Anwaltschaft und Mediation - 30. Januar 2014

Geringes Engagement

Die konsensuale Streit­beilegung findet zunehmende Verbreitung, aber das Interesse der Rechts­anwälte hält sich in Grenzen. Es scheint, als würden sie zum zweiten Mal ein neues Geschäfts­feld wider­standslos einer anderen Berufsgruppe überlassen.

Betrachtet man die Entwicklung der Mediation in Deutschland, die vor etwa 15 Jahren ihren Anfang nahm, so zeigt sich, dass sie ihre stärkste praktische Resonanz überraschenderweise bei den Gerichten gefunden hat, wo sie heute in der Form des erweiterten Güterichterverfahrens bundesweite Praxis geworden ist.
Eine gewisse Dynamik bei der Klärung von Alltagsstreitigkeiten ergibt sich auch aus den Aktivitäten der Rechtsschutzversicherungen. Diese versuchen, mithilfe von Mediation bei ihnen versicherte Konflikte kostengünstiger zu lösen, und üben so heute größeren Einfluss auf die Wahl des Vorgehens aus, als das bisher der Fall war. Zunehmende Verbreitung findet Mediation auch bei innerbetrieblichen Konflikten in Unternehmen und Organisationen.
Für wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten zwischen Unternehmen und anderen Geschäftspartnern wird Mediation, so das klare Bild, hingegen nach wie vor wenig genutzt.

Rechtsanwälte und Mediation

Berater und Vertreter von Unter­nehmen denken oft zu juristisch. Rechtlich geprägte Denk­weisen dominieren.

Ein Grund dafür könnte sein, dass Anwälte dieser Art der Konflikt­lösung bis heute eher distan­ziert gegen­über­stehen. Zwar werden auf zahl­reichen juristischen Tagungen und in vielen Ver­öffent­lichungen immer wieder die Vorteile der Mediation zur raschen Bei­legung von Streitig­keiten im Interesse der Mandanten betont, die prak­tische Resonanz sowie die Umsetzung und Implemen­tierung in den juris­tischen Alltag sind jedoch gering. Die juris­tische Klärungs­methodik dominiert nach wie vor eindeutig.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Zu ihnen dürfte auch gehören, dass die rechtlichen Berater und Vertreter von Unternehmen zu stark in der juristischen Denkweise und Methodik verhaftet sind. Rechtlich geprägte Betrachtungen und Vorgehensweisen dominieren.
Wer in einer langen und schwierigen Ausbildung das juristische Handwerkszeug erlernt hat, ist offenbar vielfach nicht bereit oder offen genug dafür, sich auf die anderen Denkweisen und Methoden in einer Mediation einzulassen. Wirtschaftliche und beziehungsmäßige Entscheidungskriterien, wie sie die Mediation prägen, liegen möglicherweise zu sehr außerhalb der juristisch/anwaltlichen Betrachtungsweise.
Es ist zweifelhaft, ob diese Widerstände überwunden werden können und ob Mediation in der Anwaltschaft tatsächlich in größerem Umfang Fuß fassen wird, so wie es ursprünglich erwartet wurde.

Sind Steuerberater die besseren Mediatoren?

Daher wird zu Recht die Frage gestellt, ob Steuerberater besser dafür geeignet und dazu bereit sind, das neu entstehende Feld zu besetzen.
Dafür sprechen ihr weiterer, nicht juristisch eingeengter Blick, ihre Fähigkeit zur Empathie, der Vorrang wirtschaftlichen Denkens sowie die Fähigkeit zur stärkeren Wahrnehmung und Berücksichtigung auch persönlicher Strukturen und Beziehungen.
Hinzu kommt die Verhandlungskompetenz. Viele Steuerberater bringen in der Tat persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten und Haltungen mit sich, wie sie auch für die Mediation erforderlich und prägend sind.

Neues Geschäftsfeld für Steuerberater?

Ob Steuerberater tatsächlich die besseren Mediatoren sind und das zu einem Teil ihres Arbeitsgebiets machen, muss sich aber noch zeigen. Maßgebend dafür sind Interesse, Neugier sowie Engagement, verbunden mit der Bereitschaft, neue geschäftliche Möglichkeiten zu erproben.
Möglicherweise wiederholt sich dann etwas, was die Anwaltschaft immer wieder einmal selbstkritisch betrachtet. Als seinerzeit die Steuerberatung als eigenes Geschäftsfeld aufkam, ging diese Entwicklung an der Anwaltschaft vorbei. Ein neuer Berufszweig entstand: der des Steuerberaters.
In anwaltlichen Veröffentlichungen zur Entwicklung der Mediation sowie der Rolle, die Anwälte dabei spielen, wird auf diese Erfahrung immer wieder mal hingewiesen, verbunden mit der Aufforderung, den gleichen Fehler nicht ein zweites Mal zu begehen.
Unabhängig davon, wie diese Entwicklung verlaufen wird, kann es aus grundsätzlichen Überlegungen empfehlenswert sein, sich mit Mediation, ihrer Methodik, ihrem Menschenbild und mit der Haltung des Mediators näher zu befassen.

Genereller Kompetenzgewinn durch Mediation

Die Erfahrung aus der Durchführung zahlreicher Mediationsausbildungen zeigt, dass damit stets ein deutlicher Zuwachs an kommunikativer Kompetenz, an Aufgeschlossenheit für die tatsächlichen Wünsche und Bedürfnisse der Klienten und an Offenheit für kreative Lösungen verbunden ist.
In allen längeren Ausbildungen, die sich über mehrere Module erstrecken, berichten Teilnehmer – auch aus den steuerberatenden Berufen – meist schon nach dem ersten Ausbildungsabschnitt davon, dass ihre Klienten sie als kompetenter und vertrauenswürdiger wahrnehmen, als das vorher der Fall war.
Man habe gelernt, dem Klienten besser zuzuhören, seine wirklichen Interessen zu erforschen und ihn mit seinen Wünschen und Bedürfnissen ernst zu nehmen.
Auch die Problemsicht sei umfassender geworden und persönliche, für den Mandanten wichtige Faktoren, die man vorher außer Acht gelassen hat, würden nun berücksichtigt. Die Arbeit gehe, so viele Berichte, leichter, schneller und letztlich erfolgreicher von der Hand als früher. Man werde insgesamt als kompetenter wahrgenommen.

Zum Autor

Dr. Frank H. Schmidt

Mediator und Rechtsanwalt in Nürnberg. Darüber hinaus ist er Lehrbeauftragter, Dozent und Prüfer in Mediation an verschiedenen Universitäten und Fortbildungseinrichtungen der Wirtschaft. Von ihm aktuell erschienen (Co-Autor): Mediation in der Praxis des Anwalts.

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