Umsatzsteuerstrafrecht - 22. November 2013

Genauer hinsehen

Die steuerstrafrechtlichen Risiken bei der Umsatzbesteuerung sind vielfältig. Besonders große Gefahren lauern im Bereich von Umsatzsteuerbetrugsgeschäften.

Bei der Umsatzsteuer ist eine Steuerhinterziehung durch aktives Tun [§ 370 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO)] oder eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) bereits dann vollendet, wenn zum gesetzlich bestimmten Termin die Umsatzsteuervoranmeldung nicht vorliegt oder die Umsatzsteuervoranmeldung eine zu geringe Umsatzsteuerzahllast aufweist. Demnach liegt beispielsweise eine vollendete Umsatzsteuerhinterziehung durch Unterlassen bereits vor, wenn die Umsatzsteuervoranmeldung August 2013 nicht bis zum Ablauf des 10. September 2013 an die Finanzbehörde übermittelt worden ist. Ebenso ist zu diesem Zeitpunkt eine Umsatzsteuerhinterziehung durch aktives Tun vollendet, sofern die Umsatzsteuervoranmeldung zu niedrige oder unrichtige Umsätze ausweist. Der Grund dafür ist, dass Umsatzsteuervoranmeldungen als Steueranmeldungen im Sinne von § 150 Abs. 1 Satz 3 AO einzustufen sind und damit einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehen (§ 168 Satz 1 AO).

Selbstanzeige

Seit dem 3. Mai 2011 ist die Gefahr eines Steuerstrafverfahrens deutlich gestiegen. An diesem Tag trat das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz in Kraft. Im Zuge der Neufassung des § 371 AO wurde unter anderem die sogenannte Teilselbstanzeige abgeschafft und für Steuerhinterziehungen mit einem Verkürzungsbetrag von mehr als 50.000 Euro ein weiterer Sperrgrund für die Unwirksamkeit der Selbstanzeige geschaffen. In diesen Fällen tritt nunmehr die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige nur noch ein, wenn der Steuerpflichtige neben der Nachzahlung der Steuerbeträge eine Geldauflage in Höhe von fünf Prozent des Steuerverkürzungsbetrages entrichtet (§ 398a AO). Einzelne Finanzbehörden stufen, insbesondere bei mehrfachen Korrekturen oder sich aus der Berichtigung ergebenden hohen Nachzahlungsbeträgen, korrigierte Umsatzsteuerdeklarationen als Selbstanzeigen im Sinne von § 371 AO ein und leiten ein Steuerstrafverfahren ein. Die Praxis unterscheidet sich hierbei je nach Bundesland stark. Bei der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen sollten deshalb unbedingt die folgenden Punkte berücksichtigt werden:

  • Umsatzsteuervoranmeldungen sind fristgerecht den Finanzbehörden zu übermitteln, bei Bedarf ist rechtzeitig ein Fristverlängerungsantrag nach § 109 AO zu stellen.
  • Sofern bei der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erklärten Umsätze bestehen, sollten diese möglichst mit einem Sicherheitszuschlag geschätzt werden und auf diese Schätzung in einem Begleitschreiben hingewiesen werden. Gegen etwaig zu hohe Schätzungen kann im Einspruchswege vorgegangen werden.
  • Sofern eine verspätet eingereichte oder unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung im Wege einer Selbstanzeige im Sinne von § 371 AO korrigiert wird, muss diese Selbstanzeige sämtliche etwaig zuvor begangenen und steuerstrafrechtlich noch nicht verjährten Steuerstraftaten betreffend die Umsatzsteuer umfassen. Gegebenfalls ist auch hier hinzuzuschätzen.

Umsatzsteuerbetrug

Besondere Gefahren lauern für Unternehmer, wenn sie unwissentlich in Umsatzsteuerkarussellgeschäfte oder sonstige Umsatzsteuerbetrugsgeschäfte involviert werden. Im Kern geht es bei Fällen des Umsatzsteuerbetrugs um die Frage, ob einem Unternehmer, der unwissentlich in ein Umsatzsteuerkarussell oder sonstige auf Umsatzsteuerbetrug angelegte Geschäftsaktivitäten involviert wurde, der Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen zusteht. Der Versagung des Vorsteuerabzugs und der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen vermeintlicher Einbeziehung in umsatzsteuerbetrugsbehaftete Aktivitäten kann nur durch eine sorgfältige Überprüfung der Vertragspartner entgegengewirkt werden. In besonderem Maße gilt dies für Branchen, die von Umsatzsteuerkarussellen oder sonstigen umsatzsteuerbetrugsbehafteten Lieferungen verstärkt betroffen sind. Umsatzsteuerkarusselle sind stark branchenabhängig. Interessant ist für die Initiatoren in der Regel, neben dem Handel mit großen und wertvollen Waren, der Handel mit kleinen, hochpreisigen, leicht zu transportierenden und schnell handelbaren Gegenständen. Eigentlich sollte das Reverse-Charge-Verfahren nach § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG) Schutz vor umsatzsteuerbetrugsbehafteten Lieferungen bieten: Nach § 13b UStG schuldet der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer mit der Folge, dass die Bedingung für das Funktionieren von Umsatz-steuerkarussellen in Gestalt des Auseinanderfallens von Steuerschuldner und Vorsteuerabzugsberechtigtem nicht erfüllt ist. Dieser Schein des vermeintlichen Schutzes von § 13b UStG trügt jedoch. Da diese Vorschrift lückenhaft ausgestaltet ist, können weiterhin Unternehmen, auch wenn sie von § 13b UStG grundsätzlich erfasst werden, von Umsatzsteuerkarussellen betroffen sein.

Überprüfung der Vertragspartner

Die Finanzbehörden stellen im Zusammenhang mit umsatzsteuerbetrugsbehafteten Lieferungen je nach Einzelfall unterschiedlich hohe Anforderungen an die erforderlichen Überprüfungsmaßnahmen der Vertragspartner. Kriterien sind unter anderem die Branche, die Dauer der Geschäftsbeziehung, die Umsatzhöhe, der Einkaufspreis und die Unternehmensgröße. Eine Überprüfung von Vertragspartnern kann beispielsweise in Gestalt der folgenden Maßnahmen durchgeführt werden:

  • Einholung von Handelsregisterauszügen und sonstigen im Handelsregister oder im Bundesanzeiger niedergelegten Unterlagen (zum Beispiel Gesellschaftsverträge, Satzungen, Gesellschafterlisten, Jahresabschlüsse),
  • Einholung von Auskünften von Wirtschaftsauskunfteien (zum Beispiel Creditreform),
  • Überprüfung der Identität der für den Vertragspartner handelnden Personen (etwa Anfertigung von Kopien der Personalweise der Geschäftsführer),
  • regelmäßige Überprüfung der Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Vertragspartners, beispielsweise in Gestalt einer Abfrage über das Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem (MIAS) der Europäischen Kommission, da im Rahmen der Bestätigungsanfrage beim Bundeszentralamt für Steuern eine Überprüfung deutscher Umsatzsteuer-Identifikationsnummern nicht möglich ist,
  • Überprüfung der tatsächlichen Existenz des Vertragspartners, etwa in Gestalt der Besichtigung der Firmenräumlichkeiten,
  • Überprüfung des Internetauftritts des Vertragspartners.

Bei den oben aufgezählten Überprüfungsmaßnahmen handelt es sich lediglich um eine beispielhafte und nicht abschließende Auswahl, die auch keinesfalls in dem Sinne zu verstehen ist, dass sämtliche Überprüfungsmaßnahmen bezogen auf einen Vertragspartner stets kumulativ durchzuführen sind. Die im konkreten Fall erforderlichen Überprüfungsmaßnahmen hängen vielmehr von zahlreichen Einzelfaktoren ab und sind jeweils individuell festzulegen.

Umsatzsteuer-Compliance

Nur durch verbind­liche Leitfäden können Führungs­personen dem Vorwurf eines Organi­sations­verschuldens entgegen­treten.

Die zahl­reichen und hier nur über­blick­artig dargestellten Risiken im Bereich der Umsatz­steuer lassen sich im Zuge eines umsatz­steuer­rechtlichen Compliance-Systems minimieren. Die konkrete Aus­gestaltung eines solchen umsatz­steuer­rechtlichen Compliance-Systems ist im Einzel­fall fest­zulegen und hängt unter anderem von der Branche, der Unter­nehmens­organisation und der Unter­nehmens­größe ab. Sinnvoll ist die Einführung einer Umsatzsteuer-Compliance zumindest für solche Bereiche, die besonders fehler­anfällig sind oder im Unternehmen bereits in der Vergangen­heit zu Problemen geführt haben (wie Vorsteuer­abzug aus Eingangs­rechnungen, Nachweis­führung hinsichtlich inner­gemein­schaft­licher Lieferungen, Reihen­geschäfte, Organschaft usw.). Bestandteil einer Umsatzsteuer-Compliance können beispiels­weise die folgenden Maßnahmen sein:

  • Erstellung von Handlungsleitfäden und Richtlinien hinsichtlich der korrekten umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung und Abwicklung einzelner Problembereiche,
  • regelmäßige Umsatzsteuerschulungen oder Online-Schulungen unter anderem für die Mitarbeiter der Buchhaltung und der Steuerabteilung,
  • regelmäßige und institutionalisierte Überprüfung, ob die Handlungsleitfäden und Richtlinien in den einzelnen Abteilungen gelebt und ordnungsgemäß umgesetzt werden.

Das vorsätzliche oder fahrlässige Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen in einem Unternehmen wird mit einer Geldbuße bis zu 1.000.000 Euro (§ 130 OWiG) oder gar steuerstrafrechtlichen Vorwürfen sanktioniert. Nur durch verbindliche Handlungsleitfäden und klare Definition und Dokumentation von Zuständigkeiten und erfolgten Delegationen können Führungspersonen und ihnen in der Leitungsebene nachgeordnete Mitarbeiter dem Vorwurf eines Organisationsverschuldens wirksam entgegentreten.

Zum Autor

DK
Dr. Daniel Kaiser

Rechts­anwalt und Fach­an­walt für Steuer­recht, ist in der auf Umsatz­steuer speziali­sierten Kanzlei küffner maunz langer zugmaier, München, mit straf­recht­lichen Fragen befasst.

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