Modernisierung der Berufsrechte - 11. September 2013

Harmonie im Mehrklang

Die divergierenden Regelungen für Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer passen nicht mehr in unsere moderne Zeit. Sie verhindern allzu oft die gemeinsame Berufsausübung und vor allem die Beteiligung Dritter.

Im Frühjahr dieses Jahres hat der Schweizerische Anwaltsverband den Entwurf eines Anwaltsgesetzes eingebracht mit zwei ebenso klaren wie liberalen Normen. In Art. 38 des Entwurfs heißt es: Wer gemeinschaftlich mit anderen den Anwaltsberuf ausübt, ist frei, sich in einer vom schweizerischen Recht zugelassenen Rechtsform zu organisieren.

Die Wahl der Rechtsform ist also nicht beschränkt. Und Art. 39 besagt: In einer Anwaltsgesellschaft müssen die anwaltlichen Gesellschafter über mindestens drei Viertel der Stimmen verfügen, und ihre Beteiligung an den Eigenmitteln muss mindestens zwei Drittel betragen; außerdem müssen Beschlüsse mit Stimmenmehrheit der anwaltlichen Gesellschafter zustande kommen.
Die Anwälte müssen also bei Beteiligung Dritter das Sagen haben. Dies wird andererseits als ausreichend angesehen, um ihre Unabhängigkeit zu sichern.
Die genannten Regelungen spiegeln die Rechtsentwicklung der letzten Jahre in der Schweiz wider und entsprechen zum Teil der bereits geübten Praxis (s. Staehelin in Schweizerische Anwaltsrevue 2013, S. 68, 71 f.).

Situation in Deutschland

Ein berufs­über­greifendes Zusammen­gehen bedarf im Einzel­fall einer Über­prüfung der recht­lichen Möglich­keiten für jeden Beruf.

In Deutsch­land unter­liegen die Rechts­formen für die Berufs­aus­übung von Anwälten, Steuer­beratern und Wirt­schafts­prüfern jeweils Einzel­regel­ungen, und diese diver­gieren. Ein berufs­über­greifendes Zusammen­gehen bedarf deshalb im Einzel­fall einer Über­prüfung der rechtlichen Möglich­keiten für jeden einzelnen Beruf, und dies kann zur Un­zulässig­keit führen. Gleiches gilt für die Ein­bindung Dritter. Auch diese ist für Rechts­anwälte, Steuer­berater und Wirt­schafts­prüfer unter­schied­lich geregelt, und die unter­schied­lichen Regel­ungen passen nur teil­weise zusammen, sodass gilt: Was dem einen Berufs­stand erlaubt ist, kann dem anderen unter­sagt sein mit der Folge, dass ein gemeinsames Zusammen­gehen mit Dritten daran scheitert.

Organisationsformen

Bei allen drei hier relevanten Berufen ist zwischen einem Zusammengehen in Person und der Gründung einer Gesellschaft zu unterscheiden, die als solche Berufsträger ist (Anwaltsgesellschaft, Steuerberatungsgesellschaft, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft).
Für Rechtsanwälte ist als eigenständige Anwaltsgesellschaft nur die GmbH explizit und detailliert geregelt (§§ 59c ff. BRAO). Daraus hat die höchstrichterliche Rechtsprechung entnommen, dass auch die Aktiengesellschaft mit den für die Anwalts-GmbH geltenden Beschränkungen zulässig sein muss [BGH vom 10.1.2005; Az.: AnwZ (B) 27/03 und 28/03]. Unzulässig ist jedoch wegen ihres kommerziellen Charakters die GmbH & Co. KG [BGH vom 18.07.2011; Az.: AnwZ (Brfg) 18/10; BVerfG vom 6.12. 2011; Az.: 1 BvR 2280/11].
Die Steuerberatungsgesellschaft ist nach § 49 Abs. 1 StBerG als AG, KGaA, GmbH, oHG, KG und Partnerschaftsgesellschaft möglich. Ebenso ist die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als AG, KGaA, GmbH, oHG, KG und Partnerschaftsgesellschaft, zudem als SE zulässig (§ 27 Abs. 1 WPO).

Rechenspiele

Allen drei Gesellschaften ist gemeinsam, dass sie eine Mehrheit von Berufsträgern erfordern (§ 59e Abs. 2 BRAO, § 50 Abs. 4 StBerG, § 27 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 3 ff. WPO), sodass auf der Ebene dieser Gesellschaften berufsübergreifende Zusammenschlüsse nicht möglich sind.
Wenn deshalb in einer Anwaltsgesellschaft die Anwälte die Mehrheit haben müssen und in einer Steuerberatungsgesellschaft die Steuerberater, dann geht nichts zusammen. Dies gilt auch für die Verbindung von Rechtsanwälten und Patentanwälten [s. BGH vom 10.10.2011; Az.: AnwZ (Brfg) 1/10].
Umgehen lässt sich das Problem derzeit nur durch die Aufnahme von Kollegen, die doppelt oder gar dreifach qualifiziert sind. Wenn ein Rechtsanwalt und ein Steuerberater sich mit einem Kollegen zusammentun, der über beide Qualifikationen verfügt, dann sind in dieser dreiköpfigen Gesellschaft zwei Steuerberater und zwei Rechtsanwälte tätig, haben also rein rechnerisch jeweils die Mehrheit.
Auf der Ebene der persönlichen Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung gelten die genannten Mehrheitserfordernisse nicht. Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer können sich also in Personalgesellschaften zur gemeinsamen Berufsausübung unabhängig davon verbinden, wer die Mehrheit stellt.

Rechtsformen

Als Rechtsformen bieten sich hier namentlich die Sozietät, die sich als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts darstellt, und die Partnerschaft nach dem PartGG an; sie sind bei allen drei hier relevanten Berufen zulässig und rechtlich unproblematisch.
Hinzu kommt jetzt die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung; das dementsprechende Gesetz ist noch in der laufenden Legislaturperiode am 14. Juni 2012 im Bundestag verabschiedet worden und am 14. Juni 2013 in Kraft getreten.
Damit dürfte die Flucht in die LLP englischen Rechts gestoppt werden, die nach Europäischem Recht auch in anderen EU-Staaten eine Niederlassung gründen kann und dann dort eintragungsfähig ist (EuGH vom 5.11.2002; Az.: C-208/00 – Fall Überseering).

Beteiligung Dritter

Nach § 59a Abs. 1 BRAO dürfen sich Rechtsanwälte mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer, mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden. Für Anwaltsnotare sagt § 9 Abs. 2 BNotO zusätzlich, dass diese sich nur mit Angehörigen der eben genannten Berufe verbinden dürfen. § 59a Abs. 1 BRAO steht im Gegensatz zur Rechtslage bei den Wirtschaftsprüfern.
Nach § 44b WPO dürfen Wirtschaftsprüfer ihren Beruf mit Angehörigen freier Berufe gemeinsam ausüben, die der Berufsaufsicht einer Berufskammer eines freien Berufs unterliegen und ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO haben, also zur Berufsverschwiegenheit verpflichtet sind.
Dies wirft die Frage auf, ob nicht auch Rechtsanwälte über die in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufe hinaus mit Angehörigen anderer, in ihrem Berufsrecht vergleichbarer Berufe wie etwa Ärzten oder Architekten zusammengehen können.
Die herrschende Meinung verneint das. Der BGH hält jedoch § 59a Abs. 1 BRAO in einer neuen Entscheidung für verfassungswidrig und hat die Sache gemäß Art. 100 GG dem BVerfG vorgelegt (BGH vom 16.5.2013; Az.: II ZB 7/11 – siehe dazu ausführlich Kleine-Cosack in AnwBl. 2013, 570 ff).
Steuerberater dürfen sich entsprechend der Regelung in § 59a Abs. 1 BRAO nach § 56 Abs. 1 StBerG mit Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern, vereidigten Buchprüfern sowie Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer und der Patenanwaltskammer zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden, jedoch ist in einer Steuerberatungsgesellschaft die Beteiligung Dritter mit besonderer Fachkunde nach Genehmigung durch die Steuerberaterkammer möglich (§ 50 Abs. 3 StBerG), allerdings nur bis zu einer Beteiligung von insgesamt 50 Prozent der Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder persönlich haftenden Gesellschafter der betreffenden Steuerberatungsgesellschaft (§ 50 Abs. 4 StBerG).

Besonderheiten

Bei berufsübergreifender Zusammenarbeit ist mithin darauf zu achten, dass das Zusammengehen nach dem Berufsrecht sämtlicher Beteiligter möglich ist.
So kann ein Wirtschaftsprüfer, der beispielsweise Krankenhausgesellschaften berät oder prüft, einen Arzt aufnehmen; denn der Arzt erfüllt die Voraussetzungen nach § 44b Abs. 1 WPO, und umgekehrt darf der Arzt mit Berufsfremden zusammengehen, wenn er in dieser Gemeinschaft nicht die Heilkunde am Menschen ausübt (§ 23b der Musterberufsordnung für Ärzte).
Will sich auch ein Rechtsanwalt beteiligen, ist dies derzeit ausgeschlossen, da nach § 59a Abs. 1 BRAO Ärzte nicht Partner von Rechtsanwälten sein können.

Perspektiven

Die GmbH und die AG und vorher schon die überörtliche Sozietät musste den Kammern regelrecht abgerungen werden.

Der deutsche Gesetz­geber tut sich schwer. Bei den Rechts­anwälten mussten die GmbH und die AG und vorher schon die über­örtliche Sozietät den Kammern auf dem Rechts­weg regel­recht abgerungen werden.
Auch die Ver­bindung von An­walts­notaren mit Wirt­schafts­prüfern bedurfte erst einer Ent­scheidung des BVerfG (s. BVerfG vom 8.4.1998; Az.: 1 BvR 1773/96).
Und bis Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts durften sich nicht einmal Rechtsanwälte und Patentanwälte zu einer Sozietät zusammenschließen, obwohl sich diese Berufe besonders nahestehen und beispielsweise in Patentverletzungsprozessen Rechtsanwälte und Patentanwälte regelmäßig gemeinsam auftreten.
Auf der Agenda des Bundesjustizministeriums stehen die Themen schon seit Jahren, wie sich aus dementsprechenden Äußerungen der Ministerin entnehmen lässt.
Derzeit bleibt im Einzelfall nichts anderes übrig, als unter Berufung vornehmlich auf die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) den Rechtsweg, notfalls bis zum BVerfG oder gar dem EuGH, zu beschreiten und so die Entwicklung zu forcieren, dies auch im Sinne von Art. 25 der Allgemeinen Dienstleistungsrichtlinie der EU von 2006, nach der die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet sind, die interdisziplinäre Zusammenarbeit unter Dienstleistern von Beschränkungen frei zu halten.

Fazit

Die divergierenden Regelungen für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer rufen geradezu nach einer einheitlichen, zudem liberalen Regelung sowohl für die Organisationsformen der gemeinsamen Berufsausübung als auch für die Beteiligung Dritter und Berufsfremder.
Zwar gilt es, die Unabhängigkeit des Anwalts wie auch der anderen Beratungsberufe zu wahren und zu sichern. Dazu muss man aber weder zulässige Rechtsformen der Zusammenarbeit von vornherein ausschließen noch Dritte prinzipiell daran hindern, sich zu beteiligen. Die Regelungen in dem Entwurf eines Schweizer Anwaltsgesetzes zeigen deutlich, wie sich die Probleme lösen lassen.
Im Übrigen gilt: Unabhängigkeit muss gelebt und täglich praktiziert werden; sie hängt nicht an der Rechtsform der Kanzlei und auch nicht an einer Beteiligung Berufsfremder, wenn diese nicht die Mehrheit stellen.

Zum Autor

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Dr. Wieland Horn

Rechtsanwalt in München sowie Redaktionsbeirat beim DATEV magazin. Er ist Träger einer Gütestelle nach dem Bayerischen Schlichtungsgesetz.

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