Duales Studium - 14. April 2013

Das Beste zweier Welten

Die Hochschule Niederrhein bietet seit 2011 einen dualen Studiengang Steuern und Wirtschaftsprüfung an. Prof. Dr. Helmut Pasch spricht im Interview über seine ersten Erfahrungen mit diesem Studienmodell.

DATEV magazin: Duale Studiengänge sind zurzeit sehr en vogue, sowohl bei den Studierenden als auch bei den Arbeitgebern. An der Hochschule Niederrhein haben Sie sich für ein klassisches Studienmodell mit einer verbundenen Berufsausbildung zum Steuerfachangestellten entschieden. Was ist der Vorteil dieses Modells?

Prof. Dr. Helmut Pasch: Es gibt viele duale Studiengangsmodelle, da es keine allgemeingültigen Standards gibt. Im Bereich des Steuerrechts wurden bislang – meist von privaten Hochschulen – lediglich praxisintegrierende und berufsintegrierende Studiengänge angeboten. Der Vorteil ausbildungsintegrierender Studiengangsmodelle ist das Erlangen zweier anerkannter Abschlüsse in sehr kurzer Zeit, da beide parallel absolviert werden. Ausbildungsintegrierende Studiengänge richten sich in erster Linie an Studieninteressierte mit Abitur oder Fachhochschulreife ohne Berufserfahrung.

DATEV magazin: Die Hochschule Niederrhein kooperiert mit dem Steuerberaterverband Düsseldorf. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus?

Prof. Dr. Helmut Pasch: 2010 hat die Hochschule Niederrhein zusammen mit den Berufskollegs im Kammerbezirk der Steuerberaterkammer Düsseldorf eine Arbeitsgruppe gebildet. Ziel war es, gemeinsam einen ausbildungsintegrierten Studiengang aufzubauen, der anders als andere Modelle die unmittelbare Lehre im Berufskolleg in das Studium integriert. Darüber hinaus war unser Bestreben, dass der Berufspraxis ein fester Zeitrahmen und -raum im Rahmen des Studiums eingeräumt wurde, da es wichtig ist, dass die Studierenden relativ rasch ein festes produktives Mitglied der Praxis werden und nicht quasi als Praktikant wahrgenommen werden.

DATEV magazin: Ein ausbildungsintegrierender Studiengang soll den Studierenden gefallen und ihnen Vorteile verschaffen. Gelingt das?

Prof. Dr. Helmut Pasch: Ein solcher dualer Studiengang hat für die Studierenden neben dem Vorteil, dass sie zwei Ausbildungswege gleichzeitig bestreiten, den eines berufspraktischen Hintergrunds, um das theoretisch Erlernte schneller zu festigen. Wer zunächst die Steuerfachangestelltenausbildung absolviert und im Anschluss studieren geht, benötigt im Regelstudienverlauf zwei Jahre länger für das gleiche Ausbildungsergebnis. Ein weiterer Vorteil ist für die Studierenden, dass sie während des Studiums bereits eine Vergütung erhalten und damit frühzeitig eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit gewinnen.

DATEV magazin: Doch nicht nur die Interessen der Studierenden sollen erfüllt werden. Wie steht es um die Belange der Arbeitgeber und der Hochschule?

Prof. Dr. Helmut Pasch: Die Arbeitgeber können qualifizierte Mitarbeiter zeitig an sich binden. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird sich der Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte noch deutlich erhöhen. Die Studierenden sind regelmäßig mindestens drei Tage am Arbeitsplatz, sodass sie auch frühzeitig entsprechend der stetig steigenden Qualifizierung eingesetzt werden können. Die Hochschulen gewinnen über dieses Studienmodell qualifizierte Studierende, denn sie stehen auch im Wettbewerb um die besten Köpfe. Ein dualer Studiengang verlangt den Studierenden überdurchschnittlich viel ab. Dadurch kommen auch nur leistungsstarke Studierende für ein solches Studienmodell infrage.

DATEV magazin: Gibt es also nur Gewinner oder haben solche Studienmodelle auch Nachteile?

Prof. Dr. Helmut Pasch: Die Studierenden müssen im Verlauf des Studiums überdurchschnittliche Leistungen über einen langen Zeitraum von vier Jahren konstant erbringen. Die Arbeitgeber haben einen Mitarbeiter, den sie nur maximal drei Fünftel der Arbeitszeit zur Verfügung haben. Aber auch für Hochschulen gibt es Nachteile gegenüber anderen Studiengängen. Duale Studiengänge haben durch das enge Zeitmodell ein deutlich eingeschränktes Zeitfenster, was für die lehrenden Kollegen weniger Flexibilität in der Zeitplanung ihrer Lehrveranstaltungen bedeutet. Diese Studiengänge haben gegenüber Vollzeitstudiengängen einen deutlich höheren Organisations- und Planungsbedarf.

DATEV magazin: Wie verträgt sich die Welt der Lehre mit dem Alltag der Praktiker?

Prof. Dr. Helmut Pasch: Da wir eine praxisorientierte Hochschule sind, verträgt sich das grundsätzlich gut. Man stößt aber manchmal auf ungeahnte Schwierigkeiten. So haben sich durch das bewusste Einbinden der Lehrenden der Berufskollegs bei der Vermittlung von Studieninhalten manche Professorenkollegen in ihrem persönlichen Fachstatus herabgestuft gefühlt. Ein solcher, meines Erachtens falsch verstandener Standesdünkel kann vorübergehend zu Umsetzungsproblemen im Studienalltag führen.

DATEV magazin: Sehen Sie in dem Studienmodell eine Möglichkeit, die Attraktivität des Berufsstands zu steigern?

Prof. Dr. Helmut Pasch: Die ersten Erfahrungen in der Implementierung zeigen, dass diese Studiengangsmodelle trotz mancher Startprobleme gut umsetzbar sind und sie den Berufsstand durch zukünftig sehr gut ausgebildete Absolventen mittel- und langfristig stärken werden. Duale Studiengänge stellen dabei eine Bereicherung der Ausbildungswege im Berufsstand dar, sind aber keinesfalls ein Ersatz für bisherige klassische Ausbildungswege, die nach wie vor ebenfalls ihre Daseinsberechtigung haben.

Wissenschaft trifft Praxis

Wissenschaft trifft Praxis

Seit dem Wintersemester 2011/12 wird am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften in Mönchengladbach der ausbildungsintegrierte berufsbegleitende Bachelor-Studiengang Steuern und Wirtschaftsprüfung angeboten. Nach acht Semestern oder vier Jahren haben die Studierenden dieses Studiengangs sowohl ihre Berufsausbildung zum/zur Steuerfachangestellten in der Tasche als auch ihren Bachelor-Abschluss im Studiengang Steuern und Wirtschaftsprüfung.
Das Studienmodell wurde in enger Abstimmung mit dem Steuerberaterverband und der Steuerberaterkammer Düsseldorf entwickelt. Über die dort vernetzten Steuerberaterkanzleien war der Wunsch nach einem ausbildungsintegrierten Studiengang entstanden. „Damit können wir sicherstellen, hoch qualifizierte Fachkräfte für die Kanzleien auszubilden“, sagt Günter Koslowski, Hauptgeschäftsführer der Steuerberaterkammer Düsseldorf. „Wir wollen Nachwuchskräfte frühzeitig an uns binden, um ihnen zu zeigen, dass Steuerberater attraktive Arbeitgeber sind.“

Zu den Autoren

Prof. Dr. Helmut Pasch

Professur für Steuerrecht und Wirtschaftsprüfung an der
Hochschule Niederrhein, Initiator des dualen Studiengangmodells

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HF
Herbert Fritschka

Redaktion DATEV magazin

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