Das Verbands­straf­gesetz­buch - 27. Februar 2015

Genau hinsehen

Ein geplantes Gesetz macht Unter­nehmen für Compliance-Miss­stände von Zu­lieferern, Ge­schäfts­partnern und Co. haftbar. Dadurch müssen Geschäfts­führer aktiv werden und prüfen, mit wem sie sich einlassen.

DATEV magazin: Herr Prof. Römermann, Sie sagten einmal martialisch, das geplante Verbands­straf­gesetz­buch käme der Einführung der Todesstrafe für Unternehmen gleich. Wie ist das zu verstehen?

VOLKER RÖMERMANN: Durch das Gesetz soll der Fokus im Bereich der Wirtschaftskriminalität weg von der Pönalisierung für in der Vergangenheit begangene Rechtsverstöße hin auf Vermeidung künftiger Regelverstöße gelegt werden. Das wird drastische Konsequenzen für Unternehmen und auch ihre steuerlichen Berater haben. Vorgesehen ist bei erheblichen Verstößen auch die Löschung von Unternehmen, also deren Existenzvernichtung.

DATEV magazin: Warum plant man ein solches Gesetz?

VOLKER RÖMERMANN: Als Sanktionsmaßnahmen gegenüber Unternehmen kamen bislang im Wesentlichen Bußgelder gemäß der §§ 30, 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) in Betracht. Nach Auffassung von Thomas Kutschaty, Justizminister in Nordrhein-Westfalen, sind derartige Bußgelder nicht mehr ausreichend für die heutigen Organisationsgesellschaften. In den Unternehmen und Verbänden werde ein System der organisierten Unverantwortlichkeit gelebt; die Sanktionen träfen lediglich Bauernopfer, während die wirtschaftlichen Vorteile des rechtswidrigen Handelns weiterhin den Unternehmen und Verbänden zufließen. Damit soll nun Schluss sein, die Unternehmen und Verbände sollen selbst in das Zentrum der Strafverfolgung rücken.

DATEV magazin: Der Gesetzentwurf geht demnach auf eine Initiative des NRW-Justiz­minis­teriums zurück?

VOLKER RÖMERMANN: Richtig. Ende 2013 bereits wurde auf Vorschlag des NRW-Justizministers der Gesetzentwurf zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden, kurz Verbandsstrafgesetzbuch (VerbStrG), in die Justizministerkonferenz der Länder eingebracht. Mit einer Verabschiedung im laufenden Jahr muss gerechnet werden.

DATEV magazin: Ist es nicht ein hehres Ziel, Unternehmen zu gesetzmäßigem Handeln anzuhalten?

VOLKER RÖMERMANN: Es stellt sich die Frage, ob es wirklich des – unstreitig publikumswirksamen – Verbandsstrafgesetzbuches bedarf, um dieses Ziel zu erreichen. In § 62 GmbH-Gesetz (GmbHG) findet sich bereits zum heutigen Tage eine Regelung, die seit dem Inkrafttreten dieser Vorschrift im Jahr 1892 ein Vorgehen unmittelbar gegen die Gesellschaft ermöglicht. Absatz 1 lautet: „Wenn eine Gesellschaft das Gemeinwohl dadurch gefährdet, dass die Gesellschafter gesetzwidrige Beschlüsse fassen oder gesetzwidrige Handlungen der Geschäftsführer wissentlich geschehen lassen, so kann sie aufgelöst werden, ohne dass deshalb ein Anspruch auf Entschädigung stattfindet.“

DATEV magazin: Dieser Vorschrift wird aber doch in der Kommentierung „effektive Bedeutungslosigkeit“ attestiert.

VOLKER RÖMERMANN: Gerade vor diesem Hintergrund wirft der Gesetzentwurf ja Fragen auf. So wird in der Gesetzesbegründung davon gesprochen, eine zeitgemäße Kultur der Unternehmens-Compliance zu stärken, von der wiederum positive, wenn auch nicht quantifizierbare Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg der betroffenen Unternehmen, speziell im internationalen Wettbewerb, zu erwarten seien.

DATEV magazin: Und dieser Ansatz ist Ihrer Meinung nach falsch?

VOLKER RÖMERMANN: In einer Welt ohne Wirtschaftskriminalität mag dieser Ansatz womöglich greifen, gegenwärtig folgt daraus jedoch als unmittelbare Konsequenz, dass sich rechtstreue Unternehmen aus dem internationalen Wettbewerb zurückziehen werden. Dafür gibt es schon ganz konkrete Beispiele. So hat Bilfinger SE 2014 verkündet, sich aus Nigeria zurückzuziehen. Dort ist das Unternehmen mit 18.000 Mitarbeitern größter privater Arbeitgeber. Anlass war die Befürchtung, dass es insbesondere in den USA zu drastischen Konsequenzen wegen mangelnder Compliance käme, wenn man in Nigeria bei einer Bestechung erwischt würde. Das war dem Unternehmen zu riskant, weil man – wie ich selbst bestätigen kann – in Nigeria nicht einmal über die Grenze kommt, ohne ein Bestechungsgeld zu zahlen.

DATEV magazin: Solche Konsequenzen mag man kaum glauben.

VOLKER RÖMERMANN: Das Korruptionsbarometer 2013 von Transparency International benennt zahlreiche Staaten als hoch korrupt. Mit diesen stehen nicht wenige deutsche Unternehmen bislang in enger Verbindung. Angesichts der einschneidenden Konsequenzen auch bei Auslandstaten wird es sich bald kaum noch ein deutsches Unternehmen erlauben, insoweit Risiken einzugehen. Das mag man missionarisch als deutschen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung in der Welt ansehen, aber nur unter der Prämisse, dass in dem relevanten Land daraufhin Rechtstreue einkehrt und nicht Unternehmen aus anderen Ländern das Feld besetzen, die wiederum Gesetze wie das Verbandsstrafgesetzbuch als einen naiven, stets gut gemeinten Versuch zur Welt­ver­besse­rung belächeln, gleichwohl aber die Korruptionspraxis nahtlos fortsetzen.

DATEV magazin: Als mögliche Sanktion kommt zunächst die Verbandsstrafe in Betracht. Können Sie das kurz erläutern?

VOLKER RÖMERMANN: Gemäß § 4 Abs. 1 des geplanten Gesetzes umfasst der Begriff der Verbandsstrafe die Verbandsgeldstrafe, die Verbandsverwarnung mit Strafvorbehalt sowie die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung. Grundlage zur Bemessung der Verbandsgeldstrafe ist der durchschnittliche ­Gesamtumsatz des Unternehmens beziehungsweise Verbands, wobei die Geldstrafe gemäß § 6 Satz 3 insgesamt zehn Prozent des durchschnittlichen Gesamtumsatzes nicht übersteigen darf.

DATEV magazin: Und wegen der Bemessungsgrundlage Umsatz drohen dann die schlimmen Folgen?

VOLKER RÖMERMANN: Gesamtumsatz ist hier der weltweite Bruttoumsatz, und unter Strafe stehen auch im Ausland begangene Taten. Vor allem bei umsatzstarken Großunternehmen stellt die Verbandsgeldstrafe somit ein äußerst scharfes Schwert dar. Aber auch sonst sind verheerende Auswirkungen für die betroffenen Unternehmen zu erwarten.

DATEV magazin: Und was ist unter dem Begriff der Verbandsmaßregeln zu verstehen?

VOLKER RÖMERMANN: Darunter fallen gemäß § 4 Abs. 2 der Ausschluss von Subventionen, der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge sowie – als Höchststrafe – die Ver­bands­auf­lösung. Diese droht, wenn eine Straftat im Sinne des Gesetzes beharrlich wiederholt wird – wobei Beharrlichkeit nicht weiter definiert wird – und eine vom Gericht vorzunehmende Gesamt­würdi­gung ergibt, dass weitere erhebliche rechtswidrige Zuwiderhandlungen gegen das Verbands­straf­ge­setz­buch zu erwarten sind (§ 12 VerbStrG).

DATEV magazin: Wer alles kann Täter sein?

VOLKER RÖMERMANN: Nach der Legaldefinition des § 1 sind das die Entscheidungsträger eines Unternehmens oder Verbands. Davon umfasst sind die vertretungsberechtigten Organe einer juristischen Person, der Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins sowie vertretungsberechtigte Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft. Zusätzlich werden diejenigen Personen erfasst, die in einem Betrieb oder Unternehmen rein tatsächlich eine Leitungsfunktion verantwortlich wahrnehmen, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die Ausübung von Kontrollbefugnissen gehört.

DATEV magazin: Strafbares Handeln also auch durch Unterlassen?

VOLKER RÖMERMANN: Die Strafbarkeit des Unternehmens kann auch durch ein Unterlassen der intern zur Aufsicht verpflichteten Personen entstehen, wobei der Kreis tauglicher Täter auch Umwelt- beziehungsweise Datenschutzbeauftragte und andere umfasst.

DATEV magazin: Wie kann man der Strafbarkeit entgehen?

VOLKER RÖMERMANN: § 5 schafft den Anreiz, Compliance-Maßnahmen im Unternehmen voranzutreiben. Denn nach dieser Vorschrift kann das Gericht von einer Verbandssanktion absehen, wenn der Verband ausreichende organisatorische oder personelle Maßnahmen getroffen hat, um vergleichbare Verbandsstraftaten in Zukunft zu vermeiden, und wenn ein bedeutender Schaden nicht entstanden oder dieser zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht ist.

DATEV magazin: Abschließend ein kurzes Fazit?

VOLKER RÖMERMANN: Das Verbandsstrafgesetzbuch ist für Politiker attraktiv. Korrupte Unternehmen zu bekämpfen, ist publikumswirksam, zugleich füllen die Abschöpfung von Gewinn/Umsatz, der Verfall sowie die Verbandsgeldstrafe die Haushaltskasse. Um Verbands­strafen zu vermeiden, sind Unternehmen und Verbände gut beraten, rechtzeitig umfangreiche Compliance-Strukturen zu etablieren.

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Compliance ist ein vielschichtiges Thema, das nicht nur von Firmen bzw. Unternehmen zu beachten ist, sondern auch für die freien Berufe an Bedeutung gewinnt. Ohne wirksame Compliance-Strukturen können jetzt schon empfindliche Buß­gelder drohen. Sehen Sie dazu ein Interview mit Prof. Römermann.

Zu den Autoren

Prof. Dr. Volker Römermann

Rechtsanwalt und Fachanwalt sowohl für Handels- und Gesellschaftsrecht wie auch für Arbeitsrecht und Insolvenzrecht. Er ist zudem Vorstand der Römermann Rechtsanwälte Aktiengesellschaft in Hamburg/ Hannover/ Berlin sowie Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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