Frühzeitige Ver­mö­gens­über­tra­gung - 28. Januar 2016

Anfechtungen vermeiden

Der Vermögensschutz kann wie ein Kar­ten­haus zu­sam­men­brechen, wenn zeit­liche Aspekte nicht be­achtet wurden. Wie man sich davor recht­zeitig schützt, weiß Rechts­an­walt Uwe Martens aus Frankfurt am Main.

DATEV magazin: Warum halten die Konstruktionen und Strategien beim Vermögensschutz nur stand, wenn die Pläne und Umsetzungen zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem noch keinerlei Krisenzeichen ersichtlich sind?

Uwe Martens: Wer gegen einen anderen Ansprüche hat, darf über Vermögensumschichtungen und Vermögensbelastungen nicht unrechtmäßig benachteiligt werden. Ahnt jemand, dass ihm Ungemach droht, kann es quasi zu panischen Reflexhandlungen kommen, und Geld verschwindet auf dubiose Weise. Besser ist es, das Geld geplant, vorausschauend und zugriffssicher, also unpfändbar, anlegen zu lassen.

Es ist auch persönlich höchst gefährlich, Geld und Vermögen in der Krise zu verschieben.

DATEV magazin: Wie realisiert sich das Gefahrenpotenzial aufgrund zu später Reaktionen beim Vermögensschutz?

Uwe Martens: Es ist nicht allzu schwer, die verschobenen Gelder zivilrechtlich wieder zurückzuholen. Es ist aber auch persönlich höchst gefährlich, Geld und Vermögen in der Krise zu verschieben. Denn etliche Straftatbestände – von der Gläubigerbenachteiligung über den Betrug bis hin zur Vereitelung der Zwangsvollstreckung – sanktionieren ein solches Verhalten drastisch. Gerade weil professionelle Asset Protection höchst komplex ist, wird nach der Logik der Strafgesetze ein gehöriges Maß an krimineller Energie unterstellt, wenn die Planung und Umsetzung erst zu spät in der Krise erfolgen. Nur wirklich frühes, sehr frühes Handeln schützt die Vermögensabsicherung vor Angriffen sowohl zivil- als auch strafrechtlicher Art.

DATEV magazin: Später hilft also nur noch der Abwehrversuch der Ansprüche selbst?

Uwe Martens: Jeder wirksame Vermögensschutz verlangt, dass nach Eintritt einer Haftungslage, dem Vorliegen einer Unternehmenskrise oder beim Bestand von erkennbaren Ansprüchen eines Gläubigers, etwa wegen Trennung, Scheidung, Unfall, Anwaltsschreiben, Mahnbescheid oder Klageandrohung, keinerlei Schritte mehr zur Vermögensabsicherung vorgenommen werden. Dann ist jedes juristische Gestalten zu spät. Asset Protection verliert zu diesem Zeitpunkt ihre Schutzwirkung. Denn alle Handlungen, die in kritischen Zeiträumen vorgenommen werden, sind anfechtbar, können also wieder rückgängig gemacht werden.

DATEV magazin: Warum werden die Anfechtungsmöglichkeiten von Vermögenden, Unternehmern oder Firmenpatriarchen immer wieder unterschätzt?

Uwe Martens: Unsere Gesetze bieten Gläubigern einen durchaus komfortablen Schutz. Sie räumen ihnen Rechte ein, die manchen Trickser in der Krise überraschen und staunend mit leeren Händen zurücklassen. Grundlage von Anfechtungen können das Anfechtungsgesetz selbst oder die Insolvenzordnung sein.

DATEV magazin: Wie unterscheiden sich diese beiden Anfechtungsgrundlagen?

Uwe Martens: Während die Anfechtung nach der Insolvenzordnung stets eine Insolvenz der Person oder der Firma voraussetzt, können die Anfechtungserklärungen nach dem Anfechtungsgesetz unabhängig von der Frage der Insolvenz abgegeben werden. Das Tückische bei einer Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz ist, dass hier jeder Gläubiger berechtigt ist, der ein vollstreckbares Gerichtsurteil erlangt hat, aber trotz Fälligkeit noch keine vollständige Befriedigung erzielen konnte. Eine Insolvenz muss dagegen nicht vorliegen.

DATEV magazin: Welche Rechtsfolgen zieht eine Anfechtung nach sich?

Uwe Martens: Mit der Anfechtung werden vorgenommene Rechtshandlungen dadurch rückgängig gemacht, dass die Rechtsgeschäfte von Anfang an für nichtig erklärt werden (Ex-tunc-Wirkung). Ein übertragenes Haus muss zurückgegeben werden, Verkäufe werden rückabgewickelt und Verschiebungen von Geld ins Ausland zurückgeholt. Obgleich die Insolvenzordnung und das Anfechtungsgesetz eine unterschiedliche Zielsetzung haben, fallen die Anfechtungstatbestände nahezu identisch aus.

DATEV magazin: Aber bei den Fristwirkungen bestehen doch Unterschiede?

Uwe Martens: Richtig. Die Fristen der Anfechtungsmöglichkeiten nach dem Anfechtungsgesetz sind echte Ausschlussfristen, während die Fristen in den Anfechtungstatbeständen der Insolvenzordnung reine Verjährungseinreden sind. Bei allen Anfechtungen muss eine Rechtshandlung, zum Teil genügt auch ein Unterlassen, vorliegen, die dann zu einer objektiven Benachteiligung des Gläubigers samt Vollstreckungsvereitelung geführt hat.

DATEV magazin: Es gibt allgemeine und besondere Anfechtungstatbestände. Welche sind das?

Uwe Martens: Zu den allgemeinen Anfechtungsmöglichkeiten zählen die Vorsatzanfechtung, Entgeltlichkeitsanfechtung, Schenkungsanfechtung und Darlehensanfechtung. Daneben bestehen wenige besondere Anfechtungstatbestände.

DATEV magazin: Was versteht man unter einer Vorsatzanfechtung?

Uwe Martens: Die Vorsatzanfechtung hat wenig mit dem strafrechtlichen Vorsatz zu tun. Der Schuldner muss die Schädigung des Gläubigers nicht wollen, es genügt vielmehr, dass er die Schädigung des Gläubigers für möglich gehalten oder billigend in Kauf genommen hat. Jede darauf basierende Rechtshandlung ist in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung angreifbar. Gerade das beliebige Hin und Her unter Familienangehörigen, das nicht selten ist, kann über die Vorsatzanfechtung leicht gestoppt beziehungsweise rückgängig gemacht werden. Einfach mal was in der Familie übertragen oder verschenken kann sich vor dem Hintergrund der zehnjährigen Vorsatzanfechtung als fataler Fehler erweisen. Die Gerichte unterstellen aufgrund der gesetzlich bestehenden Beweiserleichterung regelmäßig, dass Familienangehörige die prekäre Situation des Schuldners kannten. Anfechtbar sind also bereits Rechtshandlungen, durch die ein Vermögensgegenstand zwar zum angemessenen Preis veräußert wurde, das Geld aber nicht mehr zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung steht, weil es beispielsweise ins Ausland verbracht wurde. Am sichersten fährt man also, wenn zum Zeitpunkt der Rechtshandlung beziehungsweise Vermögensübertragung keine Gläubiger vorhanden sind.

DATEV magazin: Wie unterscheiden sich Entgeltlichkeits- und Schenkungsanfechtung?

Uwe Martens: Die Entgeltlichkeitsanfechtung greift ein, wenn in den letzten zwei Jahren vor der Anfechtungserklärung unter nahestehenden Personen ein entgeltlicher Vertrag geschlossen wird und dadurch Gläubiger benachteiligt werden. Demgegenüber spielt die Schenkungsanfechtung ebenso wie die Vorsatzanfechtung bei den Vermögensschutzfragen eine zentrale Rolle. Danach ist jede Schenkung anfechtbar, die in den letzten vier Jahren vor der Anfechtung von dem Schuldner geleistet wurde. Als Schenkung in diesem Sinne werden alle unentgeltlichen Verfügungen angesehen. Nur wenn wirklich Geld fließt, ist die Unentgeltlichkeit ausgeschlossen. Sofern der Beschenkte nicht wusste, dass die Leistung Gläubiger benachteiligt, muss er im Falle der Anfechtung den empfangenen Gegenstand nur insoweit he-rausgeben, als er noch bereichert ist.

DATEV magazin: Und wann kommt eine Darlehensanfechtung in Betracht?

Uwe Martens: Darlehensanfechtungen, insbesondere Anfechtungen in Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen, erlauben es, Rechtshandlungen anzufechten, die zur Rückführung oder Sicherung eines Gesellschafterdarlehens geführt haben. Einzelheiten spielen wegen der geringen praktischen Bedeutung im Rahmen der Asset Protection nur eine untergeordnete Rolle.

DATEV magazin: Verbleiben also noch die besonderen Anfechtungstatbestände …

Uwe Martens: Zu den besonderen Anfechtungstatbeständen zählt noch die Möglichkeit, Rechtshandlungen anzufechten, die den Gläubigern eine Sicherung oder Befriedigung ermöglicht haben, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Zahlungsunfähigkeit stattfanden und der Empfänger die Zahlungsunfähigkeit kannte oder hätte kennen müssen.

DATEV magazin: Die Besonderheiten des Anfechtungsrechts sind wohl gerade im familiären Bereich sehr unangenehm?

Uwe Martens: In der Tat. Hier bestehen beispielsweise Beweiserleichterungen zugunsten des Anfechtenden, wenn Geschäfte mit nahestehenden Personen, meist Ehegatten, Lebenspartnern oder Kindern, gemacht wurden.

DATEV magazin: Und das hat welche Folge?

Uwe Martens: Es gelten widerlegbare Vermutungen, dass die Familienangehörigen von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wussten. Damit ist eine Anfechtung bei Angehörigen besonders leicht. Denn der Gegenbeweis, dass der Familienangehörige den Vorsatz des Schuldners nicht kannte, den Gläubiger benachteiligen zu wollen, wird faktisch kaum gelingen. Wer innerhalb der Familie Schutz für sein Vermögen sucht, muss umso mehr darauf achten, alles im rechtlich sauberen Rahmen und beweissicher zu gestalten. Allein schon deswegen sollten Schenkungen innerhalb der Familie entsprechend der gesetzlichen Anforderung mit notarieller Beurkundung erfolgen.

DATEV magazin: Warum wurde die Möglichkeit des sogenannten Bargeschäfts vom Anfechtungsrecht ausgenommen?

Uwe Martens: Das geschah, um den Schuldner durch die zahlreichen Anfechtungsrechte nicht völlig aus dem Wirtschaftsleben auszuschließen.

DATEV magazin: Was bedeutet das konkret?

Uwe Martens: Ein Bargeschäft in diesem Sinne setzt keine Barzahlung voraus, sondern meint den zeitlich engen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung. Dieser zeitliche Zusammenhang wird bei 14 Tagen gesehen, manchmal aber auch noch bis zu einem Monat erweitert. Innerhalb dieses engen Zeitrahmens müssen Leistung und Gegenleistung vollständig erbracht sein. Für uns Berater bedeutet das insbesondere, dass die Beratungsleistung erbracht, abgerechnet und bezahlt sein muss. Daher ist bei der Abrechnung auf eine zügige Zahlung durch den Mandanten zu achten, am besten innerhalb einer Woche.

DATEV magazin: Wie lautet Ihr persönliches, kurzes Resümee?

Uwe Martens: Kaum ein Schuldner, der zu spät an den Vermögensschutz denkt, entgeht dem bunten Strauß an Anfechtungsoptionen. Daher hat bei der Asset Protection oberste Priorität, mit den Vorkehrungen zur Vermögensabsicherung schon dann zu beginnen, wenn weit und breit keine Ansprüche und Haftungsgefahren erkennbar sind. Gerade wenn es einem pudelwohl geht, ist die Zeit für den Vermögensschutz reif. Nur denkt in rosigen Zeiten leider kaum einer an den Schutz seiner Vermögenswerte, sodass so manche reiche Berühmtheit heute in Armut lebt.

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CHEF-Seminar: „Berufsrisiko für Steuerberater – Haftung für Vermögensschäden“, Art.-Nr. 70879

Zu den Autoren

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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UM
Uwe Martens

Rechtsanwalt und Partner bei elixir rechtsanwälte | martens & partner, Frankfurt am Main

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