Abs. 1 Ziff. 3 Ar­beits­ge­richts­gesetz (ArbGG), wonach die Zu­ständig­keit der Ar­beits­ge­richte nur auf Rechts­strei­tig­keiten zwischen Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­gebern be­schränkt ist, und § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, der be­stimmt, dass Or­gan­mit­glieder ju­ris­tischer Per­sonen nicht als Ar­beit­nehmer gelten. Zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft bestehen zwei Rechtsverhältnisse: Die Bestellung zum Geschäftsführer begründet ein sogenanntes gesellschaftsrechtliches Organverhältnis als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft. Unabhängig davon besteht daneben der Dienstvertrag, der insbesondere regelt, welche Gegenleistung der Geschäftsführer für seine Tätigkeit erhält. Nach herrschender Meinung ist dieses Dienstverhältnis grundsätzlich nicht als Arbeitsverhältnis anzusehen. Nur ganz aus­nahms­weise kann das der Fall sein, wenn ein Geschäftsführer im Verhältnis zu den Ge­sell­schaftern der GmbH so strengen Weisungen und Beschränkungen unterliegt wie sonst nur ein Arbeitnehmer.
Danach scheint die Frage der Zuständigkeit des Rechtswegs schnell geklärt: Die Arbeitsgerichte sind für Streitigkeiten zwischen Geschäftsführern und der von ihnen vertretenen Gesellschaft grundsätzlich nicht zuständig. Ganz so einfach lässt sich die Frage aber dennoch nicht beantworten.
Aufgrund der strengen Trennung zwischen Organ- und Dienstverhältnis sind auch Fälle denkbar, in denen der Geschäftsführer durch Abberufung oder Amtsniederlegung seine Organstellung verliert, sein Dienstvertrag aber möglicherweise noch fortbesteht, etwa weil er nicht vor Ablauf einer bestimmten Frist beendet werden kann. Nicht selten sind auch Konstellationen, in denen neben dem Anstellungsverhältnis als Geschäftsführer noch ein früheres Arbeitsverhältnis zunächst ruhend weiterhin besteht und sich somit die Frage stellt, ob dieses wieder aufleben soll, wenn der Dienstvertrag beziehungsweise das Amt als Geschäftsführer enden. Letztlich müssen auch die Fälle berücksichtigt werden, in denen der Dienstvertrag des Geschäftsführers trotz dessen Organstellung aufgrund strenger Weisungsgebundenheit ganz ausnahmsweise wie ein Arbeitsvertrag zu behandeln ist.
All diese Fälle sind häufig Ausgangspunkt für die Streitfrage, ob der Geschäftsführer sich ausnahmsweise doch auf die gleichen Rechte wie ein Arbeitnehmer berufen kann (zum Beispiel auf die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes) und ob in diesen Fällen die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte begründet werden kann. Dennoch spielten diese verschiedenen Konstellationen nach der bisherigen Rechtsprechung für die Zuständigkeit des Rechtswegs keine Rolle. In all diesen Fällen bleibt es bei der Grundaussage des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, wonach Organ­mit­glieder nicht als Arbeitnehmer gelten und daher für deren Rechtsstreitigkeiten die Arbeitsgerichte nicht zuständig sind. Sinn der Regelung ist, dass Organmitglieder keinen Rechtsstreit im Arbeitgeberlager vor dem Arbeitsgericht führen sollen. Der Geschäftsführer muss in diesen Fällen den in der Regel langwierigeren und gegebenenfalls teureren Weg über die ordentlichen Gerichte, meist die Kammer für Handelssachen beim Landgericht, gehen.

Wieder auflebende Arbeitsverhältnisse

Anders liegt der Fall jedoch dann, wenn nach der Abberufung vom Geschäftsführeramt ein nicht gekündigtes früheres Ar­beitsverhältnis (wieder) auflebt. In diesen Fällen ist der Weg zu den Ar­beits­ge­richten für An­sprüche aus und um dieses Ar­beits­ver­hält­nis er­öff­net. Zwar gilt bei Ab­schluss eines schrift­lichen Ge­schäfts­führer-Dienst­ver­trags im Zweifel ein zuvor zwischen dem zu­künf­tigen Ge­schäfts­führer und der Ge­sell­schaft be­stehendes Ar­beits­ver­hältnis als auf­ge­hoben. Zwingend ist das aber nicht. So kann die Bestellung zum Geschäftsführer auch auf einem Arbeitsvertrag beruhen. Ebenso kann der Arbeitsvertrag bestehen bleiben, wenn nämlich kein neuer schriftlicher Geschäftsführer-Dienstvertrag abgeschlossen wird. Hintergrund ist, dass gemäß § 623 BGB jeglicher Dienstvertrag nur durch eine schriftliche Erklärung beendet werden kann. Wird ein neuer schriftlicher Geschäftsführer-Dienstvertrag geschlossen, geht die Rechtsprechung davon aus, dass dem gesetzlichen Schriftformgebot damit Genüge getan ist und mit dem neuen Vertrag gleichzeitig das frühere Arbeitsverhältnis aufgehoben wird. Versäumen die Parteien aber den Abschluss dieser schriftlichen Regelung, kann das Arbeitsverhältnis durch die Ge­schäfts­füh­rer­be­stellung nicht beendet werden. Es ruht während des Amts als Ge­schäfts­führer und kann nach dessen Beendigung wieder aufleben. Nach seiner Abberufung kann der Ge­schäfts­führer daher Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag grundsätzlich vor dem Arbeitsgericht geltend machen. Voraussetzung dafür war bisher aber, dass die Abberufung bereits zum Zeitpunkt der Kündigung des Geschäftsführer-Dienstvertrags erfolgt war. An dieser zeitlichen Einschränkung hält das BAG nicht mehr fest. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten kann nun auch für einen bei Ausspruch der Kündigung und sogar bei Klageerhebung noch bestellten Geschäftsführer eröffnet sein, sofern er jedenfalls noch vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit abberufen wird beziehungsweise sein Amt niederlegt (BAG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 10 AZB 46/14, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 10 AZB 98/14). Klargestellt hat das BAG damit nunmehr auch, dass die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts nicht nur dann begründet wird, wenn das Amt durch Abberufung seitens der Gesellschaft endet, sondern auch im Fall der Amtsniederlegung des Geschäftsführers.

Klagen aus einem Geschäftsführer-Dienstvertrag

Aber auch für die Fälle, in denen neben dem Geschäftsführer-Dienstvertrag kein ruhendes Arbeitsverhältnis besteht, hat das BAG mit seiner neuen Rechtsprechung erleichterte Zugangsvoraussetzungen zu den Arbeitsgerichten geschaffen: Zwar bleibt es dabei, dass Geschäftsführer-Dienst­ver­hält­nisse grundsätzlich – auch nach Abberufung vom Amt – nicht als Arbeitsverhältnis gelten, sondern dies nur ganz ausnahmsweise der Fall sein kann. Auch sagt die Entscheidung der Frage, ob sich ein Arbeitsgericht mit einem Rechtsstreit befassen muss, noch nichts darüber aus, ob es das Vertragsverhältnis tatsächlich als Arbeitsverhältnis ansieht. Zumindest für die Begründung der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte reicht es aber nunmehr bereits aus, wenn der Geschäftsführer noch vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit abberufen wird oder sein Amt niederlegt und in einem Kündi­gungs­schutz­ver­fahren gleichzeitig mit der Klageschrift das Bestehen eines Ar­beits­ver­hält­nisses be­hauptet. Mit seiner jüngsten Entscheidung vom 8. September 2015 führt das BAG seine Rechtsprechung fort, lässt aber offen, ob die bloße Behauptung der Ar­beit­neh­mer­eigen­schaft auch dann genügt, wenn sich der Geschäftsführer nicht auf den Kündigungsschutz beruft, sondern beispielsweise einen Zahlungsanspruch geltend macht (BAG, Beschluss vom 8. September 2015 – 9 AZB 21/15). In solchen Fällen sollte der Geschäftsführer daher auch weiterhin seine Arbeitnehmereigenschaft nicht nur behaupten, sondern auch beweisen können.

Fazit und Ausblick

Nach dieser neuen Rechtsprechung hängt der Rechtsweg nunmehr nicht mehr vom zufälligen Datum des Verlusts der Organstellung ab, was die Feststellung des Rechtswegs in der Praxis nicht nur erleichtert, sondern auch gespaltene Rechtswegzuständigkeiten verhindert. Sie hat aber auch zur Konsequenz, dass der Geschäftsführer im Ergebnis durch seine Amtsniederlegung und die Behauptung, sein Vertragsverhältnis sei als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren, die Voraussetzungen für die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte selbst schaffen kann. Eine andere Frage ist, ob sich der Geschäftsführer damit einen Gefallen tut, denn mit der Amtsniederlegung erlischt unter Umständen auch sein Vergütungsanspruch. Sinnvoll kann dieser Weg für ihn allerdings sein, wenn die Gesellschaft zwar das mit ihm bestehende Vertragsverhältnis kündigt, aber auf eine Abberufung noch verzichtet, um dadurch die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes zu verhindern. Dem kann der Geschäftsführer nun durch eine Amtsniederlegung entgegensteuern.
Da die drei neuen Entscheidungen nur die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte betreffen, hat das BAG damit freilich keine Aussage über den materiellen Status von Geschäftsführer-Dienstverhältnissen getroffen. Die Frage, ob es dabei bleibt, dass diese wie bisher grundsätzlich nicht als Arbeitsverhältnisse anzusehen sind mit den entsprechenden Konsequenzen für Geschäftsführer, wie etwa der Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), ist also weiter offen.
Ob das BAG beabsichtigt, auch in dieser Frage seine bisherige Rechtsprechung zu ändern, bleibt abzuwarten. Anlass dafür könnte die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bieten, der – für das Unionsrecht – den Arbeitnehmerschutz sukzessive auf den (Fremd-)Geschäftsführer auszuweiten scheint. Zu denken ist hierbei nur an die sogenannte Danosa-Entscheidung des EuGH vom 11. November 2010, wonach auch für Geschäftsführer die besonderen Schutzvorschriften für Mütter gelten sollen, oder die jüngste Entscheidung des EuGH vom 9. Juli 2015 in der Sache Balkaya. In dieser Entscheidung meint der EuGH, dass ein Fremdgeschäftsführer bei der Ermittlung der Schwellenwerte für eine Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG als Arbeitnehmer im unionsrechtlichen Sinne mitzuzählen sei. Zwar gilt die Rechtsprechung des EuGH nur für den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff bei der Auslegung der jeweiligen Europäischen Richtlinien. Dennoch lässt diese Rechtsprechung einen Trend erkennen, nach dem der Geschäftsführer dem Arbeitnehmerstatus näher zu rücken scheint.

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Zum Autor

Bernhard Steinkühler

Rechtsanwalt und Fach­an­walt für Arbeits­recht. Er ist Partner der Kanzlei Stein­kühler – Kanzlei für Arbeits- und Ge­sell­schafts­recht Part­GmbB in Berlin. Er berät deutsche und in­ter­na­tio­nale Unter­nehmen sowie Füh­rungs­kräfte in allen ar­beits­recht­lichen Fragen, auch mit Bezug zum Ge­sell­schaftsrecht.

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