Die fehlgeschlagene Selbstanzeige - 19. August 2013

Die Chance verpasst

Die straf­be­freiende Selbst­an­zeige ist ein Weg zurück zur Steuer­ehr­lichkeit. Damit der Schritt aber nicht zum Tanz auf dem Draht­seil wird, er­scheint fachliche Be­ratung dringend geboten.

Die Frage, welche Konsequenzen Fehler in einer steuerlichen Selbstanzeige haben, interessierte bis vor Kurzem nur die Fachwelt. Im Frühjahr hat sich das schlagartig geändert. Seit der Fall Hoeneß in der Öffentlichkeit diskutiert wird, ist das Thema Selbstanzeige in aller Munde.
Der Fall ist aufgrund der Höhe der mutmaßlich hinterzogenen Beträge sowie aufgrund der Prominenz des Betroffenen in vielerlei Hinsicht ungeeignet, als Musterbeispiel zu dienen. Andererseits wirft er durchaus auch Fragen auf, welche die Praxis noch lange beschäftigen werden.

Ein Schuss – ein Treffer

Wer Straffreiheit erlangen will, muss seinen aufrichtigen Willen zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit demonstrieren.

Im Mai 2011 wurde die Vor­schrift des § 371 Abgaben­ordnung (AO), in der die straf­befreiende Selbst­anzeige geregelt ist, geändert. Seit­dem ist klar­ge­stellt, dass nur der­jenige sicher sein kann, von Strafe verschont zu bleiben, der sämtliche noch nicht ver­steuerten Ein­künfte offen­legt. Mit anderen Worten: Alle steuer­lich noch nicht ver­jährten Leichen im Keller müssen mit dem ersten Schreiben an die Finanz­ver­waltung rest­los beseitigt werden.
Dem Gesetz­geber schwebten dabei die Fälle vor, in denen ein Steuer­flüchtling aus Angst vor Ent­deckung sein Konto in der Schweiz offen­legt, die Erträge aus einem zweiten Konto in Luxem­burg jedoch weite­rhin ver­schweigt. Einem solchen Verhalten wurde der Riegel vor­ge­schoben.
Wer Straf­frei­heit er­langen will, muss seinen auf­richtigen Willen zur Rückkehr in die Steuer­ehrlich­keit demonstrieren. Teil­selbst­anzeigen sind nicht mehr zulässig.
Das Finanz­amt soll sofort – und nicht erst Stück für Stück – in die Lage versetzt werden, die tat­säch­lichen Grund­lagen für die Neu­be­rechnung der Steuern zu erfassen.
Nach der Neufassung des Gesetzes gibt es einige Fallstricke, die dazu führen können, dass eine Selbstanzeige ihr Ziel verfehlt.

Die unvollständige Selbstanzeige

Ein Mandant hat ein Aktiendepot in der Schweiz. Es fielen steuerpflichtige Gewinne an. Die Bank teilt mit, dass die Dokumentation aller Kontobewegungen mehrere Monate in Anspruch nehmen wird.
Daraufhin wird durch den Berater dem Finanzamt angekündigt, dass die Abgabe einer Selbstanzeige beabsichtigt sei, sobald die vollständigen Unterlagen der Schweizer Bank vorlägen. Die strafrechtlich relevante Steuerschuld beträgt insgesamt mehr als drei Millionen Euro.
In diesem Fall kann das Finanzamt mit der Selbstanzeige nichts anfangen. Die Mitteilung in dem Beispiel versetzt die Finanzbeamten nicht in die Lage, eine eigenständige juristische Bewertung und Berechnung vorzunehmen.
Die Selbstanzeige ist strafrechtlich auch dann unwirksam, wenn die vollständigen Bankunterlagen später nachgereicht werden. Denn bereits mit der ersten – unvollständigen – Erklärung war die Tat entdeckt. Eine fehlerhafte Selbstanzeige kann nicht geheilt werden.

Die verspätete Selbstanzeige

Ein Steuerpflichtiger erteilt seinem Anwalt den Auftrag zur Erstellung einer Selbst­anzeige. ­Tat­sächlich ist ihm das Finanz­amt jedoch bereits auf den Fersen. Seine voll­ständigen Daten be­finden sich auf einer CD, die ein ehe­maliger Mit­arbeiter einer Schweizer Bank an den deutschen Staat verkauft hat.
Kurz vor Fertig­stellung der Selbst­anzeige erhält der Kunde einen Anruf seines Bank­be­raters, der ihm mit­teilt, dass ein Bank­mit­arbeiter Daten gestohlen und ve­rkauft hat.
In diesem Fall ist die Selbst­anzeige gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO zu spät ab­ge­geben worden. Ihre straf­be­freiende Wirkung ent­fällt, da der Täter bei Abgabe damit rechnen musste, dass die Tat bereits entdeckt worden war.

Die unkorrekte Selbstanzeige

Ein Steuerpflichtiger erklärt Einkünfte aus einem Gewerbe­betrieb vollständig nach. Er hatte in den letzten Jahren Verluste aus Ver­mietung und Ver­pachtung geltend gemacht. Die Steuer­fahndung er­forscht nach Abgabe der Selbst­anzeige die persön­lichen Verhält­nisse und gelangt zu der Auf­fassung, dass das Miet­ver­hältnis steuerlich nicht an­zu­erkennen sei, da der Miet­vertrag mit der Lebens­ge­fährtin des Steuer­pflichtigen ab­ge­schlossen wurde.
Das Selbst­ver­ständnis der Steuer­fahnder hat sich ver­ändert. Vor einigen Jahren wurden Selbst­anzeigen in der Regel dankbar ent­gegen­genommen, ohne weiter hinter­fragt zu werden. In letzter Zeit treten indes vermehrt Fälle auf, bei denen das Finanz­amt eine Selbst­anzeige zum Anlass nimmt, gezielt nach weiteren Steuer­quellen zu suchen, welche die Selbst­anzeige eventuell zu Fall bringen könnten.
Unterstellt man, dass es sich bei der frag­würdigen Miet­kon­struktion um eine vor­sätzliche Steuer­hinter­ziehung gehandelt hat, so wäre diese im Rahmen der Selbst­anzeige zu be­richtigen gewesen. Die Nicht-Korrektur wäre damit schädlich, sofern es sich nicht nur um eine Bagatell­abweichung handelt.
Eine solche wird in der Regel angenommen, wenn die Differenz zwischen dem erklärten Betrag und der tat­sächlich rück­ständigen Steuer­schuld weniger als fünf Prozent beträgt.
Nach der Recht­sprechung kann sich auf Bagatell­abweichungen aller­dings nur derjenige berufen, der aufgrund eines Irrtums ver­gessen hat, die Beträge voll­ständig nach­zu­deklarieren. Geschah das vorsätzlich, so soll die Selbst­anzeige voll­ständig unwirksam sein.

Rechtsfolgen

Bei Fehlern in der Selbst­anzeige hat die Nach­erklärung keine straf­be­freiende Wirkung. In diesem Fall kommt es zu einem Straf­verfahren wegen Steuer­hinter­ziehung. Die noch nicht ver­jährten Steuern und Hinter­ziehungs­zinsen müssen dann natürlich trotzdem nach­gezahlt werden. Dieses Prozedere hat aller­dings nicht zur Folge, dass die Selbst­anzeige völlig ohne Wirkung bleibt. Vielmehr ist sie bei Ab­schluss des Straf­verfahrens im Rahmen der Straf­zumessung entsprechend zu be­rücksichtigen.
In der Praxis haben sich noch keine Anhalts­punkte dafür heraus­kristallisiert, wie hoch der Straf­rabatt ist, den man im Fall einer ge­scheiterten Selbst­anzeige für sich in Anspruch nehmen kann.
Letztlich wird man die besonderen Umstände jedes Einzel­falls würdigen müssen. Entscheidend wird es dabei unter anderem darauf ankommen, in welchem Maß der Steuer­pflichtige selbst daran schuld ist, dass die Selbst­anzeige gescheitert ist.

Strafzumessung

Konkret bedeutet das für die oben angeführten Beispiele:
Im Fall der unvollständigen Selbstanzeige ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einer Hinterziehungssumme von mehr als einer Million Euro in der Regel eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu verhängen.
Um von dieser Vorgabe abweichen zu können, wird man Umstände von besonderem Gewicht finden müssen, die zugunsten des Steuerhinterziehers sprechen.
Ein solcher Umstand könnte beispielsweise sein, wenn das Scheitern der Selbstanzeige im Wesentlichen auf eine falsche steuerliche Beratung zurückzuführen ist.
Im Fall der Daten-CD (verspätete Anzeige) dürfte die Tatsache, dass sich der Mandant bereits zur Abgabe einer Selbstanzeige entschieden hat, erheblich strafmildernd zu Buche schlagen.
Hier kann der Anwalt helfen, indem er frühzeitig den Auftrag zur Erstellung der steuerlichen Nacherklärung dokumentiert. Der gute Wille des Mandanten kann auf diese Weise nachgewiesen werden.
In Fällen unvollständiger Selbstanzeigen wird es für die Strafzumessung maßgeblich auf die Differenz zwischen dem erklärten Betrag und der neu berechneten Steuerschuld ankommen.
Steuerberater und Anwälte sollten in jedem Fall den Mandanten vor Abgabe einer Selbstanzeige schriftlich darauf hinweisen, dass ihm das Verschweigen einzelner Positionen erhebliche Probleme bereiten kann.

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Zum Autor

Dr. Tobias Rudolph

Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für Steuerrecht; Gründungspartner der Kanzlei Rudolph Rechtsanwälte in Nürnberg
www.rudolph-recht.de

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