Tat- und Verdachtskündigung - 26. Juni 2014

Versteckte Kamera

Wird die Kündigung eines Arbeitnehmers auf eine heimliche Videoüberwachung gestützt, könnte man schnell an ein Beweisverwertungsverbot denken. Doch die Rechtsprechung ist insoweit erstaunlich großzügig.

Das Kündigungsrecht bildet die Kernproblematik des Arbeitsrechts und ist ein sensibles Thema. Der Verlust des Arbeitsplatzes hat erhebliche wirtschaftliche und persönliche Folgen. Eine Kündigung seitens des Arbeitgebers ist somit ein einschneidendes Moment. Insofern ist es umso erstaunlicher, dass selbst der Verdacht einer Vertragsverletzung zum Verlust des Arbeitsplatzes führen kann.

Vorlage eines wichtigen Grundes

Für die Wirksamkeit einer Kündigung seitens des Arbeitgebers muss ein wichtiger Grund vorliegen.
Für eine außerordentliche Kündigung, die mit sofortiger Wirkung ohne Einhaltung einer Frist erfolgt, muss der Grund so schwerwiegend sein, dass es für die Vertragsparteien nicht zumutbar ist, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist abzuwarten.
Hat ein Mitarbeiter seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag zum Beispiel durch das Begehen einer Straftat am Arbeitsplatz gravierend verletzt, kann der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung aussprechen. Entscheidend ist aber eigentlich, dass der Arbeitgeber die Pflichtverletzung auch nachweisen kann. Schwierig wird es für ihn daher, wenn er den Pflichtenverstoß nur auf Verdachtsmomente stützen kann.

Die Verdachtskündigung

Nehmen wir an, ein Mitarbeiter hat die alleinige Verfügungsgewalt und Aufsicht über bestimmte Waren. Wenn dann bei der Überprüfung der Warenmenge jeweils Verluste zulasten des Unternehmens festzustellen sind, wird der Unternehmer natürlich seinem Mitarbeiter den Vorhalt machen, er habe die Waren widerrechtlich entwendet. Streitet der Mitarbeiter in einem solchen Fall den Vorwurf ab, hat der Arbeitgeber keinen verwertbaren Beweis. Bestehen bleibt aber ein dringender Tatverdacht.

Abgrenzung zur tatbedingten Kündigung

Bei der Verdachtskündigung liegt der Grund der Kündigung nicht im Verhalten, welches ja nicht bewiesen werden kann, sondern in der Person des Mitarbeiters. Der Mitarbeiter ist für den Arbeitgeber aufgrund des bestehenden Verdachts nicht mehr tragbar. Bei einem dringenden Tatverdacht ist das Vertrauen des Arbeitgebers für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zerstört. Im Gegensatz hierzu ist bei einer Tatkündigung ein bestimmtes nachgewiesenes Verhalten des Arbeitnehmers der Grund der Kündigung.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat anerkannt, dass bei dem Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung ein ebenso wichtiger Grund vorliegt (Verdachtskündigung), wie wenn der Arbeitnehmer eine nachgewiesene Pflichtverletzung begangen hat (Tatkündigung). Der Verdacht stellt also gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar.

Voraussetzungen

Eine Verdachtskündigung ist aber von der Rechtsprechung nur unter engen Voraussetzungen möglich. Der Verdacht der Verletzungshandlung muss auf konkrete Tatsachen gestützt werden.
Diese Tatsachen müssen sich aus Umständen ergeben, die einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Der Verdacht muss darüber hinaus dringend sein, und es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft.
Eine Tatkündigung schließt dabei eine Verdachtskündigung nicht aus. Wegen desselben Sach­ver­haltes kann der Arbeit­geber also ge­ge­ben­en­falls auch eine Tat­kün­di­gung sowie eine Ver­dachts­kündi­gung aussprechen.
Der Arbeitnehmer ist vor Ausspruch der Verdachtskündigung aber in jedem Fall anzuhören. Ihm muss Gelegenheit gegeben werden, den Verdachtsvorwurf zu entkräften. Ohne die Anhörung des Arbeitnehmers verstößt die Verdachtskündigung gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Das gilt sowohl bei einer außerordentlichen als auch bei einer ordentlichen Verdachtskündigung.

Heimliche Videoüberwachung

Nicht selten werden Mitar­beiter video­über­wacht, manchmal sogar ohne deren Kenntnis.

Das Thema der Verdachts- und Tat­kün­di­gung hat durch die Ver­brei­tung der Video­über­wachung an Bedeutung gewonnen.
Die moderne Überwachungs­tech­no­logie gibt Arbeit­gebern immer bessere Möglich­keiten an die Hand, ihre Mitarbeiter zu kontrollieren. Nicht selten werden Mitarbeiter video­über­wacht, manchmal sogar ohne deren Kenntnis. Natürlich ist dies grenzwertig, wird doch in die Privatsphäre der Mitarbeiter erheblich eingegriffen.
Kann ein Mitarbeiter durch eine Videoaufzeichnung einer Straftat überführt werden, stellt sich in einem späteren Prozess die Frage, ob Erkenntnisse aus heimlichen Videoüberwachungen überhaupt verwendet werden dürfen.

Wirksamkeit der Kündigung

Ein Laie könnte schnell an ein Beweisverwertungsverbot denken. Allerdings ist die Rechtsprechung in dieser Frage überraschend großzügig. Zwar verletzen nach Auffassung des BAG heimliche Videoaufnahmen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Arbeitnehmers. Andererseits hat das Persönlichkeitsrecht seine Grenzen. So soll in Ausnahmefällen die Verwertung zulässig sein.
Nach Ansicht des BAG kommt es auf eine Einzelfallprüfung an. Hat der Arbeitgeber also einen konkreten Straftatverdacht, der eine schwerwiegende Pflichtverletzung begründen würde, kann der Einsatz einer heimlichen Videoaufzeichnung im Einzelfall zulässig sein.
Der Arbeitgeber muss in einem solchen Fall aber dokumentieren, dass keine weniger ein­schnei­den­den Maßnahmen zur Gewinnung der Beweise möglich sind. Die Videoaufzeichnung ist also nur dann zulässig, wenn sie die einzige Möglichkeit zur Aufklärung eines schweren Fehlverhaltens ist.

Zu den Autoren

Gundula Lehr

Rechtsanwältin in der Kanzlei KPN legal, Frankfurt am Main

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Dr. Thomas Koeppen

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits­recht (LL.M.) in der Kanzlei KPN legal, Frankfurt am Main.

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