Neues Insolvenz­recht - 16. Februar 2016

Sanierungen gestalten

Seit der Gesetzesreform bieten Eigen­ver­wal­tung und Schutz­schirm­ver­fahren spür­bare Vor­teile auf dem Weg der Ge­sun­dung. Be­ra­tungs­be­darf besteht aller­dings bei der Aus­ar­bei­tung von In­sol­venz­plänen. Steuer­be­rater und Wirt­schafts­prüfer sind prä­des­ti­niert dafür, solche Ver­fahren zu begleiten.

Seit dem 1. Januar 2013 ist das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unter­nehmen (ESUG) in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, Deutschland als Sanierungsstandort für Unternehmen attraktiver zu machen. Obwohl der Gesetzgeber vor allem die großen Insolvenzen im Blick hatte, folgen aus den Neuregelungen erhebliche Vorteile auch für die Sanierung von mittelständischen Unternehmen. Die bislang wenig verwendeten Verfahrensvarianten Eigen­ver­wal­tung und Insolvenzplanverfahren wurden deutlich sa­nie­rungs­freund­licher aus­ge­stal­tet. Die Gläubiger erhalten mehr Einflussmöglichkeiten. Mit der Möglichkeit, die Sanierung im In­sol­venz­ver­fahren besser zu planen, geht erhöhter Beratungsbedarf bei Schuldnern und Gläubigern einher. Das betrifft Rechtsberater genauso wie Unternehmens- oder Steuerberater. Insbesondere Steuerberater von kriselnden Unternehmen werden zwangsläufig mit dem neuen Sanierungsrecht in Berührung kommen, sei es, weil die Mandanten von den Änderungen gehört haben und nachfragen oder weil die Steuerberater die neuen Sa­nie­rungs­mög­lich­keiten aktiv nutzen. Die Gläubigerautonomie hat der Gesetzgeber mit der Einführung des ESUG besonders stärken wollen. Danach sollen Gläubiger über die Form und die Art der Masseverwertung sowie den Gang des Verfahrens entscheiden können.

Vorschlagsrecht für Wunschverwalter

Hierzu hat der Gesetzgeber mit der Möglichkeit, einen nicht ortsgebundenen Wunschverwalter vorzuschlagen, die Eigenverwaltung zu beantragen sowie einen vorläufigen Gläubigerausschuss bilden zu können, Fakten geschaffen. Durch die Möglichkeit, auf Basis des ESUG einen Wunsch­ver­walter auszuwählen, wurde das Gefüge der regelmäßig bestellten, alt­ein­ge­ses­se­nen In­sol­venz­ver­walter erheblich aufgemischt. In der Zeit vor Inkrafttreten des ESUG kam es nicht selten vor, dass einzelne Gerichte einen kleinen ausgewählten Kreis an Insolvenzverwaltern mit den an ihrem Gericht zu verteilenden Insolvenzverfahren bedachten. Insbesondere für jüngere, sa­nie­rungs­freund­liche Insolvenzverwalter war es teilweise unmöglich, an einzelnen Gerichten Verfahren zu erhalten, wenn sie dort nicht gelistet waren. Durch das ESUG ist diese Hürde weg­ge­fallen. Sobald ein Schuldner oder Gläubiger anregt, einen bestimmten nicht orts­ge­bun­de­nen Verwalter zu bestellen, kann ein Gericht diesen nicht mehr ohne Weiteres ablehnen, sondern braucht hierzu triftige Gründe.

Antrag auf Eigenverwaltung

Durch das ESUG soll insbesondere die Eigenverwaltung gestärkt werden. In der Vergangenheit wurde im Insolvenzverfahren typischerweise ein Insolvenzverwalter bestellt, der von da an die Geschicke des Unternehmens in die Hand nahm. Es gab allerdings auch die (bislang eher theo­re­tische) Möglichkeit, dass der Schuldner selbst die Verwaltung übernimmt (Eigenverwaltung, §§ 270 ff. Insolvenzordnung (InsO) a.F.). Viele Gläubiger waren dieser Verfahrensvariante ge­ge­nüber allerdings ablehnend eingestellt. Man traute dem Schuldner nicht zu, dass er die Gläu­bi­ger­be­frie­di­gung besser bewerkstelligen könnte als ein unvoreingenommener, pro­fes­sio­nel­ler In­sol­venz­ver­walter. Unberücksichtigt blieb dabei meist, dass die Eigenverwaltung schon insoweit vorteilhaft gegenüber der Fremdverwaltung durch einen Insolvenzverwalter ist, als das Know-how des Schuldners und persönliche Kontakte, die eine Sanierung eventuell überhaupt erst ermöglichen, weiterhin genutzt werden können. Im Mittelstand sind diese Kriterien oftmals überaus wichtig. Außerdem wurde zuweilen übersehen, dass dem Schuldner zur Absicherung der Gläu­bi­ger­in­te­res­sen ein Sachwalter an die Seite gestellt wird, der die Geschäftsführung überwacht und Ein­spruchs­mög­lich­keiten hat (§§ 275 Abs. 1 Satz 2, 281 Abs. 1 Satz 2 InsO). Außerdem: Ein Schuldner, der auch im Insolvenzverfahren weiterhin Herr über sein Unternehmen sein darf, wird im Vorfeld eher bereit sein, (rechtzeitig) den Insolvenzantrag zu stellen, zu einem Zeitpunkt, in dem noch nicht alle Sanierungschancen dahin sind. Durch den neu eingeführten § 270 Abs. 2 InsO n.F. setzt die Eigenverwaltung nunmehr voraus, dass sie erstens vom Schuldner beantragt worden ist und zweitens keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen der Gläubiger führen wird. Entgegen dem ursprünglichen Wortlaut des § 270 InsO a.F. ist eine Zustimmung der Gläubiger zu der Eigenverwaltung nicht mehr erforderlich. Nunmehr erhalten die Gläubiger eine Einflussmöglichkeit über den vorläufigen Gläubigerausschuss gemäß § 22a InsO. In der Praxis ist zu beobachten, dass Anträge auf Eigenverwaltung seitdem deutlich häufiger gestellt werden, während sie vor Einführung des ESUG eher ein Schattendasein führte.

Vorläufiger Gläubigerausschuss

Aufgrund des neu eingeführten § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO kann das Gericht bereits un­mit­tel­bar nach Antragstellung einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, um den (zunächst) vorläufigen Insolvenzverwalter auszuwählen, aber auch den vorläufigen In­sol­venz­ver­wal­ter zu unterstützen und zu überwachen. Das Gesetz regelt vier Fälle zur Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses: der zwingende Ausschuss (§ 22a Abs. 1 InsO), der Soll-Ausschuss auf Antrag (§ 22a Abs. 2 InsO), der Kann-Ausschuss nach Ermessen des Gerichts (§ 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO) und die Einsetzungssperre (§ 22a Abs. 3 InsO). Die Einsetzungspflicht setzt voraus, dass eine mittelgroße Kapitalgesellschaft mit den Größenklassen nach § 267 HGB erreicht wird. Das ist selten. Von der Kann-Einsetzung machen die Gerichte in etwa in gleichem Maße wie früher Gebrauch, also ebenfalls selten; typischerweise nach Anregung durch den (vorläufigen) In­sol­venz­ver­walter. In der Praxis von größter Bedeutung ist der Soll-Ausschuss. Das Gericht soll nach § 22a Abs. 2 InsO auf Antrag des Schuldners, des vorläufigen Insolvenzverwalters oder eines Gläubigers einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, wenn Personen benannt werden, die als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses in Betracht kommen, und dem Antrag Einverständniserklärungen der benannten Personen beigefügt werden.

Schutzschirmverfahren

Eine völlig neue Sanierungserleichterung bietet die InsO mit dem sogenannten Schutz­schirm­verfahren.

Eine völlig neue Sanierungserleichterung sieht die Insolvenzordnung nach dem ESUG in § 270b InsO mit dem sogenannten Schutzschirmverfahren vor. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Art des In­sol­venz­er­öff­nungs­ver­fahrens, in welchem dem Schuld­ner ver­schie­dene Pri­vi­le­gien zu­kommen: Der Schuld­ner kann sich über einen An­trag dem Zu­griff der Gläu­bi­ger ent­zie­hen, indem das Gericht nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO Maß­nah­men der Zwangs­voll­strec­kung gegen den Schuld­ner un­ter­sagt oder einst­wei­len ein­stellt (§ 270b Abs. 2 Satz 3 InsO). Ferner kann sich der Schuldner mit der Kompetenz ausstatten lassen, Masse­ver­bind­lich­keiten begründen zu können (§ 270b Abs. 3 InsO). Und schließlich hat er das Recht, einen ihm genehmen Sachwalter vorzuschlagen, der vom Gericht eingesetzt werden muss, wenn er nicht im Sinne des § 56 Abs. 1 InsO „offensichtlich ungeeignet“ ist (§ 270b Abs. 2 Satz 2 InsO).
Das Schutzschirmverfahren hat der Gesetzgeber geschaffen, um dem Schuldner Zeit zu verschaffen, damit dieser innerhalb der vorgegebenen Frist ein Sanierungskonzept erarbeiten kann. Der Schuldner wird bei entsprechender Anordnung für die Zeit des Schutzschirms dem Zugriff seiner Gläubiger durch Vollstreckungsmaßnahmen entzogen, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen. Erstens muss drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (nicht jedoch Zahlungsunfähigkeit) vorliegen. Zweitens bedarf es einer nicht offensichtlichen Aussichtslosigkeit der Sanierung. Über das Vorliegen dieser zwei genannten Voraussetzungen hat der Schuldner die (Schutzschirm-)Bescheinigung eines erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen. Darüber hinaus hat der Schuldner gemäß § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO einen Antrag auf Bestimmung einer Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und einen Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung einzureichen. Das Schutzschirmverfahren erfreut sich aktuell einiger Beliebtheit bei Schuldnern, da diesen dadurch Luft zu verschaffen ist, ohne die Belastung der Besuche des Gerichtsvollziehers. Sicherlich noch standardisiert werden müssen die Schutzschirmbescheinigungen. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass es dort noch kein einheitliches Anforderungsprofil gibt, sodass es gelegentlich auch zu unzulässigen Schutz­schirm­be­schei­ni­gungen gekommen ist. Dies ist insbesondere auf die fehlende Kon­kre­ti­sie­rung des Ge­setz­ge­bers in Bezug auf den Umfang einer solchen Bescheinigung zurückzuführen.

Reform des Insolvenzplanverfahrens

Durch das ESUG wurde zudem das Insolvenzplanverfahren reformiert. Insolvenzpläne sind ein probates Mittel, um Sanierungen in der Insolvenz geordnet anzugehen. Mithilfe eines In­sol­venz­plans können insbesondere die Sanierungsbeiträge der Beteiligten festgelegt, Um­struk­tu­rie­rungs­maß­nahmen beschlossen und kann die Befriedigung der Gläubiger geregelt werden. An der Ausarbeitung von Insolvenzplänen sind typischerweise mehrere Berater beteiligt; oftmals erfolgt die Ausarbeitung schon vor der Antragstellung. Bislang galt das In­sol­venz­plan­ver­fahren als sehr aufwendig und störanfällig. Mit dem ESUG wurde es praxis­taug­licher gemacht. Die Änderungen durch das ESUG setzen – grob betrachtet – an zwei Punkten an: Für den gestaltenden Teil des Plans sind nunmehr Eingriffsmöglichkeiten in die Rechte der Anteilseigner und neue Planziele (zum Beispiel nur ein sogenannter ver­fah­rens­lei­ten­der Plan) vorgesehen.Außerdem wurde der technische Verfahrensablauf weniger störanfällig gestaltet. Im gestaltenden Teil des Plans können nun nicht nur Eingriffe in die Rechte der Gläubiger, sondern auch Eingriffe in die Rechte der Anteilseigner vorgesehen werden (§ 225a InsO). Dass das Insolvenzrecht bislang keine Sonderregelungen vorsah, die es ermöglichten, in die Rechte der Anteilseigner einzugreifen, wurde als ein wesentlicher Missstand des deutschen Planverfahrens ausgemacht. So war der sogenannte Debt Equity Swap, also die Umwandlung einer Forderung eines Gläubigers in Anteilsrechte, bislang nur möglich, sofern die Anteilseigner einer dafür not­wen­digen Ka­pi­tal­maß­nahme zustimmten. Dieses Sanierungsinstrument fand daher in der Praxis kaum Anwendung. Der Debt Equity Swap ist vor allem dann sinnvoll, wenn der swappende Gläubiger noch nach dem Verfahrensende von der Unternehmensentwicklung profitieren möchte. Das schon früher bestehende Problem, die Forderung gegen das insolvente Unternehmen zutreffend zu bewerten, besteht zwar auch noch nach neuem Recht. Die daraus resultierenden Risiken wurden indes entschärft, indem § 254 Abs. 4 InsO nunmehr Ansprüche wegen Überbewertung ausschließt. Die Störanfälligkeit des Verfahrens wird vor allem dadurch beseitigt, dass sich Gläubiger nunmehr erheblich erschwert gegen das Zustandekommen des Plans zur Wehr setzen können (s. §§ 251 Abs. 3 InsO, 253 Abs. 4 InsO).

Fazit

Mit dem ESUG wurden verschiedene Anregungen aus der Praxis aufgegriffen, um das deutsche Insolvenzrecht sanierungsfreundlicher zu gestalten. Es ist zu beobachten, dass die mit dem Gesetz einhergehenden Chancen in der Praxis auch zunehmend genutzt werden. Insbesondere die Verfahrensvariante der Eigenverwaltung ist förderungswürdig; sie setzt allerdings eine gute Vorbereitung und Kommunikation mit den Gläubigern voraus. Das gilt vor allem, wenn der Schuldner zugleich das Schutzschirmverfahren beantragt. Beratungsbedarf besteht insbesondere bei der Ausarbeitung von Insolvenzplänen. Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind prädestiniert dafür, solche Verfahren zu begleiten. Es ist naheliegend, den Planersteller auch als In­sol­venz­ver­wal­ter beziehungsweise Sachwalter einzusetzen. Dies wird dadurch erleichtert, dass die Gläubiger und im Schutzschirmverfahren auch der Schuldner ein bindendes Vorschlagsrecht haben. Die Sanierungsbranche wird durch das ESUG an vielen Stellen erhebliche Änderungen zu spüren bekommen.

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Zu den Autoren

JH
Jieyao Hu-Windheim

Rechtsanwältin bei der Römermann Rechtsanwälte AG, Hamburg/ Hannover/ Berlin

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Prof. Dr. Volker Römermann

Rechtsanwalt und Fachanwalt sowohl für Handels- und Gesellschaftsrecht wie auch für Arbeitsrecht und Insolvenzrecht. Er ist zudem Vorstand der Römermann Rechtsanwälte Aktiengesellschaft in Hamburg/ Hannover/ Berlin sowie Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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