Das Erbschaftsteuerurteil - 26. März 2015

Richtungsweisend

Nach der richtungs­wei­sen­den Ent­scheidung des höchsten deutschen Gerichts ist nun zu­nächst der Ge­setz­geber ge­for­dert. Aber auch die Experten im Erb- und Erb­schaft­steuer­recht werden mit Blick auf die be­vor­stehen­den Än­de­run­gen jetzt schon ge­stal­tend beraten.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat das Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) am 17. Dezember 2014 für verfassungswidrig erklärt. Die Regelungen der §§ 13a und 13b ErbStG, die kleine und mittelständische Unternehmen begünstigen, seien zwar grundsätzlich mit dem Gleich­heits­grund­satz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar, bedürfen aber in einigen Punkten der Nachbesserung durch den Gesetzgeber bis zum 30. Juni 2016. Daher sind nun viele Unternehmen, die eine Nachfolgeregelung planen oder bereits umgesetzt haben, verunsichert, ob, und wenn ja, welche Auswirkungen die Entscheidung auf ihre Nachfolgeplanung hat. Nachfolgend sollen daher die häufigsten Fragen beantwortet werden.
Ursächlich für das Urteil war die steuerliche Verschonung bei Übertragung von unter­neh­me­rischem Vermögen. Nach den aktuell noch geltenden Regelungen der §§ 13a und 13b ErbStG ist das unter­neh­me­rische Vermögen durch einen Verschonungsabschlag privilegiert. Es wird in der Regel nur mit 15 Prozent seines tatsächlichen Wertes der Erbschaft- und Schen­kung­steuer unter­worfen, sofern das Vermögen nicht mehr als 50 Prozent Ver­wal­tungs­ver­mögen enthält und die Lohnsummenkontrolle – bei Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten – eingehalten wird. Durch diese Regelungen wird insbesondere bei Fa­mi­lien­unter­nehmen das produktive Vermögen begünstigt mit dem Ziel, den Fortbestand des Unternehmens sowie die Erhaltung von Arbeitsplätzen zu gewährleisten.

Was hat das BVerfG entschieden?

Das Gericht befürwortet grundsätzlich, dass der Schutz von Familienunternehmen sowie der Erhalt von Arbeitsplätzen einen legitimen Aspekt darstellen, Betriebe ganz oder teilweise von der Steuer zu befreien. Insoweit sei die Begünstigung von Unternehmensvermögen, so wie es im derzeit geltenden Recht definiert ist, in Form des Verschonungsabschlags von 85 Prozent beziehungsweise 100 Prozent gerechtfertigt. Damit steht die derzeit geltende Ver­scho­nungs­re­ge­lung grundsätzlich nicht auf der Kippe. Nach dem Urteil bedarf es aber einer gesetzlichen Neuregelung im Hinblick darauf, welche Unternehmen künftig von der Be­güns­ti­gung profitieren sollen. Denn die bestehenden Regelungen führen in bestimmten Punkten zu einer Un­gleich­be­hand­lung, die mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr im Einklang mit einer gerechten Besteuerung stehen.
Die Richter bemängelten an der derzeitigen Regelung, dass durch die Ausnahmen nicht nur kleinere und mittelständische Betriebe bevorzugt werden, sondern unabhängig von ihrem wahren Entlastungsbedarf auch Großkonzerne. Ebenso missbilligte das Bundesverfassungsgericht die Freistellung von der Lohnsummenkontrolle von Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten sowie die Höhe des Verwaltungsvermögens von 50 Prozent, da diese Zahlen für eine Steuer­frei­stel­lung als zu hoch angesehen werden. Schließlich seien die Regelungen der §§ 13a und 13b ErbStG nach dem Gericht verfassungswidrig, soweit sie Gestaltungen zulassen, die zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung führen. Daher sei es nun Aufgabe des Gesetzgebers, präzise und handhabbare Kriterien zu bestimmen, die keine Ungleichbehandlungen zur Folge haben.

Hat der Gesetzgeber Handlungsalternativen?

Grundsätzlich überlassen die Richter dem Gesetzgeber – nicht zuletzt aufgrund seines weiten Gestaltungsspielraums – die Ausgestaltung der Neuregelung. Dabei stehen dem Gesetzgeber zwei Handlungsalternativen für eine verfassungskonforme Lösung zur Verfügung. Auf der einen Seite steht es ihm offen, eine neue Konzeption der Besteuerung zu schaffen. Auf der anderen Seite kann er an der bestehenden Konzeption festhalten und sich an die Abarbeitung der durch das BVerfG erteilten Reparaturaufträge halten. Darauf bezogen hat Finanzminister Wolfgang Schäuble verkündet, dass er die Vorgaben des BVerfG zur Erbschaftsteuer möglichst schnell umsetzen wolle. Er strebt eine „minimalinvasive und zügige Umsetzung“ an. Insoweit sollen nur die Vorgaben vom BVerfG umgesetzt werden, wodurch eine grundlegende Reform vom Tisch ist. Damit würde die Koalition an der bisherigen Kombination des Erbschaftsteuergesetzes mit hohen Steuersätzen und großzügigen Ausnahmen festhalten.

Was haben Betriebe nun künftig zu befürchten?

Auch zukünftig wird es für Unternehmen bei der Erbschaftsteuer grundsätzlich zu steuerlichen Vergünstigungen kommen, da an dem derzeit geltenden Regel-Ausnahme-Prinzip des ErbStG festgehalten wird. Die Vergünstigungen werden aber nicht mehr so üppig wie bisher ausfallen, insbesondere steht in der politischen Diskussion eine Erbschaftsteuererhöhung im Raum. Zwar strebt Finanzminister Schäuble eine solche Erhöhung nicht an, allerdings kann eine Steigerung der steuerlichen Belastung aufgrund der demografischen Entwicklung generell nicht ausgeschlossen werden.
Kleinere Unternehmen mit nicht mehr als 20 Beschäftigten werden wohl zukünftig der Lohn­sum­men­kon­trolle unterworfen sein. Dadurch wird zwar die Steuerbegünstigung für diese Unter­nehmen nicht abgeschafft, jedoch ist künftig die Nachsorgefrist von fünf Jahren zu beachten. Des Weiteren ist eine Ausnahme von der Lohnsummenkontrolle für Betriebe mit nicht mehr als fünf bis zehn Beschäftigten geplant. Ebenfalls sind eine Reduzierung der Ver­wal­tungs­ver­mögens­quote von derzeit 50 Prozent bei der Regelverschonung sowie die Beseitigung des Alles-oder-nichts-Prinzips zu erwarten. Hiervon werden insbesondere die Erwerber von Unternehmen betroffen sein, die eine relativ hohe Quote an Verwaltungsvermögen aufweisen. Für Inhaber von großen Unternehmen, die bisher eine übermäßige Begünstigung erfahren haben, besteht die größte Unsicherheit, da das Gericht die steuerliche Privilegierung bei ihnen an eine Be­dürf­nis­prü­fung anknüpft.
Der Gesetzgeber muss daher die Fragen klären, wann ein Unternehmen bedürftig ist und wie diese Bedürftigkeit gemessen wird. Über mögliche Vorgaben des Gesetzgebers kann in diesem Zusammenhang derzeit nur spekuliert werden. Für die Abgrenzung von kleinen beziehungsweise ­mittleren ­Unternehmen gegenüber großen Unternehmen hält das BVerfG eine Orientierung an der KMU-Definition der Europäischen Kommission für möglich (Grenze: 250 Arbeitnehmer, 50 Millionen Euro Umsatz und 43 Millionen Euro Bilanzsumme). Der Gesetzgeber könnte aber auch eine Förderungshöchstgrenze einführen, bis zu der die Verschonung gewährt werden soll. Derzeit wird eine Grenze von 100 Millionen Euro diskutiert.

Welche Regelungen gelten bis zum 30. Juni 2016?

Zunächst bleibt alles beim Alten. Bis zu einer gesetzgeberischen Neuregelung ist das aktuell bestehende Recht anwendbar. Ob es bereits zu einer Neuregelung vor dem 30. Juni 2016 kommen wird, ist offen. Finanzminister Schäuble strebt zwar eine schnelle Lösung an, sodass eine Neufassung des Gesetzes frühestens in der letzten Sitzung der Länderkammer dieses Jahres, am 18. Dezember 2015, verabschiedet werden könnte. Dem steht aber derzeit die politische Diskussion der Parteien entgegen. Sollte am 30. Juni 2016 keine verfassungskonforme Neu­re­ge­lung bestehen, wäre die logische Konsequenz, dass keine Erbschaftsteuer mehr erhoben werden könnte. Das Urteil des BVerfG verlangt ausdrücklich eine Neuregelung bis spätestens zum 30. Juni 2016 und lässt erkennen, dass die Regelungen der §§ 13a und 13b ErbStG nicht isoliert, sondern die Erbschaftsbesteuerung insgesamt auslaufen würden. Der federführende Bundes­ver­fas­sungs­richter Michael Eichberger hat dem generellen Entfall einer Erbschaftsteuer für Unternehmen aber eine Absage erteilt. Sollte der Gesetzgeber sich nicht auf eine Neuregelung verständigen, würde das BVerfG notfalls selbst tätig und durch eine einstweilige Anordnung eine vorübergehende Vorschrift zur Besteuerung erlassen. Insoweit sind die Hoffnungen oder Befürchtungen auf ein stilles Sterben der Erbschaftsteuer unberechtigt. Häufig wird auch gefragt, ob es nach dem Inkrafttreten zu einer rückwirkenden Besteuerung auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung kommen wird. Die Antwort lautet nein. Denn eine mögliche Rückwirkung des neuen Rechts auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung wurde durch die Richter zumindest im Grundsatz ausgeschlossen. Regelungen, mit denen eine exzessive Ausnutzung des noch geltenden Rechts verhindert werden soll, könnte der Gesetzgeber mit Rückwirkung anordnen. Finanzminister Schäuble schließt derzeit aber eine rückwirkende Verschärfung des Erb­schaft­steuer­rechts aus.

Übertragung noch vor der Gesetzesänderung?

Zunächst einmal sollten die Inhaber eines Unternehmens nicht in ­Panik verfallen. Diejenigen, die bereits eine Nachfolgeregelung getroffen haben, müssen derzeit keine nachteiligen Aus­wir­kun­gen befürchten. Jene Unternehmen, die eine Nachfolgeregelung jetzt erst planen, müssen für sich selbst die Frage beantworten, inwieweit die bevorstehenden Neuregelungen sie betreffen werden. Daher kann es ratsam sein, eine Nachfolgeregelung noch vor dem 30. Juni 2016 zu treffen. Nachteilige Auswirkungen durch eine Rückwirkung der Neuregelungen auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung sind nicht geplant, können aber generell auch nicht aus­ge­schlossen werden.

Fazit

Wer die Übertragung von unternehmerischem Vermögen plant, sollte mit Blick auf die be­vor­ste­hen­den Änderungen der Regelung des Erb­schaft­steuer­ge­setzes die richtigen Fachleute mit einbeziehen, damit erst keine Fehler bei der Übertragung entstehen. Das gilt insbesondere für Kleinunternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten und hohem Lohnsummenrisiko, Unter­nehmen mit hoher Verwaltungsvermögensquote und für Inhaber großer Unternehmen. Damit das BVerfG nicht auch künftig als vierte Instanz zum wiederholten Male die Ver­fas­sungs­wi­drig­keit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes feststellen muss, ist zu überlegen, ob nicht jene Fachleute, die die Verfassungswidrigkeit zurecht gerügt hatten, in die Gesetzesfindung mit eingebunden werden sollten.

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Das richtungsweisende Urteil des BVerfG zur Erbschaft- und Schenkungsteuer hat viele Betriebe verunsichert, die derzeit oder demnächst eine Nachfolgeregelung planen. Im Video beantwortet Rechtsanwalt Dr. Lutz Förster die häufigsten Fragen, die sich Unternehmer, aber auch deren Berater aktuell stellen.

Zum Autor

LF
Dr. Lutz Förster

Rechtsanwalt und Spezialist für Erbrecht in eigener Kanzlei in Brühl. Als führender Experte ist er als Autor und Dozent für erb- und stiftungsrechtliche Themen tätig.

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