Gesetz zur Änderung der Ab­ga­ben­ord­nung - 25. Juni 2015

Einfache Korrekturen auf dem Weg

Die Regelungen der Selbst­an­zeige wurden zum 1. Januar 2015 teil­weise er­heb­lich ver­schärft. Für Unter­neh­men er­ge­ben sich jedoch auch wichtige Er­leich­te­run­gen. So sind in der Zu­kunft wieder mehr­fache Kor­rek­tu­ren der Um­satz­steuer­vor­an­mel­dun­gen möglich.

Die Regelungen der Selbstanzeige wurden zum 1. Januar 2015 durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung erneut und teilweise erheblich verschärft. Für Unternehmen ergeben sich jedoch auch wichtige Erleichterungen, unter anderem sind im Bereich von Umsatzsteuervoranmeldungen in Zukunft wieder mehrfache Kor­rek­tu­ren möglich. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die Auswirkungen der ge­än­der­ten Selbst­an­zei­ge­re­ge­lun­gen bei der Umsatzsteuer.

Schwarzgeldbekämpfungsgesetz

Die Einleitung von Steuerstrafverfahren wegen der verspäteten Abgabe oder der Korrektur von Umsatzsteuervoranmeldungen war vor Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes am 3. Mai 2011 eher selten und auf Einzelfälle beschränkt. Diese Vorgehensweise der Finanzbehörden war vor dem Hintergrund des in der Unternehmenspraxis bei Umsatzsteuervoranmeldungen oder Umsatzsteuerjahreserklärungen häufig erforderlichen Korrekturbedarfs – komplexe technische und buchungstechnische Abläufe können ebenso dazu führen wie Schwierigkeiten bezüglich der exakt periodengerechten Erfassung von Vorgängen oder komplexe Sachverhalts- und Rechts­fragen – sinnvoll und praxisgerecht. Im Zuge des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes und der Abschaffung der sogenannten Teilselbstanzeige durch den ersten Strafsenat des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) hat sich dies grundlegend geändert. Nach der hiernach bestehenden Rechtslage waren Korrekturen von Umsatzsteuervoranmeldungen unter Umständen als Selbst­an­zeige zu werten, welche dem  Vollständigkeitsgebot unterlagen. Zudem ergab sich bei mehrfachen Korrekturen das Problem der Sperrwirkung, welche weitere strafbefreiende Korrekturen von Fehlern un­mög­lich machte.

Teilselbstanzeigen wieder möglich

Der Gesetzgeber hat die im Zuge des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes im Unternehmensbe­reich entstandenen Schwierigkeiten teilweise erkannt und § 371 Abs. 2a Abgabenordnung (AO) eingefügt. Dieser stellt im Bereich der Umsatzsteuer in weiten Teilen den Rechtszustand vor dem Schwarz­geld­be­kämp­fungs­gesetz wieder her. So gelten nunmehr nachgeholte oder berichtigte Um­satz­steuer­vor­an­mel­dun­gen und Lohn­steuer­an­mel­dungen wieder als wirksame Teil­selbst­an­zei­gen, das Voll­stän­dig­keits­gebot gilt insoweit nicht (§ 371 Abs. 2a Satz 1 AO). Auch stellt die Tatentdeckung keinen Sperrgrund dar, wenn die Entdeckung der Tat auf der Nachholung oder Berichtigung von Umsatzsteuervoranmeldungen beruht (§ 371 Abs. 2a Satz 2 AO). Im Ergebnis sind damit seit dem 1. Januar 2015 wieder mehrfache Korrekturen von Um­satz­steu­er­vor­an­mel­dun­gen möglich. Ebenso ist es für die Korrektur einer Umsatz­steu­er­jah­res­er­klä­rung des Vorjahres nicht erforderlich, auch zugleich die Umsatzsteuervoranmeldungen des laufenden Jahres zu berichtigen (§ 371 Abs. 2a Satz 4 AO).

Praxisbeispiel

Geschäftsführer G wurde bereits im letzten Betriebsprüfungsbericht (BP-Bericht) darauf hin­ge­wiesen, dass in seiner GmbH in der Vergangenheit aufgrund fehlerhafter Einstellungen in der EDV Umsätze unzutreffend als steuerfrei behandelt wurden. In der am 10. April 2014 frist­ge­recht eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung März 2014 ordnet G die Umsätze erneut fehlerhaft ein, sodass die Umsatzsteuervoranmeldung unrichtig ist. Die Um­satz­steu­er­vor­an­mel­dung August 2014 übermittelt G erst am 12. September 2014, also zwei Tage zu spät, an die Finanzbehörden (keine Dauerfristverlängerung). Im Oktober 2014 korrigiert er die unrichtige Um­satz­steuer­vor­an­mel­dung März 2014. G hat in der am 10. April 2014 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung März 2014 falsche Angaben gemacht. Bei Bejahung von zumindest bedingtem Vorsatz, was aufgrund der Hinweise im BP-Bericht naheliegt, hat er hierdurch eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verwirklicht. Infolge der verspätet ein­ge­reich­ten Umsatzsteuervoranmeldung August 2014 liegt zudem – bei unterstelltem be­ding­tem Vorsatz – mit Ablauf des 10. September 2014 eine Steuerhinterziehung durch Unter­las­sen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO vor.

Alte Rechtslage: Unwirksame Selbstanzeige

Nach alter Rechtslage war die am 12. September 2014 eingereichte Umsatzsteuervoranmeldung August 2014 grundsätzlich als Selbstanzeige bezüglich der zuvor durch die verspätete Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung August 2014 begangenen Steuerhinterziehung durch Unterlassen einzustufen. Da die Umsatzsteuervoranmeldung August 2014 die in der Umsatz­steu­er­vor­an­mel­dung März 2014 unrichtig deklarierten Umsätze nicht umfasste, handelte es sich um eine un­voll­stän­di­ge und damit nach dem damaligen Wortlaut von § 371 AO unwirksame Selbst­an­zeige. Die Korrektur der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung März 2014 im Oktober 2014 war nach alter Rechtslage als weitere Selbstanzeige einzustufen, die zudem die Entdeckung der Un­voll­stän­dig­keit der ersten Selbstanzeige durch die Finanzbehörden nach sich zog. Es bestand das Risiko, dass die Finanzbehörden beide Selbstanzeigen als unwirksam einstuften.

Neue Rechtslage: Wirksame (Teil-)Selbstanzeigen

Nach § 371 Abs. 2a Satz 1 AO findet das Vollständigkeitsgebot des §371 Abs. 1 AO im Rahmen der Korrektur von Umsatzsteuervoranmeldungen keine Anwendung. Im Beispielsfall tritt also be­züg­lich der Umsatzsteuervoranmeldung August 2014 sowie hinsichtlich der Korrektur März 2014 – ohne Strafzuschlag im Sinne von § 398a AO – Straffreiheit ein (wirksame Teil­selbst­an­zei­gen).

Umsatzsteuerjahreserklärungen

Bei Umsatzsteuerjahreserklärungen bleibt die Rechtslage unverändert, das Vollständigkeitsgebot gilt hier weiterhin, und strafbefreiende Teilselbstanzeigen sind hier auch zukünftig nicht möglich (§ 371 Abs. 2a Satz 3 AO). Damit besteht die faktische Unmöglichkeit der Abgabe von Selbst­an­zei­gen im Unternehmensbereich – insbesondere bei größeren oder mittelständischen Unter­neh­men – fort: Hier ist es aufgrund der Vielzahl und Komplexität der Geschäftsvorfälle häufig nicht mög­lich, für die vergangenen fünf Jahre – nach neuer Rechtslage sogar für die ver­gan­ge­nen zehn Jahre – vollständige Angaben sicherzustellen.

Ausdehnung des Berichtigungszeitraums

Die zunächst beabsichtigte Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung für einfache Steuer­hin­ter­zie­hun­gen auf zehn Jahre hat der Gesetzgeber nicht umgesetzt, es gilt auch wei­ter­hin eine strafrechtliche Verjährung von fünf Jahren. Dennoch hat der Gesetzgeber den Be­rich­ti­gungs­zeit­raum der Selbstanzeige auf zehn Jahre ausgedehnt: Zukünftig sind Angaben zu allen un­ver­jähr­ten Steuerstraftaten einer Steuerart erforderlich, mindestens jedoch zu allen Steuer­straf­ta­ten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre.

Ausdehnung der Sperrwirkung

Deutliche Verschärfungen ergeben sich auch bei der Frage der Sperrwirkung: Zukünftig genügt die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung gegenüber „dem an der Tat Beteiligten“, bislang war dies nur für den Täter vorgesehen. Ebenso löst nunmehr auch eine Umsatzsteuernachschau im Sinne von § 27b Umsatzsteuergesetz (UStG) und nicht wie bislang lediglich eine Umsatzsteuer­sonderprüfung die Sperrwirkung aus. Nach Beendigung der Nachschau lebt die Möglichkeit zur Selbstanzeige dann wieder auf. Neben den zahlreichen Verschärfungen hat der Gesetzgeber auch eine für die Praxis erfreuliche Erleichterung umgesetzt: So ist die Sperrwirkung bei der Be­kannt­gabe einer Betriebsprüfung oder Umsatzsteuersonderprüfung in Zukunft sachlich und zeitlich auf die in der Prüfungsanordnung aufgeführten Zeiträume beschränkt, das Risiko der sogenannten zeitraumübergreifenden Infektionswirkung besteht demnach nicht mehr. Änderungen bei § 398a AO Nunmehr findet der Strafzuschlag nach § 398a AO bereits ab einem Steuer­ver­kürzungsbetrag von 25.000 Euro (früher 50.000 Euro) Anwendung. Ebenso wurden die zu zahlenden Straf­zus­chläge (bislang einheitlich fünf Prozent des Steuer­ver­kür­zungs­be­trags) deutlich erhöht und zudem gestaffelt: Sie betragen nunmehr

  • 10 Prozent bei Hinterziehungsbeträgen unter 100.000 Euro,
  • 15 Prozent bei Hinterziehungsbeträgen zwischen 100.000 Euro und
    1.000.000 Euro sowie
  • 20 Prozent bei Hinterziehungsbeträgen über 1.000.000 Euro.

Bei der Korrektur von Umsatzsteuervoranmeldungen findet der Strafzuschlag gemäß § 371 Abs. 2a Satz 1 AO keine Anwendung. Anders ist dies bei der Korrektur von Umsatz­steu­er­jah­res­er­klä­run­gen, hier ist § 398a AO weiterhin anwendbar.

Praxistipp: Aus diesem Grund sollte die Korrektur falscher Umsatzsteuervoranmeldungen durch Abgabe einer berichtigten Voranmeldung erfolgen und nicht erst im Rahmen der Um­satz­steu­er­jah­res­er­klä­rung.

Strafzuschlagsermittlung: Kompensationsverbot

Durch die Einfügung des neuen Absatzes 2 in § 398a AO wird nunmehr klargestellt, dass sich auch der Hinterziehungsbetrag im Sinne von § 398a Abs. 1 AO unter Anwendung des Kom­pen­sa­tions­ver­bots gemäß § 370 Abs. 4 AO errechnet. Das Kompensationsverbot (Vor­teils­aus­gleichs­ver­bot) nach § 370 Abs. 4 Satz 3 AO hat im Bereich der Umsatzsteuer zur Folge, dass die Positionen Umsatzsteuer und Vorsteuer grundsätzlich getrennt zu betrachten sind. Steuerstrafrechtlich ist demnach nach der BGH-Rechtsprechung eine Verrechnung von Umsatzsteuer und hiermit im Zusammenhang stehender Vorsteuer nicht möglich, anders als im steuerlichen Verfahren. In dessen Rahmen erfolgt im Zuge der Umsatzsteuerdeklarationen regelmäßig eine Verrechnung von Umsatzsteuer und Vorsteuer.

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Zum Autor

DK
Dr. Daniel Kaiser

Rechts­anwalt und Fach­an­walt für Steuer­recht, ist in der auf Umsatz­steuer speziali­sierten Kanzlei küffner maunz langer zugmaier, München, mit straf­recht­lichen Fragen befasst.

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