GoBD - 29. Januar 2015

Auch digital ist legal

Die GoBD übertragen abstrakte Ordnungsregeln und die Rechtsprechung möglichst praxisgerecht auf neuere betriebliche Verwaltungsprozesse, wie das belegersetzende Scannen.

Heutzutage finden sich in nahezu jedem Unternehmen digitale Verwaltungsmodule. Von der elektronischen Kasse über Warenwirtschaftssysteme, Rechnungslegungs-, Kundenverwaltungs- oder Zeiterfassungsprogramme bis zur (individualisierten) Komplettlösung. Die Entwicklung der digitalen Unternehmensverwaltung ist dabei noch in vollem Gang, auch weil mit der kontinuierlich zunehmenden Fülle an Daten (bei kaum mehr ansteigendem Informationsgehalt) neue Herausforderungen für die Organisation entstanden sind. Weitere Effizienzsteigerungen für die Wirtschaft lassen sich in Form des elektronischen Rechnungsverkehrs (Forum elektronische Rechnung Deutschland [FeRD]) und der ­automatisierten Datenmigration im Rahmen von Leistungsbeziehungen bereits erkennen. Trotz der ökonomischen Notwendigkeit für eine zeitgemäße Unternehmenssteuerung und das Controlling (Graf, BBK 18/2013, S. 875 f.) sowie unbestreitbarer Vorteile darf die elektronische Verwaltung nicht das gesetzliche Ve­ri­fi­ka­ti­ons­prin­zip des Besteuerungsverfahrens (§ 85 Abgabenordnung [AO]) aushebeln. Dieses gründet sich mit den Ordnungsvorgaben der §§ 140 ff. AO vor allem auf die Nachvollziehbarkeit der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsprozesse, damit es ­einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit möglich ist, einen Überblick über die korrekte Besteuerung zu erlangen (§ 145 AO).

Abstrakte Ordnungsvorgaben

Mit allgemein gefassten Kernmerkmalen wie der „nachvollziehbaren Richtigkeit und Vollständigkeit“ (§ 146 I AO) sowie der „Gewissheit der Originalität“ (§ 146 IV AO) gibt das steuerliche Verfahrensrecht abstrakte Anforderungen an die Aufzeichnung und Aufbewahrung von Besteuerungsgrund­lagen vor. Inhaltlich stehen diese Maßgaben in Übereinstimmung mit dem Handelsrecht und bilden die Vertrauensgrundlage ­unter gewissenhaften Kaufleuten. Die abstrakte Form der Ordnungsvorschriften soll eine Bevorzugung spezieller Systeme verhindern und trägt der realistischen Einschätzung Rechnung, dass die Legislative mit der technischen Weiterentwicklung nicht Schritt halten kann. Insofern ist die teleologische Übertragung (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 158 AO, Rz. 12) der allgemeinen Anforderungen an die tatsächlichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsprozesse übliche Beurteilungspraxis, wenn in der Kommentierung beispielsweise nach wie vor das Bleistiftverbot angeführt wird (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 146 AO, Rz. 62). Die Finanzverwaltung hat mit den bekannten Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) (LEXinform 0131134), den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) (LEXinform 0575712) sowie den Fragen und Antworten zum Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung (LEXinform 0174133) auf die veränderten Formen der Erfassung und Speicherung mit Konkretisierungen reagiert. Die neuen Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) (LEXinform 5235281) sollen diese zusammenfassen und die ab­strakten Ordnungsvorgaben klarstellen. Wesentliche Voraussetzung für die Verifizierbarkeit von Besteuerungsunterlagen in angemessener Zeit ist ein Ordnungssystem, welches aus dem Hauptbuch einen schnellen Zugriff auf alle Dokumente zu einem Vorgang sicherstellt. So wie in der papierenen Dokumentationszeit Vorkontierungen auf den Belegen ­sowie deren allgemein verständliche Sortierung eine zügige retrograde Prüfbarkeit gewährleisten sollten, müssen auch elektronische Verwaltungssysteme eine vergleichbare Organisation aufweisen. In den GoBD sind eindeutige Zuordnungsmerkmale, wie Indizes und Dokumenten-IDs, genannt (Pkt. 4.2, Rn. 71), die ­innerhalb der gespeicherten Daten die Verknüpfungen eindeutig wiedergeben. Aufgrund des Rechts der Finanzbehörde auf Überlassung der ­Besteuerungsdaten in maschinell auswertbarer Form auf einem Datenträger (§ 147 VI AO; im Rahmen ­einer Außenprüfung) muss das Organisationssystem auch nach einem Datenexport systemunabhängig bestehen bleiben, da die Finanzverwaltungen nicht alle Un­ter­neh­mens­ver­wal­tungs­sys­teme vorhalten können (s. a. Fragen-Antworten-Katalog zum ­Datenzugriff, Pkt. II).

Nachweis- und Beweisfunktion

Jeder Beleg und jede belegersetzende Aufzeichnung beziehungsweise Speicherung hat Nachweis- und Beweisfunktion für die anzusetzenden Besteuerungsgrundlagen im Sinn des § 158 AO. Aus dem Grund wird in den GoBD die Belegsicherung besonders herausgestellt (Pkt. 4.1). Sollen Papierbelege im Anschluss an das Einscannen vernichtet werden, ­müssen die erzeugten Dateien alle beweiserheblichen Inhalte der ­Ursprungsdokumente nachprüfbar beinhalten. Sofern dazu die Farbe (Pkt. 9.3, Rn. 137) zählt, reicht deshalb das Scannen in Schwarz-Weiß nicht aus. Die elementare Bedeutung der Beweisvorsorge (Pump/Heidl, StBp 2014, S. 162 und S. 204 ff.) insbesondere für belegersetzende Verwaltungsvorgänge findet sich in den GoBD beispielsweise mit der ­Empfehlung einer Organisationsanweisung inklusive Qualitätskontrolle für das Scannen (Pkt. 9.3, Rn. 136), denn im Besteuerungsverfahren ist der Vertrauensvorschuss auch dann abzuerkennen, wenn die Ordnungsmängel nicht schuldhaft verursacht wurden.
Die Absicherung von Dokumenten gegen spurlose (nachträgliche) Veränderungen ist eine fundamentale Voraussetzung für Vertrauen in die sachliche Richtigkeit. Deshalb zielt die wortgleiche Ordnungsmaßgabe des Handelsrechts (§ 239 III HGB) und der Abgabenordnung (§ 146 IV AO) nicht nur auf die Unverändertheit von Aufzeichnungen, sondern auch auf deren Gewissheit ab. Dass digitale Daten im Grundzustand „veränderbar“ sind, wurde in der Literatur zuletzt mehrfach ausführlich dargestellt (insbesondere mit ­unterschiedlichen Perspektiven der Autoren [Huber/Reckendorf/Zisky, BBK 12/2013, S. 567, BBK 13/2013, S. 610, sowie BBK 14/2013, S. 663]). Das ­BMF hat deshalb im Anwendungserlass zur Abgabenordnung bezüglich der belegersetzenden Aufzeichnung elektronischer Registrierkassen zum § 158 AO konkretisiert: „Die ­gesetzliche Vermutung der Richtigkeit der Kassenbuchführung erfordert, dass ein schlüssiger Nachweis hinsichtlich der Unveränderbarkeit der Einzelbuchungen und deren Zusammenführung bei der Erstellung steuerlicher Abschlüsse geführt werden kann.“
Auch Bilddateien als das Ergebnis belegersetzenden Scannens oder ein (rein) elektronischer Dokumentenaustausch erfordern zusätzliche Maßnahmen zur Absicherung gegen spurlose Veränderungen (Finanzgericht München vom 04.05.2010, Az. 13 V 540/10), weil selbst für Nutzer mit geringem IT-Verständnis mit kostenloser Software (aus dem Internet) viele Eingriffe in ungesicherte (Bild-)Dateien möglich sind. Entsprechend ausführlich wird das Thema „Unveränderbarkeit, Protokollierung von Änderungen“ in den GoBD dargestellt (Pkt. 8). Hinsichtlich des belegersetzenden Scannens wird neben der allgemeinen Absicherung gegen spurlose Veränderbarkeit auf die korrespondierende Bearbeitung von neben­einander archivierten elektronischen und Papierbelegen hingewiesen (Pkt. 9.3, Rn. 139). Zusätzlich besteht in dem Zusammenhang vor allem die Praxisgefahr, dass die als sogenannte ­Metadaten gespeicherten Struktur- und Organisationsinformationen zu digitalen Besteuerungsunterlagen verloren gehen, beispielsweise durch eine Formatumwandlung (Pkt. 9.1, Rn. 129). In diesem Fall wäre die Gewissheit der Originalität im Sinn der Beweisvorsorge nicht mehr ­herstellbar.

Fazit

Weder ein (rein) elektronischer Dokumentenaustausch noch das beleg­ersetzende Scannen als weitere Schritte der Digitalisierung der Wirtschaft stehen im Widerspruch zum Ve­ri­fi­ka­ti­ons­prin­zip des steuerlichen Verfahrensrechts. Dementsprechend wird die Vernichtung papierener Belege im Anschluss an die scannende Archivierung in den GoBD nicht abgelehnt (Pkt. 9.3, Rn. 140).
Grundsätzlich unterstützt die Finanzverwaltung den elektronischen ­Informationsaustausch (s. als allgemeines Beispiel auch das Elster­Online-Portal), allerdings muss dabei das Grundprinzip unseres Besteuerungssystems gewahrt bleiben. Dieses setzt nach § 158 AO die Prüfbarkeit von Be­steu­er­ungs­grund­la­gen voraus, indem von der Nachvollziehbarkeit der Aufzeichnungs- und Auf­be­wahr­ungs­pro­zes­se auf die angemessene Untersuchungstiefe beziehungsweise die Beweiskraft geschlossen werden kann. Dafür müssen auch moderne digitale Verwaltungsverfahren wie das belegersetzende Scannen die Kernmerkmale der Ordnungsmäßigkeit erfüllen. Diese An­for­de­run­gen erweitern nicht den sachlichen Umfang einer Außenprüfung (GDPdU, Pkt. I, s. a. Fn. 12), sondern sind eine konkrete Anwendung der abstrakten gesetzlichen Ordnungsregeln auf die heute praktizierte Unternehmensverwaltung.

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Unterstützung beim er­set­zen­den Scannen erhalten die Anwender durch die „DATEV Arbeitshilfe zur Ver­fah­rens­do­ku­men­ta­ti­on beim Er­set­zenden Scannen von Bu­ch­ungs­be­le­gen“. Basis der Arbeitshilfe ist die im be­rufs­recht­li­chen Handbuch veröffentlichte „Muster-Ver­fah­rens­do­ku­men­ta­ti­on zur Digitalisierung und elek­tro­ni­sch­en Auf­be­wah­rung von Belegen inkl. Vernichtung der Pa­pier­be­le­ge“, die die Bun­des­­steu­­er­­be­­ra­­ter­­kam­­mer und der Deut­sche Steu­er­be­ra­ter­ver­band gemeinsam vor­ge­legt haben.
Die Arbeitshilfe wurde auf die Nutzung der Anwendungen DATEV Unternehmen online und DATEV DMS classic pro abgestimmt, unterstützt mit Automatismen, Ein­ga­be­mas­ken, Anlagen und As­sis­ten­ten, und kann außerhalb einer installierten DATEV-Umgebung genutzt werden.
Unter www.datev.de/ersetzendes-scannnen
erfahren Sie mehr.

 

Zum Autor

AW
Andreas Wähnert

hat das Prüfungsnetz der „Summarischen Risikoprüfung (SRP)“ entwickelt, welches in mehr als der Hälfte der Bundesländer im Einsatz ist und im europäischen Ausland getestet wird.

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