Betriebliche Altersversorgung - 28. Mai 2014

Es bewegt sich was

In die Praxis der Versorgungsverordnungen zur betrieblichen Altersversorgung kommt hinsichtlich der Altersgrenzen und Wartefristen Bewegung – ausgelöst durch eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts.

Das Betriebsrentengesetz (BetrAVG) differenziert innerhalb seiner fünf Durchführungswege (unmittelbare Versorgungszusage, Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds und Unterstützungskasse) zwischen der – freiwilligen – arbeitgeberfinanzierten und der auf Verlangen des Arbeitnehmers einzurichtenden arbeitnehmerfinanzierten betrieblichen Altersversorgung (Entgeltumwandlung).
Für die arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersversorgung stellt sich die Frage von Altersgrenze und Wartefrist nicht. Denn der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu vier Prozent der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (2014: 71.400 Euro) durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden (§ 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG).
Demgegenüber kann der Arbeitgeber die arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung an eine sogenannte Wartefrist und an Altersgrenzen koppeln. Solche wurden bisher trotz eines im Einzelfall bisweilen schalen Beigeschmacks schrankenlos für zulässig gehalten.

Höchstaltersgrenze einer Versorgungsverordnung

Mit der Entscheidung des 3. Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18. März 2014 (3 AZR 69/12) kommt nun Bewegung in die Praxis von Altersgrenzen und Wartefristen in den Versorgungsordnungen zur betrieblichen Altersversorgung.
Auf die Gründe des Urteils, zu dem das BAG unter dem harmlos erscheinenden Titel „Höchstaltersgrenze in einer Versorgungsordnung“ eine Pressemitteilung veröffentlicht hat, darf man gespannt sein, kündigt die Entscheidung doch eine Neubewertung der gelebten Tradition von Wartefristen und Höchst- oder Mindestaltersgrenzen in Versorgungszusagen an.
Wartezeiten sind sogenannte Leistungsvoraussetzungen. Sie geben vor, dass der Arbeitnehmer erst nach einer gewissen Mindestbetriebszugehörigkeit überhaupt Versorgungsansprüche erwirbt.
Damit durfte der Arbeitgeber bisher den Kreis der Versorgungsberechtigten beschränken und Versorgungsansprüche bei einer Betriebszugehörigkeit, welche die Wartefrist nicht erfüllte, ausschließen.
Dabei sieht die Praxis Wartezeiten von bis zu 35 Jahren vor (zuletzt genannte Entscheidung in einem Extremfall: LAG Köln 10.11.1992 – 4 Sa 238/92). Die Wartezeit kann dabei auch für die einzelnen Versorgungsfälle (Alter, Invalidität, Hinterbliebenenversorgung) unterschiedlich lang sein.
Noch im Februar 2013 (BAG 12.02.2013 – 3 AZR 100/11) hatte das BAG eine Wartezeit von 15 Jahren bei der betrieblichen Altersrente gebilligt.

Bedeutsame Einschränkung

Die BAG-Entscheidung vom 18. März 2014 lässt nun eine für die Bewertungs- und Regelungspraxis bedeutsame Einschränkung erkennen.
Nach der zu überprüfenden Versorgungsordnung bestand ein Anspruch auf eine betriebliche Altersrente nicht, wenn der Arbeitnehmer bei Erfüllung einer zehnjährigen Wartefrist bereits das 55. Lebensjahr vollendet hatte.
Im Klartext: Der Arbeitnehmer musste nach dieser Versorgungsordnung spätestens am Tag vor seinem 45. Geburtstag in das Unternehmen eingetreten sein, um nicht von den Leistungen der betrieblichen Altersrente ausgeschlossen zu werden.

Unmittelbare Altersdiskriminierung

Darin sahen die Richter eine unmittelbare Altersdiskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

Darin sahen die BAG-Richter eine unmittelbare Altersdiskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Eine solche Regelung verstoße nämlich gegen die §§ 7 Abs. 2, 1, 3 Abs. 1 AGG. Die Benachteiligung sei auch nicht nach § 10 AGG – dort sind zulässige unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters geregelt – gerechtfertigt. Dabei sehen § 10 Satz 1, Satz 2 und Satz 3 Nr. 4 ArbGG ausdrücklich vor, dass unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters in Versorgungsordnungen gerechtfertigt sein können. Allerdings nur innerhalb der Grenzen der „Angemessenheit“. Diese Grenze war hier nach Auffassung des BAG nicht mehr eingehalten.

Keine voreiligen Schlüsse

Freilich sei davor gewarnt, aus der Pressemitteilung voreilige und damit falsche Schlüsse zu ziehen. Denn mit der Entscheidung ist nur etwas zur Kombination von Wartefrist und Altersgrenze bei der betrieblichen Altersrente, aber noch nichts zu solchen Fristen und Grenzen und deren Kombination bei der Invaliditäts- oder Hinterbliebenenrente gesagt. Viel wichtiger ist jedoch, dass das BAG damit nicht etwa 15-jährigen Wartefristen seinen Segen (12.02.2013 – 3 AZR 100/11) und Wartefristen ab 20 Jahren eine Absage erteilt hätte.
Mit dem Urteil ist lediglich klargestellt, dass der Ausschluss von der betrieblichen Altersversorgung bei einem Eintrittsalter in den Betrieb von 45 Jahren und mehr altersdiskriminierend ist. Nicht gemeint ist damit, dass eine 20-jährige Wartefrist, die nur auf die Betriebszugehörigkeit und nicht auch auf das Lebensalter abstellt, unwirksam sei. Über die Urteilsgründe und ihre Auswirkungen auf die Praxis wird an gleicher Stelle gesondert zu berichten sein.

Zum Autor

Ralph Binder

Rechtsanwalt sowie Fachanwalt für Arbeits- und Erbrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Binder und Partner, Passau, Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeits­gemeinschaft Kanzleimanagement im Deutschen AnwaltVerein.

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