Ener­gie­kenn­zeich­nungs­pflichten - 25. Juni 2015

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Die Neu­re­ge­lung der Vor­schrif­ten im Online-Handel und teil­weise auch in der Wer­bung führt aus Händ­ler­sicht zu tief grei­fen­den Än­de­run­gen. Selbst die Über­gangs­re­ge­lung, die dem Zweck dient, die Um­stel­lung zu er­leich­tern, muss als relativ kom­pli­ziert bez­eich­net werden.

Jeder kennt sie, zumeist aus dem Elektromarkt: Etiketten, die durch bunte Pfeile Auskunft über die Energieeffizienz des jeweiligen Geräts geben. Die Einteilung der Geräte in verschiedene Ener­gie­ef­fi­zienz­klassen erlaubt eine einfache und schnelle Einordnung eines Geräts als Strom­schlucker oder eher genügsamer Vertreter. Was für Kunden eine praktische Ent­schei­dungs­hil­fe bedeutet, hat sich aus Händlersicht gerade in jüngerer Zeit zu einer überaus komplexen Rechtsmaterie entwickelt. Dabei folgt die Auszeichnung im stationären Handel seit jeher weit­ge­hend gleichen Mustern. Tief greifende Änderungen erfuhren dagegen die Vorschriften für den Online-Handel und zum Teil auch diejenigen für die Werbung. Bis Ende vergangenen Jahres genügte im Fernabsatz die An­gabe bestimmter Geräteinformationen und Verbrauchsdaten in einer bestimmten Reihenfolge, die allerdings keinem bestimmten Format zu folgen hatte. Wie und an welcher Stelle seines An­ge­bots der Händler diese Pflicht­in­for­ma­ti­o­nen bereitstellte, war weitestgehend ihm über­lassen, sofern Mindestanforderungen an die Lesbarkeit erfüllt waren.

Neuregelung der Kennzeichnungspflichten

Eine völlige Neuregelung der Kennzeichnungspflichten im Online-Handel erfolgte einerseits durch die Verordnung (EU) 518/2014 vom 5. März 2014. Sie betrifft Haushaltsgeschirrspüler, Haus­halts­kühl­ge­rä­te, Haushaltswaschmaschinen, Fernseher, Luftkonditionierer, Haus­halts­wä­sche­trock­ner, Lampen und Leuchten, Staubsauger, Raumheizgeräte und Warmwasserbereiter. Andererseits ist die Verordnung (EU) 65/2014 vom 1. Oktober 2013 in Bezug auf Backöfen und Dunst­ab­zugs­hau­ben einschlägig. Mit der Neuregelung soll die bisherige Ungleichbehandlung von Online-Handel und stationärem Handel aufgehoben werden, die angesichts der zunehmenden Relevanz des Online-Handels in der Tat nicht mehr gerechtfertigt scheint. Anders als im stationären Handel konnte sich der Online-Shopper nicht an der Farbskala der Energieeffizienzklassen orientieren, ebenso wenig musste er über die Endpunkte der Skala informiert werden (zweiter Er­wä­gungs­grund der Verordnung). Für jede Geräteklasse existiert nämlich eine spezifische Skala. Sie kann mit fortschreitender Entwicklung zudem geändert werden, insbesondere, wenn auf­grund der all­ge­mein ver­bes­ser­ten Effizienz keine Differenzierung mehr möglich ist, da sich alle Geräte im oberen Skalenbereich bewegen. Des Weiteren ist es natürlich problemlos möglich, auch im Online-Handel das grafische Etikett anzuzeigen (dritter Erwägungsgrund der Verordnung); an­ge­messene Daten­übertragungsraten stehen hierfür ohnehin seit etlichen Jahren selbst für Mobilgeräte zur Ver­fü­gung. Folglich müssen seit dem 1. Januar 2015 im Online-Handel grund­sätz­lich elek­tro­ni­sche Etiketten, die den grafischen Etiketten für den stationären Handel ent­sprechen, sowie außerdem elektronische Produktdatenblätter zur Verfügung gestellt werden. Online-Händlern, die die neuen Vorgaben bislang nicht umgesetzt haben, ist dringend zu raten, zeit­nah Ab­hilfe zu schaffen, zumal die Umstellung erhebliche Änderungen des Shopdesigns er­for­dern und daher eventuell nicht kurzfristig erfolgen kann.

Übergangsregelung

Um die Umstellung zu erleichtern, sieht die Verordnung eine ihrerseits relativ komplizierte Über­gangs­re­ge­lung vor. Früher setzte die Anwendung neuer Kennzeichnungsvorschriften voraus, dass das jeweilige jeweilige Produkt ab einem bestimmten Stichtag in den Verkehr gebracht wurde. Jetzt verpflichtet die Verordnung (EU) 518/2014 Lieferanten zur Bereitstellung elek­tro­nischer Etiketten und Datenblätter für solche Geräte, die seit dem 1. Januar 2015 unter einer neuen Mo­dell­ken­nung in den Verkehr gebracht werden. Betroffen sind also nur neue oder aktualisierte Geräte. Die Umstellung erfolgt somit sukzessive mit dem Erscheinen neuer Modelle und dem Verschwinden alter Modelle vom Markt. Eine in Details unterschiedliche Regelung gilt für Back­öfen und  Dunstabzugshauben. Die Kennzeichnungspflichten für diese Geräte wurden in einer separaten Verordnung geregelt, die auch neue Etiketten für diese Geräte vorsieht. Diese Geräte sind unabhängig von ihrer Mo­dell­ken­nung von den neuen Kenn­zeich­nungs­pflich­ten erfasst, wenn sie seit dem 1. Januar 2015 in den Verkehr gebracht wurden. Die neuen Kenn­zeich­nungs­pflichten im Online-Handel müssen allerdings erst seit dem 1. April 2015 umgesetzt werden.

Formvorschriften

Wie eingangs erwähnt, sehen die neuen Kennzeichnungsvorschriften für den Online-Handel strenge Formalien für die Wiedergabe der elektronischen Etiketten und Datenblätter vor. Das Etikett kann gut lesbar in der Nähe des Produktpreises abgebildet werden. Diese Option würde sicherlich das Layout der meisten Websites empfindlich beeinträchtigen. Alternativ kann das Etikett mithilfe einer geschachtelten Anzeige dargestellt werden, womit eine Verlinkung gemeint ist. Der Link muss über einen Pfeil in der Farbe der jeweiligen Energieeffizienzklasse mit Angabe dieser Effizienzklasse erfolgen. Der Pfeil muss in der Nähe des Produktpreises dargestellt werden, die Schriftgröße der in dem Pfeil angegebenen Effizienzklasse muss derjenigen des Produktpreises entsprechen. Das Etikett muss nach einem Mausklick oder Maus-Rollover beziehungsweise nach Berühren oder Aufziehen des Pfeils auf Touchscreens in einem Pop-up-Fenster, auf einer neuen Registerkarte, auf einer neuen Seite oder als Einblendung angezeigt werden. Weiterhin muss eine Option zum Schließen dieses Fensters, der neuen Registerkarte und so weiter oder ein anderer Standard-Schließmechanismus vorgesehen werden. Trotz dieser strengen Anforderungen und der unvermeidlichen Designänderungen in bestehenden Online-Shops dürfte die ge­schach­tel­te Anzeige für die meisten Händler die einzig praktikable Alternative darstellen. Tatsächlich trifft man derzeit im Internet praktisch ausschließlich auf diese Variante. Elektronische Pro­dukt­da­ten­blätter brauchen lediglich über den Begriff Pro­dukt­da­ten­blatt verlinkt zu werden, welcher in der Nähe des Preises angegeben werden muss.

Besonderheiten bei Leuchten

Unklar blieb zunächst, wie eine geschachtelte Anzeige für Leuchten umgesetzt werden kann, die ja, sofern sie nicht über fest eingebaute Lampen verfügen, keine Energie verbrauchen und dem­nach keine Energieeffizienzklasse besitzen. Das Etikett gibt lediglich die Klassen der mit der Leuchte kompatiblen Leuchtmittel an. Gerade noch rechtzeitig vor Jahresanfang erfolgte zu diesem Thema allerdings eine gemeinsame Stellungnahme der Europäischen Kommission und der nationalen Marktüberwachungsbehörden. Demnach soll bei Leuchten mit Fassungen für aus­tausch­bare Lampen stets die beste Ener­gie­ef­fi­zienz­klasse in der geschachtelten Anzeige ver­wen­det werden. Das entspreche dem Ziel der Verordnung, die Hersteller zur Entwicklung ener­gie­spa­ren­der Produkte zu bewegen. Diese Stellungnahme ist zwar nicht rechtsverbindlich, sodass die Gerichte im Streitfall natürlich auch anders entscheiden können, mangels sinnvoller Al­ter­na­ti­ven dürfte diese Frage jedoch vorerst als erledigt angesehen werden.

Übersichtsseiten

Noch nicht eindeutig herauskristallisiert hat sich unter der neuen Rechtslage, wie auf Über­sichts­seiten zu verfahren ist. Diese Frage wird auch durch die neuen Vorschriften nicht eindeutig ge­regelt. Im Unterschied zur alten Rechtslage ließe sich zumindest die geschachtelte Anzeige auch auf Übersichtsseiten leicht umsetzen. Nach Auffassung des OLG Köln (Urteil vom 20.12.2013, Az.: 6 U 56/13) stellen Artikelangebote auf Übersichtsseiten, sofern die Artikel nicht direkt von der Übersichtsseite in den Warenkorb gelegt werden können, nach alter Rechtslage zumindest Werbung im Sinne der einschlägigen Verordnung dar, mit der Folge dass die Ener­gie­ef­fi­zienz­klasse des Artikels angegeben werden muss. Ob die zur alten Rechtslage an­ge­stell­ten Er­wä­gun­gen auch auf die neuen Vorschriften übertragen werden können, ist noch nicht geklärt. Hierfür spricht, dass die alten Vorschriften zu den Kennzeichnungspflichten im Fernabsatz nur jeweils um den Satz ergänzt wurden: „Erfolgt das Angebot über das Internet und wurde ein elektronisches Etikett gemäß … bereitgestellt, gelten stattdessen die Be­stim­mun­gen des Anhangs …“ Die De­fi­ni­tion eines Angebots im Fernabsatz bleibt also unverändert und wird auch in den Anhängen nicht weiter konkretisiert. Fielen Angebote auf Übersichtsseiten  früher nicht unter Angebote im Fernabsatz, so dürfte dies also auch nach neuer Rechtslage nicht der Fall sein. Einen Ausweg bietet die geschachtelte Anzeige allerdings für das bekannte Problem, dass im Falle elektrischer Leuchten alle Informationen aus dem Energieetikett auch in der Werbung – und damit zwangs­läu­fig wohl auch auf Artikelübersichten – anzugeben sind. Während Übersichtsseiten für die vollständigen Informationen in der Regel keinen ausreichenden Platz bieten, ist eine ge­schach­tel­te Anzeige an dieser Stelle in aller Regel umsetzbar.

Alternativtexte

Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben sollte die Pflicht zur Angabe eines Alternativtexts für das grafische Etikett. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Verbraucher die Informationen zum Energieverbrauch auch dann zur Kenntnis nehmen kann, wenn die Grafik aus technischen Gründen nicht angezeigt werden kann. Bei Elektrogeräten nicht zu vergessen sind schließlich die Hersteller- und Typenbezeichnungen, und zwar (gerade) auch in der Werbung. Diese Kenn­zeich­nungs­pflicht beruht allerdings nicht auf den Vorschriften zur Ener­gie­ef­fi­zienz­kenn­zeich­nung. Mit Urteil vom 19. Februar 2014, Az.: I ZR 17/13, entschied der BGH, dass neben den Hersteller- auch die Typenbezeichnungen von Elektrohaushaltsgeräten „wesentliche Merkmale“ dieser Geräte im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG sind und daher im konkreten Fall in einer Werbeanzeige hätten an­ge­ge­ben werden müssen. Für den Online-Handel kann letztlich nichts anderes gelten.

Ausblick

Trotz der sehr detaillierten Vorgaben für die Energieeffizienzkennzeichnung im Online-Handel bleiben einige Punkte ungeklärt. Es bleibt somit abzuwarten, welche Lösungen sich aus der künftigen Rechtsprechung entwickeln werden.

Zum Autor

Thorsten Dohmen

Rechtsanwalt LL. M. bei Wagner Rechtsanwälte, Saarbrücken. Seine Tä­tig­keits­schwer­punk­te sind unter anderem das Marken-, Patent- und Urheberrecht sowie das Wettbewerbs-, Lizenz- und Vertriebsrecht.

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