Schwarzgeld, Nummern­kon­ten und andere Steuerlügen - 23. April 2015

Der Profiler

Das elfte Gebot lautet: Du sollst dich nicht erwischen lassen. Das passt ganz gut zu unserem Steuersystem, meint Richard Lechner, weil Steuerhinterzieher manchmal nur aufgrund eines dummen Zufalls auffliegen. Der Steuerberater kennt Geschichten aus dem Schattenreich der Steuerhinterziehung.

Steuerberatern sagt man landläufig ein unspektakuläres Leben nach: Zahlen addieren, sub­tra­hieren und gelegentlich eine Verordnung oder ein Gesetz nachschlagen. Dieses Vorurteil kann Richard Lechner nicht bestätigen. Für ihn ist der Beruf des Steuerberaters spannend wie kein zweiter. Er selbst ist Steuerberater seit mehr als 25 Jahren und sieht sich in den vielen Jahren mit allen Facetten des Steuerrechts konfrontiert. Steuerhinterziehung ist ein Thema, das immer wieder durch die Medienlandschaft geistert. Sie galt lange als Kavaliersdelikt, doch das hat sich inzwischen geändert. „In meiner beruflichen Praxis sind mir schon alle möglichen Härtefälle begegnet, und ich bekomme natürlich auch die Geschichten hinter den Geschichten mit, also: Wa­rum hinterziehen Menschen Steuern? Warum arbeiten sie schwarz? Warum schaffen sie ihr Geld ins Ausland?“ Das Thema hat gesellschaftliche ­Relevanz. Deshalb hat er beschlossen, all die Fälle und Begebenheiten, die er in über zwei Jahrzehnten Berufspraxis erlebt hat, in einem Buch zusammenzufassen. Es ist bei Orell Füssli erschienen, und seine Motivation beschreibt er so: „In den Medien werden nur die großen Fälle verhandelt. Doch man wird praktisch täglich mit Steuerhinterziehung konfrontiert, ohne es zu wissen. Ich ­wollte da einen Einblick geben, den man normalerweise nicht bekommt, und den Vorhang wenigstens ein kleines bisschen lüften.“ So zeichnet er anhand ausgewählter Anekdoten ein Panorama der steuerlichen ­Praxis in Deutsch­land.
Schon der Titel klingt spannend: Schwarzgeld, Nummernkonten und andere Steuerlügen. Und was er beschreibt, liest sich stellenweise wie ein Krimi. Er berichtet von Steuerbeamten, die sich verkleiden, um steuerhinterziehenden Wirten auf die Spur zu kommen. Alles, was er schildert, beruht auf Fakten, spiegelt nichts weniger als die Realität ­wider. Personen, Orte sind verfremdet, unkenntlich gemacht, um die Verschwiegenheitspflicht zu wahren und die Privatsphäre zu schützen. Aber ähnlich wie Ferdinand von Schirach juristische Fälle aus der ­Praxis ins literarische Genre hebt und damit die Frage nach Schuld und Unschuld ins Zentrum seiner Betrachtung rückt, stellt Lechner die ­Frage nach der moralischen Verantwortung des Steuerzahlers. Es sind nicht die Prominenten, die immer wieder wegen Steuerhinterziehung in den Schlagzeilen landen, die das Gros der Steuerhinterziehung ausmachen. Es sind die gewöhnlichen Steuerpflichtigen, die dem Staat den größten Schaden zufügen. Er sammelt zahlreiche Beispiele und fügt sie zu einem Sittengemälde der deutschen Steuermoral zusammen. Das sind Geschichten von Tricksern, Hintergehern und Hintergangenen. „Ich habe es immer wieder erlebt, dass Leute wirklich jahrelang konsequent Steuern hinterzogen haben, ohne aufzufliegen, und irgendwann ging die Ehefrau zum Finanzamt und packte aus.“ Lechner geht aber auch auf die Tricks und Kniffe der Steuerfahnder ein. „Wer Steuerhinterzieher überführen will, muss schlauer sein.“ Und er erzählt die Geschichte von Bauarbeitern, die regelmäßig das gleiche Restaurant besuchten. „Sie haben da immer den Mittagstisch bestellt und sind offiziell nach vier Wochen auf die nächste Baustelle beordert worden. In Wirklichkeit waren das Finanzbeamte, die bei ihren Besuchen genau notiert haben, wie viele Pizzen verkauft wurden. Da der Betreiber die Buchhaltung frisiert hatte, konnten sie ihn überführen, und er musste ordentlich Steuern nachbezahlen.“
Es sind nicht nur die zahlreichen Facetten des Phänomens Steuerhinterziehung in vielen Branchen der Wirtschaft und Gesellschaft, die er auf leicht lesbare Art auffächert, sodass man häufig schmunzeln und zustimmend nicken muss, wenn man das gleiche Feld beackert. Er gibt auch wichtige Denkanstöße. Würden alle Deutschen korrekt ihre Steuern bezahlen, wäre es theoretisch möglich, die Staatsverschuldung in Deutschland binnen 67 Jahren auf null zu reduzieren. Da geht dem Staat viel Geld verloren, das er nutzen könnte, um Schulden zu zahlen, die Universitäten auszubauen oder marode Straßen zu sanieren. Wie ließe sich die Situation ändern? Auch dazu hat Lechner eine Meinung: „Indem dafür gesorgt wird, dass der Staat das Geld bekommt, das ihm zusteht. Der einfachste Weg wäre, mehr Steuerfahnder und Finanz­beamte einzustellen. Doch das scheitert an der politischen Realität. Die Haushaltsdecken sind einfach zu dünn. Eine deutlich effizientere Methode wäre natürlich, das deutsche Steuersystem zu vereinfachen. Das muss nicht der große Wurf sein, wie ihn Paul Kirchhof in seinem Bundessteuergesetzbuch 2011 skizziert hat. Aber es sollte hinsichtlich seiner Paragrafen derart verschlankt werden, dass Steuerprüfungen deutlich einfacher und effektiver durchzuführen sind.“
Mit seinem Thema hat es Lechner geschafft, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, das Interesse der Medien zu wecken, er ist gefragter Interviewpartner, wenn es um Fragen zur Steuerrealität in Deutschland geht. Für ihn ist es auch ein Anliegen, das Image seines Berufsstands aufzupolieren und zu zeigen, wie aufregend der Beruf des Steuer­beraters sein kann.

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Richard Lechner ist seit über 25 Jahren im Be­reich des Steuer­rechts tätig. Er ar­bei­tete mehrere Jahre als Leiter der Steuer­ab­tei­lung für eine der größten inter­na­tio­nal tätigen Wirt­schafts­prü­fungs- und Steuer­be­ra­tungs­ge­sell­schaften in Deutsch­land und gründete 2002 seine eigene Steuer­be­ra­tungs­ge­sell­schaft in Freising. Seine Er­fah­run­gen gibt er als Redner und Berater an Unter­nehmer und Ent­scheider weiter.

Zum Autor

HF
Herbert Fritschka

Redaktion DATEV magazin

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