Gemeinnützige Körper­schaften - 18. Juli 2014

Eine Frage der Ehre

Für gemeinnützige Vereine und andere gemein­nützige Körper­schaften gelten zahl­reiche Sonder­vor­schriften und Privi­legien. Zuletzt ergaben sich Än­de­run­gen durch den An­wen­dungs­erlass zur Ab­ga­ben­ord­nung und durch das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts.

Gemäß § 52 Abgabenordnung (AO) verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Oft sind gemeinnützige Organisationen in Deutschland in der Rechtsform des eingetragenen Vereins organisiert, in zunehmendem Maße jedoch auch als Stiftung oder gemeinnützige GmbH (gGmbH). Folge der Anerkennung der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt ist, dass die betreffende Körperschaft von Ertragsteuern und Vermögenssteuern befreit ist. Bei der Umsatzsteuer gilt für die Leistungen der gemeinnützigen Körperschaft gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Umsatzsteuergesetz (UStG) der ermäßigte Steuersatz, sofern die Leistungen nicht gemäß § 4 UStG ausdrücklich steuerbefreit sind. Werden die Leistungen im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt, gilt umsatzsteuerlich allerdings der Regelsteuersatz von zurzeit 19 Prozent.
In letzter Zeit gab es zahlreiche Änderungen in Bezug auf die steuerliche Behandlung von gemeinnützigen Körperschaften. Nachfolgend werden einige dieser Änderungen kurz dargestellt.

Inlandsbezug

Ein Inlandsbezug ist gegeben, wenn die Tätigkeit der Körperschaft auch zur Verbesserung des Ansehens Deutschlands im Ausland beitragen kann.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 17. Januar 2012 den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) geändert und ergänzt. Unter anderem wurde der sogenannte Inlandsbezug, der gemäß § 51 Abs. 2 AO in der Fassung des Jahressteuergesetzes (JStG) 2009 Voraussetzung für die Steuervergünstigung ist, wenn die steuerbegünstigten Zwecke im Ausland verwirklicht werden, näher definiert. Falls durch die Tätigkeit keine im Inland lebenden Personen gefördert werden, ist danach ein Inlandsbezug gegeben, wenn die Tätigkeit der Körperschaft neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zur Verbesserung des Ansehens Deutschlands im Ausland beitragen kann. Für in Deutschland ansässige Körperschaften fingiert der Erlass eine Indizwirkung dahin gehend, dass es ausreichend sei, wenn diese sich personell, finanziell, planend, schöpferisch oder anderweitig an der Förderung gemeinnütziger und mildtätiger Zwecke im Ausland beteiligen. Für ausländische Körperschaften heißt es im AEAO, dass diese Indizwirkung nicht bestehe, dass jedoch die Erfüllung dieser Tatbestandsalternative „nicht grundsätzlich ausgeschlossen“ sei. Ausländische Körperschaften könnten – so der AEAO zu § 51 Abs. 2 – den Inlandsbezug zum Beispiel dadurch erfüllen, dass sie ihre steuerbegünstigten Zwecke zum Teil auch in Deutschland verwirklichen oder – soweit sie nur im Ausland tätig seien – dass sie auch im Inland lebende natürliche Personen fördern, selbst wenn die Personen sich zu diesem Zweck im Ausland aufhalten.

Aufgabe der Geprägetheorie

Außerdem hat die Finanzverwaltung mit der Neufassung des AEAO ihre vorher vertretene Geprägetheorie aufgegeben. Diese Theorie besagte, dass eine Körperschaft dann nicht gemeinnützig werden oder sein konnte, wenn die Tätigkeiten der Körperschaft insgesamt ein gewerbliches Gepräge gegeben hatte. Die Aufgabe der Geprägetheorie erfolgte, nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) deren Anwendung zuvor bereits mehrfach verworfen hatte.

Wiederbeschaffungsrücklage

Im AEAO zu § 58 AO werden die Voraussetzungen für die Bildung einer Wiederbeschaffungsrücklage genannt. Unter anderem setzt die Bildung einer Wiederbeschaffungsrücklage jetzt voraus, dass der konkrete Reinvestitionsbedarf detailliert dargelegt wird, dass eine Neuanschaffung tatsächlich geplant ist und dass diese auch nach den finanziellen Verhältnissen der Körperschaft möglich erscheint.

Satzung

Im AEAO zu § 60 werden Einzelheiten zu den Anforderungen an die Satzung genannt. Die Mustersatzung war im Rahmen des JStG 2009 als Anlage 1 zu § 60 AO auf eine gesetzliche Grundlage gestellt worden. Im AEAO wird nun erläutert, in welchen Fällen Abweichungen vom Wortlaut der Mustersatzung gestattet sind und auch dass derselbe Aufbau und dieselbe Reihenfolge wie in der Mustersatzung nicht verlangt werden. Daneben betreffen die Änderungen des AEAO beispielsweise das Erfordernis, dass die Zahlung von Tätigkeitsvergütungen einer ausdrücklichen Ermächtigung in der Satzung bedarf, sowie die Angabe von Einzelheiten zur wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit der Leistungsempfänger (AEAO zu § 53).

Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts

Mit dem im Jahr 2013 beschlossenen Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts wurde das Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht unter anderem in folgenden Punkten reformiert:

  • Die Zweckbetriebsgrenze für sportliche Veranstaltungen (§ 67 AO) wurde von 35.000 Euro auf 45.000 Euro erhöht.
  • Der Übungsleiterfreibetrag (§ 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz) wurde von 2.100 Euro auf 2.400 Euro erhöht.
  • Der Ehrenamtsfreibetrag (§ 3 Nr. 26a EStG) wurde von 500 Euro auf 720 Euro erhöht.
  • Der Höchstabzugsbetrag von einer Million Euro für Spenden in den Vermögensstock einer Stiftung (§ 10b Abs. 1a EStG) wird bei gemeinsam veranlagten Ehepartnern für beide Partner gewährt, also zusammen zwei Millionen Euro.

Ehrenamtliche Tätigkeit

Gemäß § 4 Nr. 26 UStG ist ein Entgelt für eine ehrenamtliche Tätigkeit umsatzsteuerfrei, wenn es nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht. Diese Regelung ist für die Vereine deshalb wichtig, weil diese in vielen Fällen nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind und somit etwaige fällige Umsatzsteuer das Entgelt für die ehrenamtliche Tätigkeit tatsächlich verteuern würde.
Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist eine ehrenamtliche Tätigkeit. Eine solche liegt nicht vor, wenn der Zeitaufwand der Tätigkeit auf eine hauptberufliche Teilzeit- oder sogar Vollzeitbeschäftigung hindeutet. Im Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) hat die Finanzverwaltung Nichtbeanstandungsgrenzen festgelegt (maximal 50 Euro je Tätigkeitsstunde, maximal 17.500 Euro pro Jahr).
Mit dem BMF-Schreiben vom 27. März 2013 wird festgelegt, dass ein echter Auslagenersatz bei den Betragsgrenzen unberücksichtigt bleibt. Das bedeutet, dass die Erstattung von tatsächlich entstandenen Kosten oder von pauschalen Kosten nach den Lohnsteuerrichtlinien (zum Beispiel Kilometergeld mit 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer) zusätzlich zulässig ist.

Anteile an einer gemeinnützigen Körperschaft

In einem koordinierten Ländererlass vom 9. Oktober 2013 äußert sich die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2013 zur Besteuerung von Anteilen an einer gemeinnützigen Kapitalgesellschaft für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Hintergrund ist, dass Anteile an einer Kapitalgesellschaft gemäß § 11 Abs. 2 Bewertungsgesetz mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind. Dieser wird im Normalfall aus weniger als ein Jahr zurückliegenden Verkäufen abgeleitet oder im vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelt.
Da dieses Verfahren für steuerbegünstigte Körperschaften aufgrund der besonderen Struktur der Körperschaft (die steuerliche Gewinnermittlung umfasst einzelne Bereiche nicht) regelmäßig nicht passt, bestehen nach Auffassung der Finanzverwaltung regelmäßig begründete Zweifel an der Anwendbarkeit des vereinfachten Ertragswertverfahrens. Vielmehr müssen die sich aus den gemeinnützigkeitsrechtlichen Bindungen für den Erwerber der Anteile ergebenden Beschränkungen für den Erwerb von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden als auflösend bedingte Last berücksichtigt werden. Einzelheiten zu dem Verfahren zur Ermittlung der abzugsfähigen Last werden in dem Erlass genannt.

Zum Autor

Matthias Sodenkamp

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater. Er leitet die Steuerabteilung von Rödl & Partner in Eschborn und berät Unternehmen aller Rechtsformen (Personen- und Kapitalgesellschaften sowie Vereine).

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