Bankerlaubnis - 28. Mai 2014

Trügerische Ruhe

Die BaFin änderte jüngst ihre Beurteilung zu in einer Personenhandelsgesellschaft stehen gelassenen Gewinnen. Dennoch kann keine Entwarnung gegeben werden.

Mittelständische Unternehmen sind nicht selten in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft (PHG) organisiert. Entgegen dem Leitbild des Handelsgesetzbuchs (HGB) entspricht es der Kautelarpraxis, dass für jeden Gesellschafter ein festes und gegebenenfalls mehrere variable Kapitalkonten gebildet werden – so auch ein Privat- oder Verrechnungskonto, das beispielsweise aus stehen gelassenen Gewinnen dotiert wird.
Aufgrund des Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19. März 2013 (VI ZR 56/12 – „Winzergelder“) rückte das bislang von der Fachwelt nahezu unbeachtete Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) „Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts (Stand: August 2011)“ unversehens ins Blickfeld deutscher PHG.

BaFin-Merkblatt (Stand: 08/2011)

Danach betreiben PHG, die Darlehen und/oder Guthaben auf Privat- oder Verrechnungskonten von ihren Gesellschaftern (z. B. aus stehen gelassenen Gewinnen) entgegennehmen, bei Überschreiten bestimmter Schwellenwerte grundsätzlich ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft (§§ 1, 32 Kreditwesengesetz, KWG), da entsprechende Guthaben der Gesellschafter von PHG nach Ansicht der BaFin „unbedingt rückzahlbare Gelder“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG darstellen. Etwas anderes gelte nur, wenn für die überlassenen Gelder bankübliche Sicherheiten bestellt werden (z. B. eine Bürgschaft) oder ein Rangrücktritt nach § 39 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) vereinbart wird (nicht ausreichend: § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Auch sei das Tatbestandsmerkmal „Publikum“ erfüllt. Liegt ein Einlagengeschäft vor, bedarf es zu dessen Betrieb nach § 32 KWG einer Erlaubnis, wenn bei der PHG

  • mehr als fünf Einzelanlagen im Wert von insgesamt mehr als 12.500 Euro oder
  • unabhängig von der Summe des Einlagenbestands mehr als 25 Einzelanlagen bestehen.

Da Verstöße gegen § 32 KWG zivil- und strafrechtlich bewehrt sind, sahen sich die Geschäftsführer von PHG, die zum Beispiel von mehr als fünf Kommanditisten stehen gelassene Gewinne von mehr als insgesamt 12.500 Euro (ohne bankübliche Sicherheiten oder Vereinbarung eines Rangrücktritts) entgegennahmen, mit einer persönlichen Haftung bei Verlust der „Einlage“ und/oder mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren konfrontiert.

Winzergeld-Urteil

In dem sogenannten Winzergeld-Urteil des BGH materialisierte sich das Haftungsrisiko für die Geschäftsführer.

In dem sogenannten Winzergeld-Urteil des BGH materialisierte sich das Haftungsrisiko für die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH (Beklagte) einer zwischenzeitlich insolventen GmbH & Co. KG. Der Kläger war Mitglied eines Winzergemeinschaft e. V. Die Erzeuger aus der Winzergenossenschaft, darunter der Kläger, lieferten Weintrauben an die KG, eine Weinkellerei. Eine Vielzahl von Erzeugern aus der Winzergemeinschaft (im Durchschnitt 160 bis 300 Winzer) ließen jeweils einen Teil des Entgelts für die Ablieferung ihrer Trauben als jeder­zeit abrufbare „Einlage“ gegen Verzinsung stehen, für die keine banküblichen Sicherheiten bestellt wurden.
Infolge der Insolvenz der KG fiel der Kläger mit einem Teil seiner „Einlage“ aus, für die die Geschäftsführer der KG persönlich haften mussten: Da die Beklagten als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH Bankgeschäfte ohne aufsichtsbehördliche Erlaubnis führten, hätten sie gegen § 32 Abs. 1 KWG verstoßen. Mithin haften die Geschäftsführer dem Kläger persönlich und gesamtschuldnerisch (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 Abs. 1 KWG und § 840 Abs. 1 BGB). Zudem erfüllten sie den Straftatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch.

Aktualisiertes BaFin-Merkblatt

Am 11. März 2014 hat die BaFin ein aktualisiertes Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts“ (Stand: März 2014) veröffentlicht. Darin bekundet sie zum einen, dass persönlich haftende Gesellschafter einer PHG nicht zum „Publikum“ zählen.
Zum anderen führt sie aus, dass PHG kein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft betreiben, wenn sie von ihren Gesellschaftern Darlehen entgegennehmen oder für diese Guthaben auf Privat- oder Verrechnungskonten unterhalten, die zum Beispiel aus stehen gelassenen Gewinnen gespeist werden. In beiden Fällen sei der Rückzahlungsanspruch des Gesellschafters nicht „unbedingt“. Dies folge aus dem Grundsatz der Treuepflicht. Danach besteht für Gesellschafteransprüche eine Durchsetzungssperre, „wenn ihre Geltendmachung die Gesellschaft in die Zahlungsunfähigkeit triebe“. Etwas anderes gelte lediglich für sogenannte Publikums-KG.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Damoklesschwert, das über den PHG-Geschäftsführern schwebte, die von ihren Gesellschaftern Darlehen entgegennehmen oder für diese Guthaben auf Privat- oder Verrechnungskonten unterhalten, ist durch das aktualisierte Merkblatt der BaFin einstweilen gebannt. Auch hat sich damit die Pflicht von Abschlussprüfern zur Berichterstattung über mögliche Gesetzesverstöße der Geschäftsführer von PHG nach § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB (Redepflicht) erübrigt.
Indes mag die Ruhe, die durch das aktualisierte Merkblatt der BaFin allseits eingekehrt ist, trügen. So bedarf es keiner großen Prophetie, dass sich künftig Gesellschafter von PHG, die bei einer Insolvenz der Gesellschaft mit ihren Darlehen ausfallen, gestützt auf das Winzergeld-Urteil Schaden­er­satz­ansprüche gegen die Geschäfts­führer der PHG erstreiten werden. Erst dann wird sich erweisen, ob die jüngste Auslegung der BaFin zum Tatbestand des Einlagengeschäfts auch vor den Augen der Justiz Bestand hat.
Allgemein sollten das Urteil des Bundesgerichtshofs und das Merkblatt der BaFin für alle Formen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sensibilisieren, die potenziell zu Konflikten mit dem Bankaufsichtsrecht führen könnten.

Zum Autor

PO
Prof. Dr. Peter Oser

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Stuttgart

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