Steuerberatung im Umbruch - 26. März 2015

Nicht für jeden ein Spaziergang

Der derzeitige Koalitionsvertrag gibt richtungs­wei­sende Impulse für einen inno­va­tiven Steuer­voll­zug. Ver­fah­rens­recht­liche An­pas­sun­gen an moderne und verfügbare Digi­tali­sie­run­gen werden in den nächsten Jahren wahr­lich einen Quanten­sprung in der Rechts­an­wen­dung bewirken.

Der derzeitige Koalitionsvertrag gibt richtungsweisende Impulse für einen innovativen Steuervollzug: Die Steuererhebung soll gleichmäßig und automatisiert erfolgen, auf Papier wird weitgehend verzichtet. Freifelder im Erklärungsformular eröffnen die Möglichkeit, eine eigene Rechtsmeinung anzubringen. So jedenfalls der politische Ansatz. Die verfahrensrechtlichen Anpassungen an moderne und verfügbare Digitalisierungen im Steuervollzug werden in den nächsten Jahren wahrlich einen Quantensprung in der Rechtsanwendung bewirken. Es wird ein neues, dem Digitalverkehr adäquates Informationsrecht mit Auskunftspflicht und Akteneinsicht geben.
Ersetzendes Scannen muss rechtssicher in der Praxis beim Steuerberater gleichermaßen wie beim KMU-Mandanten proaktiv von unserem Beruf eingeführt und angewandt werden. Dazu gehört ebenso die eigene Fakturierung mit digitaler Rechnung an den Mandanten (Signatur statt Unterschrift) oder der eigene Vorsteuerabzug aus digital erlangten Eingangsrechnungen (internes Kontrollsystem).

Im Brennpunkt

Der Steuerberater steht im Brennpunkt dieser technischen Entwicklungen. Die Automation hat im steuerberatenden Beruf einen außergewöhnlichen Entwicklungstrend bewirkt. Der Berufsstand ist ein anerkannter Kompetenzträger für EDV/ITK. Im Steuervollzug wird der technische Fortschritt allerdings von der Finanzverwaltung noch nicht kooperativ übernommen. Der Berufsstand leidet darunter und gleichermaßen die Mitarbeiter der Verwaltung. Die ­Finanzverwaltung ermittelt ihren Vollzugsaufwand von aktuellen Steuergesetzen bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens (BMF-Schreiben vom 11.03.2013). Dem gegenüber steht der anschwellende und noch nicht erhobene Vollzugsaufwand bei den Steuerpflichtigen, den Unternehmen und bei den Steuerberatern. Die Anwender im Lande empfinden die Last wuchernder Bürokratie schier als unerträglich. Zwar hat die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) zur Praxistauglichkeit von Steuergesetzen mit einer qualifizierten Darstellung den beklagenswerten Zustand reklamiert, doch fehlen quantitative Erhebungen zur Bürokratielast, mehr noch zur Ineffizienz des gegenwärtigen ­Steuervollzugs.
Der unwirtschaftliche Zustand sollte so nicht weiter hingenommen werden. Die politischen Vorhaben sind allerdings zu unterstützen. Zudem ist andauernd die lasttragende, aber derzeit gehemmte Mitwirkung des Steuerberaters darzustellen. Dem BMF sind von Mitgliedern festgestellte und reklamierte Schwachstellen und Unzulänglichkeiten als Hinweise zu übermitteln. Im Gegenzug für die Schwachstellen­analysen der Verbände und Kammern sind für den Berufsstand konkrete Vereinfachungen zum Steuervollzug einzuholen. Die Verwaltung darf die Steuerberater nicht länger gängeln, sondern muss proaktiv kooperieren.

GoBD

Die GoBD als Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bei Datenverarbeitungssystemen wurden vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) erstmals als Entwurf im April 2013 vorgelegt. Anachronistische Vorgaben bar jeglicher modernen Möglichkeiten führten bei den Berufsverbänden zu verheerender Kritik. Nach drei Entwurfsfassungen und etlichen Fachgesprächen legte die Verwaltung schließlich die finale Version am 14. November 2014 vor. Unpraktikable Textpassagen wurden teilweise ausgemerzt, rechtliche Fragwürdigkeiten wurden getilgt. Man fragt sich allerdings, welche Eigendynamik eine an sich dienende Verwaltung an den Tag legen kann. Oder kann überbordende Bürokratie nicht mehr überwacht werden?

Revisionssichere Aufbewahrung

Die Modernisierung des Besteuerungsverfahrens ist politisch und von der Verwaltung gewollt.

Ehedem war das Scannen rechtlich unverbindlich. Seit 2011 gab es einen ersten massiven Richtungswechsel. Statt Originale vorhalten zu müssen, wird nun mit elektronischen Dokumenten rechtssicher der Vorsteuerabzug ermöglicht. Obwohl DAX-Konzerne längst nicht mehr Unterlagen in Papier aufbewahren, dort auch keine Rechtsunsicherheiten auftreten, hinkt der KMU-Bereich noch kräftig nach. Unsicherheit, Trägheit oder mangelndes Kostenbewusstsein? Dabei sind die meisten Mitarbeiter dem technischen Fortschritt gegenüber aufgeschlossen. Für die Steuerberater liegt hier ein enormes Beratungspotenzial offen. Aufbewahrung kann nach dem Gesetz urschriftlich oder gleichwertig auch durch ordnungsgemäße Scanprozesse erreicht werden. Dies wurde für die Umsatzsteuer im elektronischen Rechnungsverkehr (Fakturierung) ab dem 1. Juli 2011 zulässig (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 6 Umsatzsteuergesetz). Dieser bemerkenswerte Fortschritt knüpft an zwei Bedingungen an: die Unversehrtheit des Inhalts beziehungsweise die Unveränderbarkeit der Daten. Das Verfahren hierzu kann der Unternehmer selbst fest­legen. Dafür richtet er sein innerbetriebliches Kontrollverfahren ein, um den verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung herzustellen und zu dokumentieren. Jede praktische Anwendung oder Regelung hat demnach nur zwei Ansprüche zu erfüllen: die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit (Unveränderbarkeit) der Dateien auf dem Datenträger. Nur steuerlich wird noch zusätzlich die maschinelle Auswertbarkeit gefordert.

Fazit

Die Modernisierung des Besteuerungsverfahrens ist politisch und von der Verwaltung gewollt. Leider nimmt die Verwaltung keine Rücksicht auf die praktischen Erfordernisse vor Ort. Die Kooperation gelingt allenfalls auf unterster Ebene und nur, wenn gegenseitiges Verständnis gepflegt wird. Es mangelt an Informationen zu neuen Formularabfragen und zu IT-Kapazitäten. Es mangelt auch an der Dienstausübung, um moderne IT-gestützte Prozesse im Risikomanagementsystem programmgemäß und ohne Medienbrüche ablaufen zu lassen.
Einmal erst das Wissen geschaffen, wird das papierersetzende Scanverfahren einen überwältigenden Nutzen im Steuerbüro und beim Mandanten bringen. Die Berufsverbände werden die Musterverfahrensdokumentation verbandsrechtlich als berufliche Übung und angewandte Praxis bekannt machen.

Zum Autor

PK
Dr. Peter Küffner

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsbeistand, Lehrbeauftragter der Universität Regensburg, Präsident des Landesverbandes der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe in Bayern sowie Vizepräsident des Deutschen Steuerberaterverbandes in Berlin

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