Das Berufsrecht der Ärzte sowie deren privat- und vertragsärztliche Honorarabrechnung ergeben Besonderheiten, auf die bei der Betriebsprüfung von Arztpraxen zu achten ist.
Bei der Auswahl der zu prüfenden Betriebe treten nun anstelle der Betriebsgrößenklassen die Steuerausfall-Risikoklassen sowie die Steuervita als persönliches Risikoprofil.
Wie kommt die Arztpraxis auf die Prüfungsliste des Finanzamtes? Nach den früher geltenden Größenklassen wurde ein Praxisbetrieb fortlaufend durch das Finanzamt geprüft, wenn der Umsatz mindestens 4.700.000 oder der Gewinn 580.000 Euro betragen hat. Dieses starre Verfahren wurde geändert. Jetzt treten anstelle der Betriebsgrößenklassen die Steuerausfall-Risikoklassen sowie die Steuervita als persönliches Risikoprofil. Bundesweit werden hierfür durch die Finanzämter Daten gesammelt und ausgewertet. Die Auswahl der zu prüfenden Unternehmen kann sich anschließend zielgerichtet auf identifizierte Risikobetriebe konzentrieren. Ein Indiz, dass mit einer steuerlichen Außenprüfung zu rechnen ist, kann sein, dass Steuerbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen worden sind.
Beginn der Betriebsprüfung
Mit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung wird die Pflicht des Praxisinhabers konkretisiert, dass er die Betriebsprüfung zu dulden hat. Eine Betriebsprüfung kann selbst dann angeordnet werden, wenn die zu prüfende Arztpraxis bereits nicht mehr besteht. Bereits die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung führt dazu, dass die Verjährung der betroffenen Steuerjahre gehemmt wird und der betroffene Steuerpflichtige keine strafbefreiende Selbstanzeige mehr abgeben kann. Wird im Laufe der Betriebsprüfung festgestellt, dass sich Buchungsfehler über Jahre hinweg ziehen, kann das Finanzamt den Prüfungszeitraum auch ausdehnen. Ab einer möglichen Steuernachforderung von 2.000 bis 3.000 Euro wäre das Finanzamt zur Ausdehnung des Prüfungszeitraumes verpflichtet.
Korrekturen vor Prüfungsbeginn
Spätestens mit der Bekanntgabe der Außenprüfung sollte der Steuerberater eine Durchsicht vornehmen, ob es im Prüfungszeitraum zu unvollständigen oder unrichtigen Wertansätzen in der Buchhaltung bzw. in der Steuererklärung gekommen ist. Hierbei ist die Unterscheidung wesentlich, ob die Unrichtigkeit dem Arzt bereits bei Abgabe der Erklärung bekannt war oder ob diese Erkenntnis erst später hinzutrat. Bei nachträglicher Erkenntnis der Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der abgegebenen Steuererklärung muss der Steuerpflichtige dies gegenüber dem Finanzamt anzeigen und richtigstellen. Wenn der Verpflichtete die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit bereits bei Abgabe der Erklärung kannte, liegt gegebenenfalls eine Abgabenverkürzung vor. Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist nicht mehr möglich. Gleichwohl sollten die Angaben richtiggestellt werden, damit der Berater keine Verschleierung einer Straftat während der Betriebsprüfung begeht. In jedem Fall muss der Steuerberater auf die Berichtigungspflicht gegenüber dem Mandanten hinweisen.
Buchführungspflicht und Praxisgebühr
Grundsätzlich besteht für Ärzte im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) keine originäre Buchführungspflicht. Jedoch darf daraus nicht geschlossen werden, dass die Aufzeichnungen der Arztpraxis nicht vollständig zu sein brauchen. Eine mögliche Schätzungsbefugnis des Finanzamtes hängt nicht vom Bestehen einer gesetzlichen Aufzeichnungspflicht ab, sondern davon, dass das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen nach den Angaben des Steuerpflichtigen nicht ermitteln konnte. Darüber hinaus führt die bis Ende 2012 erhobene Praxisgebühr zur Kassenbuchführungspflicht. Aus den Regelungen des Sozialgesetzbuchs (§§ 294, 295 Abs. 1 SGB V i. V. m. dem Bundesmantelvertrag-Ärzte) ergeben sich für alle Kassenärzte besondere Aufzeichnungspflichten in Bezug auf die in jedem Behandlungsfall vereinnahmte Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 SGB V (Praxisgebühr). Die vereinnahmten Praxisgebühren sind dabei vollständig, richtig, geordnet und zeitnah (täglich) aufzuzeichnen [§ 146 Abs. 1 Abgabenordnung (AO), BMF vom 25.05.2004, IV A 6 – S-2130 – 7/04, LEXinform 0578350]. Über die Quartalsabrechnungsbescheide der Kassenärztlichen Vereinigung kann eine spätere Verprobung mit der Kassenbuchführung vorgenommen werden. Es ist somit auch bei Arztpraxen angezeigt, ein lückenloses und transparentes Rechnungswesen zu betreiben.
Ärztliche Berufsverschwiegenheit
Bei der steuerlichen Außenprüfung in der Arztpraxis kollidiert das Interesse des Finanzamtes an der Erforschung der Wahrheit mit der Verpflichtung des Arztes zur Berufsverschwiegenheit.
Wird die Rechnungsstellung in Bezug auf die privatärztlichen Honorare in der Praxis selbst vorgenommen, kommt es zu einem rechtlichen Konflikt zwischen dem Interesse des Finanzamtes an der Erforschung der Wahrheit mit der Verpflichtung des Arztes zur Berufsverschwiegenheit. Das praxiseigene Abrechnungsprogramm ist grundsätzlich Teil des Rechnungswesens. Das Finanzamt wird auf Grundlage von § 147 Abs. 6 AO i. V. m. § 200 Abs. 1 Satz 2 AO verlangen, dass ihm ein Datensatz mit sämtlichen Abrechnungsdaten auf einem Speichermedium zur Verfügung gestellt wird. Der Einwand des Arztes, dass es ihm strafbewehrt untersagt sei, die der ärztlichen Berufsverschwiegenheit unterliegenden Daten an Dritte weiterzugeben, wird das Ansinnen des Finanzamtes nicht abwehren können. Der so argumentierende Arzt verkennt hier offensichtlich, dass es seine Aufgabe ist, die Datenbestände so zu organisieren, dass bei einer zulässigen Einsichtnahme in die steuerlich relevanten Datenbestände keine geschützten Bereiche tangiert werden können. Die Datenselektion ist eine abstrakt prüfungsvorbereitende Aufgabe des Steuerpflichtigen [Düren in: Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 147, Rdnr. 71a; Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz vom 20.01.2005, 4 K 2167/04,
LEXinform 0819573; FG Nürnberg vom 30.07.2009, 6 K 1286/2008, LEXinform 5009005; FG Baden-Württemberg vom 16.11.2011, 4 K 4819/08, LEXinform 5012935].
Würde dieser Grundsatz nicht gelten, käme es zu dem nicht haltbaren Zustand, dass ein Steuerpflichtiger durch Missachtung seiner Obliegenheit zur Trennung seiner Daten einen Zugriff der Finanzbehörde verhindern und damit erhebliche Teile der zu prüfenden Vorgänge und Daten faktisch der Betriebsprüfung entziehen könnte, während ein Steuerpflichtiger, der die gebotene Trennung seiner Daten vorgenommen hat, eine vollständige Betriebsprüfung dulden müsste (FG Baden-Württemberg vom 16.11.2011, 4 K 4819/08, LEXinform 5012935). Die vorgenannte abgabenrechtliche Situation bedeutet für den betroffenen Arzt jedoch nicht, dass er frei von Strafe bleibt, wenn er die ungetrennten Daten dem Finanzamt offenbart. Zur Zulässigkeit und dem Umfang einer Datenträgerüberlassung bei Berufsgeheimnisträgern und dem Konflikt mit der strafbewehrten ärztlichen Berufsverschwiegenheit steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus. Die anhängige Revision gegen das Urteil des FG Nürnberg vom 30.09.2009 hatte sich am 21.05.2013 in der Hauptsache erledigt. Das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 16.11.2011 (4 K 4819/08), das zur ärztlichen Berufsverschwiegenheit erging, ist bestandskräftig. Den steuerlichen Beratern ist deshalb geraten, in Bezug auf ihre Mandate aus den Heilberufen dafür einzutreten, dass die Praxissoftware eine berufsrechtlich einwandfreie Datenselektion ermöglicht. Vor Anschaffung einer entsprechenden Praxissoftware sollte dieser Aspekt mit dem Hersteller geklärt werden. Die Verpflichtung zur ärztlichen Berufsverschwiegenheit gilt im Übrigen auch gegenüber dem Steuerberater der Praxis. Insbesondere bei der Verbuchung von umsatzsteuerpflichtigen Leistungen des Arztes (ästhetische Medizin oder prothetische Leistungen eines Zahnarztes) sollte mit der Praxis geklärt werden, welche Rechnungsangaben übermittelt werden müssen. Die zutreffende Ermittlung der Umsatzsteuerschuld muss hierbei in jedem Falle sichergestellt werden.
Zuflusszeitpunkt von ärztlichen Honoraren
Vorschussweise geleistete Honorare gelten auch dann als zugeflossen, wenn zum Zeitpunkt der Veranlagung feststeht, dass sie teilweise zurückzuzahlen sind. Dieser Vorgang wirkt sich bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG erst in den späteren Veranlagungszeiträumen einkünfte- oder einkommensmindernd aus. Das Behaltendürfen des Zugeflossenen ist nicht Merkmal des Zuflusses im Sinne des § 11 EStG. Honorarforderungen an Privatpatienten, die ein Arzt durch eine privatärztliche Verrechnungsstelle einziehen lässt, sind dem Arzt mit dem Eingang bei der privatärztlichen Verrechnungsstelle zugeflossen. Dies gilt auch dann, wenn der Arzt mit der privatärztlichen Verrechnungsstelle die Abrechnung und Zuleitung der für ihn eingegangenen Honorare zu bestimmten Terminen vereinbart hat. Die privatärztliche Verrechnungsstelle vereinnahmt die von den Patienten überwiesenen Beträge nur als Bevollmächtigte des Arztes. Auch Vorschüsse einer ärztlichen Verrechnungsstelle auf künftige Honorare sind laufende Betriebseinnahmen. Diese Betriebseinnahmen sind gemäß § 11 Abs. 1 EStG zum Zeitpunkt des Zuflusses zu erfassen. Hierbei ist es unerheblich, ob die Leistung, die dem Vorschuss zugrunde liegt, bereits (teilweise) erbracht wurde. Die Zahlungen sind zum Zeitpunkt des Abrufs durch den Arzt als zugeflossen anzusehen, da sie im Vorgriff auf künftige Einnahmen gezahlt wurden. Eine steuerpflichtige Betriebseinnahme liegt selbst dann vor, wenn die privatärztliche Verrechnungsstelle Gelder auszahlt, die weder durch Guthaben auf dem Verrechnungskonto des Arztes noch durch eingereichte Patientenunterlagen gedeckt sind. Um in diesem Fall ein Darlehen der privatärztlichen Verrechnungsstelle annehmen zu können, bedarf es eines Darlehensvertrages zwischen dem Arzt und der Verrechnungsstelle.
Fazit
Das Berufsrecht der Ärzte sowie die Abläufe bei der privat- und vertragsärztlichen Honorarabrechnung weisen Besonderheiten auf, die der Betriebsprüfer schwerpunktmäßig berücksichtigt.
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