Compliance-Management - 27. Februar 2015

Damit sich alle geschützt fühlen

Kleine und mittelständische Betriebe tun gut daran, ihrer ver­trauens­basierten Arbeits­weise eine feste Form zu geben. So beugen sie Compliance-Risiken vor und erlangen Wert­schät­zung von Mit­ar­beitern und Kunden.

Erfolgreiche deutsche Mittelständler mit internationaler Ausrichtung finden sich auffallend häufig unter den sogenannten Hidden Champions wieder. Das heißt, sie sind Marktführer in ihrer Branche oder ­einem Spezialsegment. Dabei ist ihr Erfolg sehr oft auf die ­besondere und einzigartige – zumeist von Vertrauen geprägte – Unternehmenskultur zurückzuführen. Studien belegen, dass die Unternehmenskultur bis zu einem Drittel des wirtschaftlichen Erfolges einer Organisation ausmacht. Gleichzeitig wachsen mit zunehmender Unternehmensgröße, inter­na­tio­naler Ausrichtung, Diversifizierung und Komplexität die Compliance-Risiken. Ein Orga­ni­sa­tions­ver­schulden der Geschäftsleitung wird wohl kaum mit Verweis auf die meist nicht dokumentierte Unternehmenskultur zu entschärfen sein. Somit sind auch mittelständische Unternehmer aufgefordert, ein Managementsystem einzurichten, um solchen Risiken zu begegnen (s. auch Eichler, Die Wirtschaftsprüfung, 1/2015).

Compliance und Vertrauenskultur: Geht das?

Sie stehen dabei regelmäßig vor dem Dilemma, mit einem solchen System auch Regeln und auf diese ausgerichtete Kontrollen bis hin zu ­einem Hinweisgebersystem implementieren zu müssen, damit das System sein Ziel – die Vermeidung beziehungsweise wesentliche Erschwerung von Regelverstößen in der Organisation (vgl. § 130 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten [OWiG]) – effektiv erreichen kann. Denn dadurch wird häufig eine über Jahre gewachsene Vertrauenskultur – die für ­Flexibilität und hohe Transaktionsgeschwindigkeit steht – konterkariert. Darüber hinaus können sich interne Widerstände bis hin zur Ablehnung der eingeführten Regeln seitens der Stakeholder (insbesondere der Mitarbeiter) einstellen. Es gilt daher, ein Managementsystem zu finden, das eine Stärkung der bereits bestehenden Vertrauenskultur zum Ziel hat und darüber hinaus, sozusagen als zentrale Nebenbedingung, auch die Sicherstellung der Gesetzes- und Regelkonformität nach sich zieht.

Managementsystem mit Prinzip

Verantwortungsbewusst agierende Mittelständler setzen daher immer häufiger auf die Im­ple­men­tie­rung eines Unternehmenskultur-Managementsystems, um dadurch die Vorteile einer gewachsenen und hoch entwickelten Unternehmenskultur mit der Notwendigkeit der Sicher­stellung gerichtsfest dokumentierter Compliance zu verknüpfen. Indem sie ihre Unter­neh­mens­kultur in ein nachhaltig ausgerichtetes Managementsystem integrieren, gelingt es ihnen darüber hinaus, die von ihnen gewünschte Kultur gezielt zu entwickeln und dadurch mess- und steuerbar zu machen. Dabei hat sich ein prinzipienorientierter Ansatz als besonders erfolgreich heraus­ge­stellt. Prinzipien wirken stärker als Werte, da sie unter allen Umständen als hand­lungs­leitend anzusehen sind und zu einer persönlichen Disziplinierung zwingen. Studien zeigen auf, dass Organisationen, die authentisch und nachhaltig prinzipienorientiert gesteuert werden, durchweg erfolgreicher sind als ihre Wettbewerber, die sich nicht an zentralen Kern­prin­zi­pien ausrichten. Um die prinzipienorientierte Steuerung nachhaltig im Bewusstsein der Stakeholder zu verankern, sollte eine Beschränkung auf drei Kernprinzipien erfolgen (zum Beispiel Integrität, Innovation und Teamwork). Zumindest eines der Kernprinzipien muss sodann geeignet sein, die von der Organisation verfolgte Compliance-Strategie aufnehmen zu können. Hierfür würde sich beispielsweise das Prinzip der Integrität anbieten. Um interne Widerstände bei der Umsetzung zu vermeiden und die Vertrauenskultur zu stärken, ist – insbesondere im Stadium der Einführung – darauf zu achten, möglichst viele Stakeholder in die Entwicklung der Prinzipien einzubinden. Das kann mittels moderierter Workshops erfolgen, in denen Mitarbeiter aller Hierarchieebenen sowie Geschäftseinheiten eingebunden werden (repräsentative Vertretung aller Interessengruppen im Unternehmen). Wichtig ist darüber hinaus, dass die gemeinschaftlich identifizierten Prinzipien in der Folge durch konkrete ­Hand­lungs­leitlinien (Dos and Don´ts) untermauert und im Rahmen einer ­regelmäßigen internen Kommunikation immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden. Darüber hinaus erscheint es wichtig, dass die Prin­zipien auch im Rahmen der Strategie- und Produkt­ent­wick­lung, der ­externen Kommunikation wie auch im Schulungs- und Trainings­pro­gramm ihren Niederschlag finden. Die Geschäftsleitung und auch die nachgelagerten Führungs­ebenen müssen voll hinter den Prinzipien ­stehen und im Tagesgeschäft sowie auf internen und externen Veranstaltungen diese ins Zentrum ihres Redens und Handelns stellen. So wird die Ernsthaftigkeit der Umsetzung durch vorbildliches Verhalten der Führungs­kräfte vorgelebt.

Unterstützende Maßnahmen

Darüber hinaus sind folgende Maßnahmen zur Ergänzung und Abrundung des Manage­ment­systems vorstellbar:

  1. Abbildung der Prinzipien und der daraus abgeleiteten Handlungsleitlinien (idealerweise ergänzt um eine ausdrucksstarke und mitreißende Vision) in einem an alle Stakeholder übermittelten Ethikkodex
  2. Einrichtung einer Helpline sowie zentraler und dezentraler Ansprechpartner (sogenannter Kultur-Scouts), die für Rückfragen sowie Hilfestellung zu den Prinzipien zur Verfügung stehen (und darüber hinaus die Weiterentwicklung des Managementsystems verantworten)
  3. Festlegung von Spielregeln zum internen Umgang mit erkannten Prinzi­pien­ver­stößen
  4. Definition und Kommunikation von Sanktionen für den Fall des Verstoßes gegen einzelne Prinzipien (insbesondere solche mit Compliance-Relevanz)
  5. Identifikation von Plattformen, die einer regelmäßigen internen Kommunikation der Prinzipienorientierung dienen und sowohl positive als auch negative Entwicklungen dokumentieren (beispielsweise ­indem das Thema als regelmäßiger Tagesordnungspunkt von Abteilungssitzungen aufgenommen wird)
  6. Identifikation und regelmäßige Messung/Analyse kultureller Indikatoren, die eine Beachtung beziehungsweise Missachtung der Prinzipien erkennen lassen (etwa Anzahl der Prin­zi­pien­ver­stöße, Entwicklung Beschwerdestatistik, Mitarbeiterzufriedenheitsanalyse, Fluktuation, Krankenstandsentwicklung, Burn-out-Quote usw.)
  7. Regelmäßige interne beziehungsweise externe Auditierung, um eine neutrale Begutachtung der Effektivität des Managementsystems zu ermöglichen und den Spannungsbogen auf­recht­zu­erhalten

Fazit

Mittelständische Unternehmen können sich im Wettbewerb positionieren und gleichzeitig ihre Compliance-Risiken reduzieren. Das kann allerdings nur gelingen, wenn die Geschäftsleitung vom Erfolg eines prinzipienorientierten Managementsystems überzeugt und bereit ist, dieses – auch gegen Widerstände – authentisch und damit unterstützend vorzuleben.

Zum Autor

HE
Hubertus Eichler

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sowie Direktor der MAZARS GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in München

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