Kanzlei-Controlling - 17. Juni 2013

Strategische Erfolge

Ziel und Strategie gibt er vor. In der Umsetzung und Planung der Aufträge vertraut er ganz seinen Mitarbeitern. Steuerberater Jens Witthüser beschreibt, wie die Kanzleiziele für ein Geschäftsjahr gesteckt und erreicht werden.

DATEV magazin: Wie viel Zeit investieren Sie pro Monat in Ihr Kanzlei-Controlling?

JENS WITTHÜSER: Das lässt sich nicht ganz genau beantworten, da der Aufwand jahreszeitlichen Schwankungen unterliegt. Allein für die laufende Auftragskontrolle verwende ich durchschnittlich zehn Stunden pro Monat. Der zeitliche Einsatz nimmt zum Jahresende aber deutlich zu, da ich im Herbst die Auftrags- und Mitarbeitereinsatzplanung für das Folgejahr aufbaue, die wiederum mit der Kosten- und Honorarplanung einhergeht. Sobald in den ersten drei Monaten des neuen Geschäftsjahres die letzte Rechnung für das alte Wirtschaftsjahr geschrieben wurde, führe ich eine Nachkalkulation der abgeschlossenen Aufträge durch.

DATEV magazin: Wie integrieren Sie Ihre Mitarbeiter in diesen Planungsprozess?

JENS WITTHÜSER: Der Slogan unserer Kanzlei heißt: Zeit für Zukunft. Diese Zeit nehmen wir uns nicht nur für unsere Mandanten, sondern auch für uns selbst. Im Oktober bespreche ich die monetären und qualitativen Kanzleiziele, die im Folgejahr erreicht werden sollen, mit meinen Mitarbeitern und aktualisiere diese in unserer Balanced Score Card. Diese zeigt in ihrer Ein-Jahres-Betrachtung eine Differenzierung der langfristigen Kanzleiziele in kurzfristig zu erreichenden Meilensteinen. Gleichzeitig kalkuliere ich auch für jeden einzelnen Mitarbeiter mögliche Produktivstunden, Kosten- und Verrechnungssätze sowie den Mindestumsatz je Kopf. Diese Werte bekommt jeder Mitarbeiter als Zielvorgabe, um selbst darauf aufbauend seine Aufträge mit Soll-Zeiten zu planen. Diese Phase beginnt in der Regel ab November und muss vor Weihnachten abgeschlossen sein. Im Sinne einer ausgeglichenen Auftragsverteilung unter den Mitarbeitern gibt es spontane Planungssitzungen, in denen wir die Auftragsverteilung besprechen. Ich lege großen Wert darauf, dass jeder Mitarbeiter frühzeitig erkennt, dass er auch die Möglichkeit hat, die gesetzten Ziele zu erreichen.

DATEV magazin: Und dieses Konzept, auf die Eigenverantwortung der Mitarbeiter zu setzen, geht auf?

JENS WITTHÜSER: In meiner Kanzlei bin ich nur der Trainer. Das Ziel und die Strategie gebe ich vor. In der Umsetzung baue ich aber auf die Erfahrungen meiner Mitarbeiter. Sie wissen selbst am besten, wie viel Zeit sie in die Bearbeitung eines Falls investieren müssen und können. Diese Vorgehensweise trägt dazu bei, dass sich meine Mitarbeiter mit der Planung identifizieren und diese auch vertreten. So lasse ich zu diesem Zeitpunkt auch schon die Urlaubs- und Fortbildungsplanung für das Folgejahr erstellen, die im Rahmen der Auftragsplanung beachtet werden müssen. Allerdings ist hier nichts in Stein gemeißelt. Anpassungen sind immer möglich und werden bei der monatlichen Auftragsüberwachung berücksichtigt.

DATEV magazin: Gibt es neben den Kanzleizielen auch individuelle, die Ihre Mitarbeiter erreichen sollen?

JENS WITTHÜSER: Jeder Mitarbeiter wird einerseits an den gesetzten Kanzleizielen, wie Umsatz und das Verhältnis der abrechenbaren Stunden zu Anwesenheitsstunden gemessen. Andererseits auch an seinen individuellen Zielvorgaben, die aus Umsatz, Produktivstunden, Deckungsbeiträgen und der einmal pro Jahr überprüften Mandantenzufriedenheit bestehen. Da ich zudem auch das qualitative Kanzleiwachstum fördern möchte, vereinbare ich mit einigen Mitarbeitern Ziele, die deren individuellen Interessen entsprechen. Diese Ziele stelle ich den Mitarbeitern zur freien Auswahl, um auch hier die Eigenverantwortung zu fördern. Ich möchte vermeiden, dass notwendige Schritte zur Kanzleientwicklung nicht gegangen werden. So benötige ich trotz Umsatzstrebens immer noch Mitarbeiter, die sich um das Qualitätsmanagementsystem, das Marketing oder um neue Kanzleiprodukte kümmern.

DATEV magazin: Werden sowohl die individuellen als auch die Kanzleiziele separat verbucht?

JENS WITTHÜSER: Die Arbeitszeit, die für die individuellen Ziele anfällt, gelten als interne Produktivstunden, zusätzlich zu den Lohngemeinkosten. Schließlich sollen daraus künftig weitere Umsätze generiert werden. Selbstverständlich ist dieses Zeitpensum für die individuellen Ziele gedeckelt. Die hierfür anfallenden Stunden werden aus den üblichen Zeiten der Eigenverwaltung rechnerisch herausgelöst. Ich empfehle, für die internen produktiven Zeiten eine neue Auftragsnummer anzulegen, um die dafür angefallenen Stunden besser von den anderen unterscheiden zu können.

DATEV magazin: Was verstehen Ihre Mitarbeiter unter Kanzlei-Controlling?

JENS WITTHÜSER: Anfänglich wurden alle Maßnahmen als reine Kontrolle missverstanden. Im Laufe der Jahre erkannten meine Mitarbeiter immer mehr die Entwicklungsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben. So trägt das Kanzlei-Controlling nicht nur zu einer positiven finanzwirtschaftlichen Kanzleientwicklung bei. Jährliche Mitarbeiterzielgespräche, regelmäßige Teambesprechungen mit einem Soll-/Ist-Abgleich und die verteilten Auftragsvergaben unter den Mitarbeitern führen dazu, dass in den Bearbeitungsprozessen Zeit gewonnen wird, welche die Mitarbeiter dann auch für ihre fachliche Weiterentwicklung nutzen. Die Mitarbeiter müssen Controlling als Steuerungsins­trument verstehen und den Mehrwert erkennen, der für sie hinter dieser Maßnahme steckt, nämlich Weiterbildung und die persönliche Entwicklungsmöglichkeit, die ich als Kanzleiinhaber anbieten muss.

DATEV magazin: Setzen Sie bestimmte Programme für Ihr Kanzlei-Controlling ein?

JENS WITTHÜSER: Die Struktur meines Controlling-Systems ist in Zusammenarbeit mit DATEV-Consulting entstanden. Aus diesen Beratungen verwende ich nach wie vor ein Excel-Tool zur Ermittlung der Kosten- und Verrechnungssätze. Die Auftragsplanung setzen wir innerhalb der DATEV Auftragsinfo um, deren Kontrolle über das Auskunftssystem oder soweit möglich über den DATEV Arbeitsplatz erfolgt. Mit DATEV pro sind über die Gruppierungsfunktionen ganz neue Möglichkeiten zur Auftragsüberwachung geschaffen worden.

DATEV magazin: Was war ausschlaggebend für Ihren systematischen Einstieg in das Kanzlei-Controlling?

JENS WITTHÜSER: Ganz klar meine Affinität zum Controlling. Einerseits bedingt durch meine IHK-Ausbildung zum Controller und andererseits durch den Kauf meiner Kanzlei. Die systematische Steuerung der Kanzleiabläufe war für mich von Anfang an ein wesentlicher Erfolgsfaktor zur Existenzsicherung und zur Weiterentwicklung meiner Kanzlei. Gerade in der Startphase konnte ich durch den hohen Informationsgehalt der eingereichten Unterlagen das Vertrauen der Banken gewinnen. Dieses kommt mir heute auch bei der betriebswirtschaftlichen Beratung zugute. Meine Mandnaten profitieren von meinen persönlichen und programmtechnischen Controlling-Erfahrungen.

DATEV magazin: Was waren Ihre ersten Schritte zum Aufbau eines Kanzleicontrollingsystems?

JENS WITTHÜSER: Direkt nach dem Kauf meiner Kanzlei habe ich zusammen mit DATEV-Consulting meine langfristigen Ziele und die notwendigen Strategien erarbeitet. Das war wichtig, als ich als Fremder meine Kanzlei in einer ländlich geprägten Umgebung übernommen habe. Die Strategien wurden in einem zweitägigen Kanzlei-Workshop gemeinsam mit den Mitarbeitern in operative Ziele und Maßnahmen erarbeitet.

DATEV magazin: Was empfehlen Sie anderen Kanzleien?

JENS WITTHÜSER: Nicht alles auf einmal zu wollen und den Weg nicht alleine zu gehen. Zuerst sollte eine Stärken-Schwächen-Analyse durchgeführt werden. Ich überprüfe auch heute noch jährlich die Veränderungen meiner Strength, Weakness, Opportunities, Threats – kurz meine SWOT-Analyse. Daraus lassen sich die notwendigen Kanzleiziele ableiten. Ich halte diesen Punkt für sehr wichtig, da ich die Entwicklung einer Kennzahl nur beurteilen kann, wenn ich das Ziel kenne und die Kennzahl zielkonform ist. Die langfristigen Ziele sollten für die Kanzlei in einer Balanced Score Card dokumentiert werden, die dann auch für die Zielvereinbarungen mit den Mitarbeitern gelten. Dann sind die Grundlagen für das operative Kanzlei-Controlling gelegt.

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Zu den Autoren

Jens Witthüser

führt eine Steuerberatungskanzlei in Eltmann mit 19 Mitarbeitern. „Zeit für Zukunft“ ist das Leitbild der Kanzlei.

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Ulf Kortenkamp

Redaktion DATEV magazin

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