Der Steuerberater als Mediator - 16. Juni 2013

Besser schlichten

Steuerberater profitieren auch in Mediationsverfahren von ihrer hohen fachlichen Kompetenz, die sich auf viele Bereiche des Wirtschaftslebens erstreckt. Das sagt Dr. Hans Leitermeier, Mediator aus Nürnberg.

DATEV magazin: Wieso ist Mediation auch ein Thema für Steuerberater?

Dr. Hans Leitermeier: Weil der Steuerberater seinem Mandanten in aller Regel als ständiger Begleiter und Berater in allen Steuerfragen einschließlich der damit zusammenhängenden wirtschaftlichen oder unternehmerischen Fragen dient. Dabei arbeitet der Steuerberater vorausschauend mit dem Ziel, den Mandanten vor Konflikten insbesondere mit dem Finanzamt, aber auch mit Gesellschaftern und ähnlichen Geschäftspartnern zu bewahren. Gerät der Mandant trotzdem in Konfliktsituationen, wird er sich zunächst und in erster Linie an den ihm vertrauten Steuerberater wenden.

DATEV magazin: An welche Konfliktsituationen denken Sie?

Dr. Hans Leitermeier: Nicht an klassische Rechtsprobleme, wie etwa im Bereich der Miete, Forderungseintreibung, Haftung oder dem Arbeitsrecht. Darum geht es hier nicht. Ebenso wenig geht es um Konflikte mit dem Finanzamt, hier insbesondere Betriebsprüfungen, die abzuwehren in der Schlussbesprechung erhebliches Verhandlungsgeschick vom Steuerberater verlangen. Ich denke an die Lösung von Streitigkeiten unter Erben oder Auseinandersetzungen unter Mitgesellschaftern, die bereits bei jeder Bilanzierung beginnen können.

DATEV magazin: Können Sie das etwas genauer erklären?

Dr. Hans Leitermeier: Wenn etwa konsumtive Interessen an einer Ausschüttung mit der Thesaurierung für die Unternehmensinvestition konkurrieren. Oder es treten grundsätzliche Fragen zum Gesellschaftsvertrag und dessen Auslegung bzw. Anwendung auf. Oft sind auch Vermögensberechnungen oder Vorschläge zur Vermögensauseinandersetzung unter Berücksichtigung steuerlicher Folgen gefragt, wenn eine Trennung oder Ehescheidung im Raum steht.

DATEV magazin: Sind weitere Konfliktfelder denkbar?

Dr. Hans Leitermeier: Bei der Unternehmensnachfolge können auch Konflikte, vor allem innerhalb der Familie, entstehen. Hier kann der Steuerberater unter anderem bei Einsetzung eines Familienrats oder einer Familienkonferenz mediatorisch wirken. Aber auch beim Unternehmenskauf und -verkauf ergeben sich für den Steuerberater viele wirtschaftliche Fragen zur Gestaltung und Umsetzung. Hier ist viel mediatorisches Verhandlungsgeschick gefragt. Der klassische Rechtsanwalt kommt eigentlich erst dann ins Spiel, wenn gerichtliche Auseinandersetzungen unausweichlich sind. Aber gerade das kann ja ein Steuerberater mit mediatorischem Geschick und Fachwissen bereits im Vorfeld vermeiden.

Insbesondere jüngeren Steuer­beratern ist zu empfehlen, eine Mediationsausbildung zu absolvieren.

DATEV magazin: Das spricht ja dafür, dass eher der Steuerberater als der Anwalt als Mediator in Frage kommt.

Dr. Hans Leitermeier: Nicht von der Hand zu weisen ist die umfangreiche Kenntnis der Verhältnisse, die sich ein Steuerberater durch lange vertrauensvolle Zusammenarbeit unter anderem bei Erstellung von Bilanzen und Steuererklärungen erworben hat. Auch die langjährige, zum Teil intime Kenntnis der ganzen Familie, der Entwicklung der Unternehmerkinder und andere Details kommen ihm in mediatorischen Prozessen zugute.

DATEV magazin: Gefragt ist aber nicht nur Kompetenz, sondern auch ein gewisses Maß an Persönlichkeit.

Dr. Hans Leitermeier: Der Steuerberater wird intuitiv in Empathie geschult, denn er muss viel Empathie zeigen. Und das ist auch eine wesentliche Voraussetzung bei der mediatorischen Konfliktlösung. Hinzu kommen eine hohe fachliche Kompetenz in vielen Gebieten des Wirtschaftslebens, die sich der Steuerberater in langen Jahren der Praxis sowie durch Aus- und Fortbildung erworben hat und ebenso die bereits genannte Verhandlungskompetenz.

DATEV magazin: Warum benötigt der Steuerberater dann eigentlich noch eine Ausbildung als Mediator?

Dr. Hans Leitermeier: Ich konnte in meiner langjährigen Tätigkeit als klassischer Steuerberater Einfühlungsvermögen, aktives Zuhören und Ähnliches intuitiv lernen. Die jetzt nach dem Mediationsgesetz praktisch obligatorische Mediationsausbildung vertieft diese Fähigkeiten sowohl durch Vermittlung theoretischer Kenntnisse des Mediationsverfahrens als auch durch sinnvolle und notwendige, in Rollenspielen geübte Fallbeispiele. Gerade jüngeren Steuerberatern empfehle ich, eine Mediationsausbildung zu absolvieren. Sie liefert viel Handwerkszeug für die tägliche Berufsausübung, selbst wenn man sich nicht unmittelbar als Mediator betätigen will.

DATEV magazin: Gibt es Grenzen für das Wirken des Steuerberaters als Mediator?

Dr. Hans Leitermeier: Eine wesentliche Einschränkung ergibt sich aus dem Grundsatz der Allparteilichkeit des Mediators. Das ist in § 3 ­Abs. 2 Mediationsgesetz zwingend niedergelegt. Aufgrund langjähriger Beratungstätigkeit für den Mandanten in vielen Lebensbereichen ist der Steuerberater bei vielen Konflikten womöglich schon vorbefasst. Das kann problematisch werden, wenn, wie so oft, unter Familienmitgliedern aufgrund unterschiedlicher Interessen Konflikte entstehen und der Steuerberater im Vorfeld bereits für eine Partei langjährig tätig war.

DATEV magazin: Problematisch wird es doch auch, wenn rechtliche Aspekte im Rahmen der Mediation zu berücksichtigen sind.

Dr. Hans Leitermeier: § 2 Abs. 3 Rechtsdienstleistungsgesetz bildet hier für den Steuerberater, der nicht zugleich Anwalt ist, eine weitere Grenze: Mediation ist nur dann keine – nur dem Anwalt erlaubte – Rechtsdienstleistung, „sofern die Tätigkeit nicht durch rechtliche Regelungsvorschläge in die Gespräche der Beteiligten eingreift“. Diese Grenze kann überschritten sein, wenn es um rechtliche Lösungsvorschläge bzw. -optionen geht oder gar eine Vereinbarung mit rechtlichem Regelungsinhalt zu treffen ist. In derartigen Fällen bedarf es zwingend der Zusammenarbeit mit einem Anwalt, sofern der Steuerberater nicht zugleich selbst als Rechtsanwalt zugelassen ist.

DATEV magazin: Wie sehen dann die konkreten Einsatzfelder für den Steuerberater als Mediator aus?

Dr. Hans Leitermeier: Andere Steuerberaterkollegen, die wegen langjähriger Betreuung vorbefasst sind, also nicht als Mediator fungieren dürfen, werden bevorzugt einen Kollegen hinzuziehen, weil dieser die gleiche Sprache spricht. Aber auch für einen Rechtsanwalt, der zum Beispiel eine Mehrpersonengesellschaft auseinanderzusetzen bzw. abzuwickeln hat, ist der Steuerberater als Mediator eine gute Empfehlung.

DATEV magazin: Inwiefern?

Dr. Hans Leitermeier: Der Steuerberater wird hier als Mediator geschätzt wegen seines hohen Fachwissens und seines wirtschaftlichen Verständnisses, aber auch wegen seiner bereits im Berufsalltag intuitiv geschulten Verhandlungskompetenz. In der Phase des Sammelns und Bewertens von Lösungsoptionen kann er wertvolle Dienste leisten.

DATEV magazin: Gilt das auch im Verhältnis zu dem von ihm lange Jahre betreuten Mandanten?

Dr. Hans Leitermeier: Scheidet der Steuerberater wegen Vorbefassung selbst als Mediator aus, kann er seinen Mandanten dennoch wie ein Coach durch den Mediationsprozess ganz oder auch nur teilweise in einzelnen Phasen begleiten. Er kann dem Mandanten den Mediationsprozess erläutern und die Vorteile der Mediation im konkreten Konfliktfall verdeutlichen. Ferner kann er den Mandanten vor den Sitzungen beraten oder selbst darin begleiten. Und auch bei der Erarbeitung und Bewertung von Lösungsoptionen kann er wertvolle Dienste leisten. Schließlich gibt der Steuerberater seinem Mandanten die für ihn wichtige Sicherheit, in dem für den Mandanten nicht alltäglichen Mediationsverfahren und festigt damit das Mandat für die Zukunft.

DATEV magazin: Allgemein gefragt, welche Rolle wird die Mediation zukünftig spielen?

Dr. Hans Leitermeier: Die Mediation wird im Wirtschaftsleben in der Zukunft tendenziell immer mehr als die zu bevorzugende Konfliktlösung anerkannt und sich daher vermehrt durchsetzen. Das sollten gerade jüngere Steuerberater bei ihrer beruflichen Ausrichtung stets berücksichtigen.

DATEV magazin: Welchen Rat haben Sie für junge Berufskollegen?

Dr. Hans Leitermeier: Sie können sich mit der Mediationsausbildung profilieren, sei es, dass sie selbst in Zusammenarbeit mit anderen Steuerberatern, Anwälten oder Unternehmensberatern Mediationsverfahren moderieren oder aber ihre Mediationskompetenz bei der Mandatsakquisition erfolgreich einsetzen. Mit den erworbenen mediatorischen Fähigkeiten können sie sich schnell Vertrauen bei neuen Mandanten verschaffen.

DATEV magazin: Gibt es Fachliteratur, die Sie dem interessierten Steuerberaterkollegen empfehlen können?

Dr. Hans Leitermeier: Die Literatur zum Thema ist mittlerweile vielfältig. In jedem Fall zu empfehlen ist aber das kürzlich im Verlag C.H. Beck in der Reihe NJW Praxis erschienene Handbuch von Schmidt/Lapp/Monßen mit dem Titel „Mediation in der Praxis des Anwalts“. Es gibt auf neuestem Stand zu allen auftretenden Fragen schnell und klar Auskunft.

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CHEF-Seminar:

Wirtschaftsmediation für Steuerberater (Art.-Nr. 70058)

Zu den Autoren

Dr. Hans Leitermeier

Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Nürnberg. Nach erfolgreich absolvierter Mediationsausbildung beabsichtigt er nunmehr ausschließlich als Mediator tätig zu sein.

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Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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