Verträge online erstellen - 24. April 2014

Automat statt Anwalt

Rechtsanwälte sind teuer, so hört man. Und weil die Muster­verträge der gängigen Formular­samm­lungen nur selten indivi­duelle Bedürfnisse abdecken, hat es ein Berliner Start-up-Unter­nehmen nun auf Firmen und Privatleute abgesehen, die den Gang zum Anwalt scheuen.

Rund 160.000 Anwälte sind derzeit in Deutschland zugelassen, jährlich drängen 3.000 weitere auf einen nahezu überfüllten Arbeitsmarkt und verschärfen den eh schon bestehenden, harten Konkurrenzdruck. Und nun versucht das Unternehmen Smartlaw, sich mit einer nicht ganz neuen Geschäftsidee ein eigenes Stück vom Kuchen der klassisch arbeitenden Rechtsanwälte abzuschneiden.
Und das funktioniert so: Im Internet stellt eine Software anhand von Entscheidungsbäumen einige schlichte Fragen. Der Anwender antwortet mit Ja, Nein oder der Eingabe von Zahlen. Am Ende spuckt das Programm ein Dokument aus: Arbeits-, Kauf- oder Mietvertrag und so weiter. Der günstigste Vertrag ist gratis, ein Geschäftsführerarbeitsvertrag hingegen kostet 69 Euro.

Zweite Ausbaustufe

Knapp ein Dutzend Verträge sind derzeit im Angebot. Weitere sollen folgen. In einer nächsten Ausbaustufe sollen dann das Gesellschaftsrecht sowie der Schutz des geistigen Eigentums hinzukommen, sowohl für den E-Commerce als auch für den privaten Bereich.
Die Verträge von Smartlaw wurden und werden weiterhin von Fachkanzleien entworfen. Externe Anwälte sorgen stetig für die Anpassung der Dokumente an die Rechtsprechung, was insbesondere im Mietrecht unerlässlich ist. Über ein Feedback-System auf der Website des Unternehmens können schließlich auch Wünsche zur Weiterentwicklung des Programms geäußert werden.

Vorteile gegenüber Musterverträgen

Smartlaw jedenfalls wirbt damit, angeblich rechtssichere Verträge für Privatanwender, aber auch für kleine und mittelständische Unternehmen bereitzustellen – und das zu erschwinglichen Preisen.
Laut Firmenchef Dr. Daniel Biene, der selbst Jurist ist, versucht das Programm dabei, den Dialog zwischen Anwalt und Mandant abzubilden. Es habe Vorteile gegenüber einem Mustervertrag, da sich der anvisierte Vertrag bei Smartlaw dynamisch aufbaue. Jedenfalls muss der Anwender Fragen beantworten. Anhand der Antworten geht es dann weiter, das Dokument entsteht Wort für Wort und Satz für Satz.
Dabei werden Logikfehler vermieden. Im Rahmen einer Testamentserstellung etwa wird der Anwender gewarnt, falls er bei einer Vermögensaufteilung unter drei Erben die Quoten 60, 30 und 20 Prozent vorschlagen sollte.

Lob und Kritik

Anwälte haften für eine mangel­hafte Rechts­beratung drei Jahre lang. Auch bei Smartlaw?

Die Reaktionen reichen von Unver­ständnis bis hin zur Be­geis­terung. Die kritischen Stimmen be­mängeln vor allem die fehlende Möglich­keit der Indi­vi­duali­sierung, gewisse Un­ge­nauig­keiten sowie zum Teil auch gra­vierende Lücken und dass die Rechts­doku­mente von Smartlaw nicht jeden Einzel­fall ab­decken können. Anfangs hatte das Unter­nehmen Probleme, externe Kanzleien zur Zusammen­arbeit zu bewegen. Inzwischen wollen nicht wenige Anwälte entweder Verträge für das Unternehmen entwerfen oder aber die standardisierten Ergebnisse für ihren Kanzleialltag nutzen.
Dennoch bleibt der Deutsche Anwaltverein (DAV) skeptisch. Er kritisiert, dass der Kunde erst zahlen müsse, dann den Vertrag erhalte und schließlich die Plausibilität laut AGB selbst prüfen müsse. Da könne man auch gleich zum Anwalt gehen, moniert der DAV, der zu Recht auch auf die ungelöste Haftungsfrage hinweist. Bekanntlich haften Anwälte für eine mangelhafte Rechtsberatung drei Jahre lang mit ihrer Berufshaftpflichtversicherung. Darauf kann man sich bei Smartlaw aber nicht verlassen. Geht etwas schief, hat man ein Problem. Auch erwarte man wettbewerbsrechtliche Klagen von Anwälten, das sei nur eine Frage der Zeit.
Etwas anders sieht es die Bundesrechtsanwaltskammer. Deren Vorsitzender des Ausschusses Qualitätssicherung, Rechtsanwalt Frank Diem, sieht kein Problem darin, dass man schlichte juristische Angebote ins Internet verlagere, etwa Praktikanten- oder Mietverträge. Diem selbst hatte vor Jahren einen Anwalt-Suchservice im Internet vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich vertreten – gegen bestehendes Standesrecht.

Voll im Trend

Warum also die Aufregung? Online gibt es sie ja schon längst, die anwaltliche Beratung, etwa auf den Seiten Yourxpert.de oder Frag-einen-Anwalt.de. Und fast ein jeder kennt auch die telefonische Beratung durch Juristen über die sogenannte Anwalt-Hotline.
Der Trend am deutschen Anwaltsmarkt jedenfalls geht unbestritten hin zu virtuellen Geschäftsmodellen. Das räumt auch der DAV in seiner Zukunftsstudie 2030 ein. Danach verlagern Online-Anbieter standardisierbare Leistungen der anwaltlichen Beratung beziehungsweise die Vermittlung von Anwälten ins Netz; mit der Folge, dass man mit Standardverträgen kaum noch Geld verdienen wird.
Und ähnliche Konzepte wie Smartlaw gab es schon zuvor – im Jahr 2000 die Firma Janolaw in Deutschland oder in den USA das Unternehmen Legalzoom mit rund zwei Millionen Kunden beziehungsweise dessen Konkurrent Rocket Lawyer, bei dem sich Google vor knapp zwei Jahren mit mehreren Millionen Dollar einkaufte.
Smartlaw selbst versteht die Kritik nicht. Zwar decke man einen Großteil aller Fälle ab, komplexe Konstellationen hingegen nicht. In derartigen Fällen empfiehlt das Unternehmen weiterhin den Gang zum Anwalt.

Fazit

Angebote wie Smartlaw sind jedenfalls für den Anwalt, der seinen Beruf ernst nimmt, keine Gefahr. Dem Prozedere, Verträge nur mit einer Technologie erstellen zu lassen, sind Grenzen gesetzt. Und zwar dort, wo juristische Probleme kompliziert werden und einer Abwägung bedürfen.
Ab einem gewissen Level also kann man Expertenwissen keiner Maschine mehr beibringen. Etwa dann, wenn der Fall ein unabhängiges Vorwissen erfordert oder derart viele Details eine Rolle spielen, die eine Eingabe für den unkundigen Anwender praktisch unmöglich machen. So gesehen ist auch ein Geschäftsführervertrag für lediglich 69 Euro zumindest fragwürdig.
Andererseits scheint die Software für Standardfälle mit durchaus individuellen Aspekten nicht gänzlich ungeeignet zu sein. Verbraucher können insoweit bessere Ergebnisse von der mit Sachverstand programmierten Software erwarten, als wenn ein schlechter Jurist die Ausarbeitung übernehmen würde.

Zum Autor

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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