International Standards on Auditing - 22. Juli 2015

So werden Prüfungen vergleichbar

Abschlussprüfungen werden bislang in jedem Staat nach unterschiedlichen­ Maßstäben und Vorgaben durchgeführt. Eine international gültige ­Regelung gibt es nicht – noch nicht. Dennoch besteht Anlass, sich schon jetzt intensiv mit den International Standards on Auditing zu beschäftigen.

Gesetzliche Abschlussprüfungen sind unter unmittelbarer Anwendung der International Standards on Auditing (ISA) durchzuführen (Artikel 26 Abs. 1 der Abschlussprüferrichtlinie, Richtlinie 2006/43/EG, Amtsblatt der EU Nr. L 157, S. 87). Allerdings müssen die ISA dazu von der Kommission der Europäischen Union (EU) zuvor förmlich angenommen werden. Diese Vorschrift findet sich in § 317 Abs. 5 Handelsgesetzbuch (HGB). Aufgrund dieser Regelung hätte man erwarten dürfen, dass die Übernahme der ISA in der EU nicht mehr eine generelle Frage des Ob und Wie, sondern nur noch eine zeitliche Frage sei. Immerhin hat es mehr als fünf Jahre gedauert, bis die EU-Kommission am 30. November 2011 im Nachgang zum Grünbuch zur Abschlussprüfung ihre Vorstellung von der Anwendung der ISA in Europa präzisiert hat. Demnach sollten die ISA künftig bei allen Abschlussprüfungen zu beachten sein, allerdings mit durch die Mitgliedsstaaten regulierter Skalierung bei der Prüfung mittelgroßer Gesellschaften (siehe dazu auch FEE – Fédération des Experts comptables Européens: Proportionality and International Standards on Auditing; Briefing Paper, September 2011). Nach weiteren drei Jahren wurden am 16. April 2014 die überarbeitete Richtlinie zur Directive 2014/56/EU amending Directive 2006/43/EC on statutory audits of annual accounts and consolidated accounts sowie die Regulation (EU) No 537/2014 on specific requirements regarding statutory audit of public-interest entities and repealing Commission Decision 2005/909/EC verabschiedet.

Privater Standardsetter

Die Einheitlichkeit der Prüfungsdurchführung kann nur gewährleistet werden, wenn alle Prüfer einem einheitlichen Standard folgen.

Gemäß Artikel 26 und 48a der Richtlinie sind die Mitgliedsstaaten übereingekommen, eine En-bloc-Übernahme sämtlicher ISA an die ­Europäische Kommission zu delegieren. Gemäß Artikel 30 (7) d) der Audit Regulation ist die Anwendung der ISA bei der Prüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse grundsätzlich vorgesehen, sodass bei Ausnutzung beider Ermächtigungen und Vorschriften eine einheitliche Anwendung der ISA in Europa gewährleistet ist. Leider hat allerdings die EU-Kommission ihre Studien zur Evaluation der ISA nach wie vor nicht ab­ge­schlos­sen (siehe Study on the Evaluation of the Possible Adoption of ISA in the EU of 12/6/2009); vielmehr ist davon auszugehen, dass seitens der EU immer weiter gehende An­for­der­un­gen an die ISAs gestellt werden, sowohl inhaltlicher Art als auch formaler Art (siehe European Commission: Q&A Implementation of the New Statutory Audit Framework, S. 8 f.). Verschiedene Be­rufs­or­ga­ni­sa­ti­on­en in Europa haben sich in einem Schreiben an die DG Internal ­Market and Services kritisch zu dieser Situation geäußert und die EU-Kommission aufgefordert, alsbald eine geschlossene Übernahme der ISA zu bewerkstelligen. Beobachtend ist jedoch davon auszugehen, dass diese Forderung verhallen wird. Die Hintergründe sind weitgehend politischer Natur. Der IAASB (International Auditing and Assurance Standards Board) wird von der Politik nach wie vor als privater Standardsetter angesehen, der nicht in eine parlamentarisch-politische Struktur zu integrieren ist (siehe Canipa-Valdez, Marco; Velte, Patrick: Standardsetting internationaler Prüfungsnormen und deren Umsetzung: Eine Analyse vor dem Hintergrund der europäischen Reform der Abschlussprüfung, in: WP Praxis, Herne 2013, S. 197 ff.).
Bei der Prüfung eines Jahres- oder Konzernabschlusses mit ganz oder überwiegend nationalem Charakter sind die ISA nicht informationserheblich. Für den Adressaten des Abschlusses macht es nur in wenigen Ausnahmefällen einen Unterschied, ob die Prüfung nach internationalen oder nationalen Standards durchgeführt worden ist. Anders verhält es sich jedoch bei grenz­ü­ber­schrei­ten­den und internationalen Gruppen- oder Kon­zern­ab­schluss­prü­fun­gen, die in dem Standard ISA 600 geregelt sind. Die Einheitlichkeit der Prüfungsdurchführung kann in diesen Fällen nur gewährleistet werden, wenn alle in die Prüfung eingeschalteten Prüfer einem einheitlichen Standard, hier bestenfalls also den ISA folgen. Es ist selbsterklärend, dass die Anwendung so vieler nationaler Prüfungsstandards, wie Fir­men­na­ti­o­na­li­tä­ten im Konzernabschluss vorhanden sind, nicht zu einem aussagefähigen Prüfungsergebnis führt (siehe FEE – Fédération des Experts comptables Européens: Policy Statement on Adoption of International Standards on Auditing (ISA) in the European Union, Juli 2012). Dies betrifft insbesondere wesentliche Bereiche der Prüfungsvorbereitung und -durchführung (Unabhängigkeit des Prüfers, Wesentlichkeitskriterien, Bestimmung und Dokumentation der Durchführung von Prüfungshandlungen, Prüfung ergänzender Abschlussbestandteile wie zum Beispiel Anhang, Lagebericht, Kapitalflussrechnung, Prüfungspflichten nach dem Bilanzstichtag et cetera). Die Auswirkungen eines mangelhaften Zusammenspiels vorstehender, beispielhaft angeführter Punkte werden umso größer sein, je weniger deutlich sich ein allgemeines Prüfungsverständnis in der Kultur und in den Gesetzen eines Landes beziehungsweise im jeweiligen Berufsstand durchgesetzt hat. Während die großen Prüfungsgesellschaften im Zweifel auf ihre hauseigenen Standards zurückgreifen und diese Methodologien konzernweit durchzusetzen vermögen, ist dies dem mittelständischen Prüfer einer international tätigen Unternehmensgruppe trotz aller Bemühungen faktisch nicht möglich. Die Instruktion der ausländischen Prüfer ausländischer Konzernunternehmen im Rahmen von Audit Directions und Audit Questionnaires ist zwar grundsätzlich ein probates Mittel, jedoch ist beispielsweise eine Auskunft derart, dass etwa vietnamesische oder malaysische Prü­fungs­grund­sät­ze angewendet worden sind, für den Konzernabschlussprüfer in keiner Weise hilfreich. Hier wird er dann entsprechend ISA 600 grundsätzlich eigene oder ergänzende Prüfungshandlungen durchzuführen haben, was auf internationaler Ebene nur schwer machbar ist und im Übrigen auch einen erhöhten Aufwand erfordert.

Wettbewerb

In diesem Sinne liegt es in dem ureigensten Interesse der kleineren und mittleren Praxen, dass die internationalen Prüfungsstandards zumindest in Europa verpflichtenden Charakter erhalten. Dies wird die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittelständischer Prüfer entscheidend positiv be­ein­flus­sen (siehe Naumann, Klaus-Peter; Feld, Klaus-Peter: Die Anwendung der International Stan­dards on Auditing (ISA) in Deutschland: Ziele, Bedeutung und Nutzen, in: Die Wirt­schafts­­prü­­fung 2013, Düsseldorf, S. 641 ff., insb. S. 643).

Gesetz oder Standard

Wenn, wie oben dargestellt, in der EU aus politischen Gründen auf absehbare Zeit nicht mit der Übernahme der ISA zu rechnen ist, so stellt sich die Frage nach Alternativen. Nationale Standards, auch wenn sie weitestgehend an die internationalen Prü­fungs­stan­dards angepasst sind, können im Zweifel eine ord­nungs­ge­mäße Durchführung von trans­na­ti­o­na­len Gruppen- und Kon­­zern­­ab­­schluss­­prü­­fun­­gen nicht begleiten. Die Schwierigkeiten beginnen schon bei der Durch­num­me­r­ier­ung der Standards und enden bei den vielen Add-ons und Carve-outs zur Be­rück­sich­ti­gung nationaler Besonderheiten (siehe Brinkmann, Ralph; Spieß, Alexander: Ab­schluss­prü­fung nach International Standards on Auditing (ISA), GCPAS Heidelberg, 24.11.2006, S. 44 ff., insb. S. 51-53). Aufbauend auf dieser Erkenntnis stellt sich nun die Frage, ob die reinen ISA als berufsständische Standards in die Prüfungspraxis durch nationale Berufsorganisationen eingeführt werden sollten; dies mit der gleichen juristischen Qualität wie die deut­schen Prüfungsstandards. Der belgische Berufsstand hatte bereits mit nationalem Standard Nummer 10 vom November 2009 (ver­öf­fent­licht in Moniteur belge, 16. April 2010) die ISA ohne jegliche Modifikation über­nom­men, an­zu­wen­den für PIE auf Geschäftsjahre endend nach dem 15. Dezember 2012; für andere gesetzliche Abschlussprüfungen endend nach dem 15. Dezember 2014. Spezielle nationale Erfordernisse, insbesondere zur Berichterstattung, sind in einem nationalen Standard ergänzend geregelt.
Kürzlich hat das österreichische Institut der Wirtschaftsprüfer (IWP) die Einführung der ISA als Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung vorangetrieben (siehe dazu Prachner, Gerhard: Die Einführung der international accounting standards (ISAs) als Grundsatz ordnungsmäßiger Abschlussprüfung, in: IWP-Journal 3/2014, Wien 2014, S. 4 f). Unterstützt durch den Fachsenat Prüfung, hat der Vorstand der KWT (Kammer der Wirtschaftstreuhänder) die internationalen Prüfungsgrundsätze (ISA 200 bis ISA 810) als österreichische Berufsgrundsätze approbiert; anwendbar auf die Prüfung von Abschlüssen für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 31. Dezember 2015 enden. Den nationalen Rechtsvorschriften wird in einem eigenen Abschnitt des Fachgutachtens PG1 Rechnung getragen. Auch das deutsche Institut der ­Wirtschaftsprüfer (IDW) stellt diesbezüglich vorsichtige Überlegungen an, was zur Aufgabe der bisherigen Trans­for­ma­ti­ons­pra­xis und zu ­einem Supplementverfahren führen würde.

Fazit

Bei Konzernabschlüssen mit internationalem Bezug ist die Anwendung der reinen ISA als Ausgangsbasis zu bevorzugen, gegebenenfalls auch in der originären Sprache, weil so für alle wesentlichen Prüfungsfragen und für alle involvierten Prüfer größtmögliche Einheitlichkeit gewährleistet ist. Da Inhalt und Prüfung des Konzernabschlusses dem nationalen Recht der Muttergesellschaft folgen, hat der Abschlussprüfer ­zusätzlich die Berücksichtigung dieser nationalen Vorschriften gruppenweit zu gewährleisten.

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Zum Autor

ES
Prof. Dr. W. Edelfried Schneider

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, ist Gesellschafter und Geschäftsführer der HLB Dr. Dienst & Partner GmbH & Co. KG in Koblenz, Geschäftsführer der HLB Deutschland GmbH, Düsseldorf, Vorsitzender des Verwaltungsrats des Instituts der Wirtschaftsprüfer e. V. (IDW), Düsseldorf, sowie seit Dezember 2014 Deputy-President der FEE, Brüssel.

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